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Experten fordern die Rente mit 70: "Nicht mehr alle Latten am Zaun!" Twitter eskaliert nach Renten-Hammer

"Unsozialer Bullshit" - so scharf fiel die Kritik aus, die der Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall für seinem Vorstoß für eine Rente mit 70 erntete. Nun pflichten ihm Stimmen aus der Wissenschaft bei. Twitter ist entsetzt und teilt gegen die Experten aus.

Ökonomen wollen das Renteneintrittsalter auf 70 anheben. (Foto) Suche
Ökonomen wollen das Renteneintrittsalter auf 70 anheben. Bild: AdobeStock/ Khongtham (Symbolbild)

In der Debatte um eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre hat Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf Unterstützung von Wirtschaftsexperten erhalten. "Der Vorschlag ist richtig und wichtig: Denn er hilft gegen Altersarmut und entlastet zudem die Rentenkasse, die vor dem Kollaps steht", sagte der Ökonom und Rentenpapst Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg der "Bild"-Zeitung (02.08.2022). Auch die "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer zeigte sich für ein höheres Renteneintrittsalter offen.

Renten-Hammer! Chef des Arbeitgeberverbandes befürwortet Rente mit 70

Wolf, seines Zeichens Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, hatte sich in einem Gespräch mit der Funke Mediengruppe für eine längere Lebensarbeitszeit ausgesprochen und dies unter anderem mit einer immer älter werdenden Gesellschaft begründet. Angesichts der demografischen Entwicklung und der Belastungen der Sozial- und Rentenkassen seien die Reserven aufgebraucht. "Stufenweise werden wir auf das Renteneintrittsalter von 70 Jahren hochgehen müssen - auch weil das Lebensalter immer weiter steigt", erklärte Wolf. Ansonsten werde das System mittelfristig nicht mehr finanzierbar sein.

Drei Stellschrauben zur Sicherung der Rente: Renteneintrittsalter, Beitragshöhe und Rentenhöhe

Während der Vorschlag bei Gewerkschaften, Politikern der Linken und und Sozialverbänden auf strikte Ablehnung stieß, signalisierte die "Wirtschaftsweise" Schnitzer Unterstützung. "Um die Rente auch in Zukunft zu sichern, gibt es drei Stellschrauben: Renteneintrittsalter, Beitragshöhe und Rentenhöhe. Man wird nicht umhinkommen, an allen drei Schrauben zu drehen, wenn wir die künftigen Generationen nicht überlasten wollen", sagte die Münchner Wirtschaftsprofessorin der Funke Mediengruppe.

Wirtschaftsweise Schnitzer für flexible, individuelle Arbeitszeitmodelle

Das Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung forderte zudem eine Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit. "Manche möchten mehr verdienen und sind bereit, dafür länger zu arbeiten", sagte sie. "Andere wollen eher etwas weniger arbeiten. In Zeiten des Fachkräftemangels sollte man Konzepte finden, die es ermöglichen, möglichst viele in den Arbeitsmarkt zu integrieren."

"Rentenkürzung mit Ansage!" Massive Kritik am Vorschlag der Rente mit 70

Auf Widerspruch war der Vorschlag für eine Rente mit 70 unter anderem beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gestoßen. Der Vorstoß sei "nichts anderes als eine Rentenkürzung mit Ansage", sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) ordnete das Vorhaben ebenfalls so ein: "Eine Anhebung des Renