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Gewalt an Schulen: Neue Zahlen belegen: Gewaltfälle im Klassenzimmer nehmen zu

Körperverletzung, Polizeieinsätze und Bedrohungen: Gewalt ist an vielen deutschen Schulen alltäglich. Neue Zahlen belegen das. Laut einem neuen Bericht nahmen die Vorfälle deutlich zu.

Laut einer Statistik nahm die Gewalt an vielen Schulen in Deutschland zu (Symbolfoto). (Foto) Suche
Laut einer Statistik nahm die Gewalt an vielen Schulen in Deutschland zu (Symbolfoto). Bild: Adobe Stock/ Roman Bodnarchuk

Zuletzt gab es immer wieder Berichte über Gewaltdelikte und größeren Polizeieinsätzen an deutschen Schulen. Laut neuen Zahlen nehmen die Vorfälle zu. Den Landeskriminalämtern und Bildungsministerien wurden Tausende solcher Vorfälle gemeldet, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.

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Neue Zahlen: Gewalt an Schulen nimmt zu

Allein im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gab es demnach 2022 rund 5.400 Gewaltdelikte. Neuere Zahlen liegen den Ländern zumeist noch nicht vor. Gleich in mehreren Bundesländern ist die Zahl erfasster Gewaltdelikte im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie gestiegen - mitunter deutlich. Vergleicht man zum Beispiel in der Statistik des Landesinnenministeriums in NRW die Jahre 2019 und 2022, so ergibt sich ein Anstieg der Fälle um mehr als die Hälfte, auch wenn die Zahl der Schüler an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Schulen des Gesundheitswesens nur um etwa ein Prozent stieg (zwischen Schuljahr 2019/20 und 2022/23).

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So sieht es in anderen Bundesländern für 2022 aus, eine Auswahl: In Baden-Württemberg gab es dem Landesinnenministerium zufolge 2.243 Gewaltfälle, in Sachsen 1.976. In Brandenburg sprach die Polizei von 910 sogenannten Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit - in die Kategorie fallen Taten wie Raub, Bedrohung und Körperverletzungen. In allen vier Ländern stieg die Zahl.

In Berlin gibt es an jedem Schultag im Durchschnitt mindestens fünf Polizei-Einsätze. 2022 waren es laut Polizei 2.344 Fälle von Körperverletzung. Für 2023 sei eine "erneute deutliche Steigerung der Fallzahlen" zu verzeichnen. Interessant dabei ist: Solche Vorfälle werden fast nie von den Schulen oder der Polizei der Öffentlichkeit und den Medien mitgeteilt. In Thüringen sprach das Bildungsministerium in Erfurt von 561 Körperverletzungen im vergangenen Jahr (2022: 321).

Zahlen zu den Verletzten schwanken je nach Größe der Bundesländer. In Niedersachsen kletterte die Gesamtzahl der Opfer im Schulkontext von rund 2.630 im Jahr 2022 auf etwa 3.270 im Jahr 2023. In Schleswig-Holstein sind vor zwei Jahren 255 Schüler und Schülerinnen als Opfer von Vorfällen gemeldet worden - mehr als 2019. In den Jahren 2020 und 2021 waren Schulen wegen der Corona-Pandemie über längere Zeit geschlossen.

In Bayern registrierte das Landeskriminalamt (LKA) genau 1.674 Fälle von Gewaltdelikten mit leichter Körperverletzung. Das geht aus Zahlen für das Jahr 2022 hervor. Das waren 15 Prozent mehr als 2019. In dem Jahr wurden 1.422 Fälle gemeldet. Die Daten umfassen Taten an öffentliche Schulen, Förderschulen, privaten Schulen, sonstigen Schulen, Internaten und Ausbildungsanstalten, die in Gebäuden und auf dem Schulgelände passierten. 744 Schüler und 43 Lehrkräfte wurden leicht verletzt.

Kaum Auskunft geben die Landesstatistiken, ob Polizisten zum Beispiel Waffen sichergestellt haben. In Sachsen sind es 2022 insgesamt 15 Waffen gewesen, 42 Messer, 43 Steine und 19 Mal Pyrotechnik. In vielen Fällen seien auch Feuerzeuge eingesetzt worden. In Thüringen wurde laut Bildungsministerium im vergangenen Jahr fünfmal eine Waffe eingesetzt - ebenso oft wurden Softair-Waffen oder waffenähnliche Gegenstände gebraucht - mehr als 2022.

Immer wieder Berichte über Gewaltdelikte an Schulen

Trotz vieler Polizei-Einsätze kommen Fälle wie der tödliche Messerangriff auf eine Schülerin nahe Heidelberg in den Statistiken selten vor. Dort wird ein 18-Jähriger beschuldigt, im Januar an einem Gymnasium in St. Leon-Rot auf die Gleichaltrige eingestochen zu haben. Ein Vorfall in jüngster Zeit war an einer Schule nahe Berlin. Ein 22-Jähriger drang mit einem Messer und einer Schreckschusspistole vor Unterrichtsbeginn in das Gebäude in Petershagen ein. Eine Beschäftigte löste Amokalarm aus, der Mann wurde festgenommen. Im Februar wurden an einem Gymnasium in Wuppertal vier Schüler mit einem Messer angegriffen. Ein 17-Jähriger sitzt deshalb wegen des Verdachts des versuchten Mordes in Untersuchungshaft.

Gründe für gewalttätige Schüler sind unklar

Die Gründe, dass Schüler Gewalt ausübten oder androhten, sind nach Einschätzung des Brandenburger Bildungsministeriums vielschichtig. Dazu zählten Faktoren wie "Defizite in der Selbststeuerung und geringes Selbstwertgefühl, aber auch familiäre und soziale Ursachen wie Gewalterfahrungen in der Familie oder Akzeptanz sowie soziale Normen und Werte und die jeweilige Akzeptanz in der Gruppe der Gleichaltrigen". Auch Gewaltinhalte in Medien und auf Online-Plattformen könnten aggressives Verhalten begünstigen.Nach Einschätzung des Allgemeinen Schulleitungsverbandes Deutschlands haben viele Lehrkräfte das Gefühl, dass die Bereitschaft zur Gewalt zugenommen hat. "Wir haben bemerkt, dass mehr Waffen zur Schule mitgenommen werden als früher", sagte der Verbandsvorsitzende Sven Winkler. Dabei handele es sich vor allem um Messer und sogenannte Anscheinswaffen. Das sind Waffen, die echten Schusswaffen täuschend ähnlich sehen. Ob Kinder und Jugendliche Waffen dabeihaben, weil sie gewaltbereit sind, oder weil sie Angst haben und diese zur Selbstverteidigung nutzen wollten, sei unklar. Der Entwicklungspsychologe Herbert Scheithauer warnte zuletzt vor einer falschen Interpretation der Zahlen. Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" sagte er, es gebe weniger Gewaltvorfälle auf Schulhöfen als vor 15 oder 20 Jahren. Die Taten werden nach seiner Ansicht lediglich intensiver wahrgenommen, weil auch Medien mehr darüber berichteten.

Gewerkschaft fordert Maßnahmen zur Gewaltprävention

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert als Konsequenz einen Ausbau der Schulsozialarbeit. Aktuell könnten die Schulen das nötige Maß an Vorbeugung gegen Gewalt nicht leisten, sagte GEW-Vorständin Anja Bensinger-Stolze dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Der dramatische Lehrkräftemangel und die viel zu geringe Zahl an Schulsozialarbeiterstellen führen dazu, dass die präventive Arbeit vor Ort oft nur stark eingeschränkt zu leisten ist."

Manche Schulen setzen bereits Sicherheitsdienste ein, wie eine Einrichtung in Bremerhaven. Die Jugendlichen schlugen Fenster ein, bedrohten und beleidigten Schüler und Lehrkräfte. Dort kamen fast täglich schulfremde Personen auf das Schulgelände. Sie beschädigten Türen, entriegelten Feuerlöscher und verstopften Toiletten. "Die Lage im vergangenen Herbst war sehr unruhig", berichtete eine Schulsprecherin. "Ich habe mich unsicher gefühlt." Mit den Wachleuten beruhigte sich die Lage wieder.

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/loc/news.de/dpa

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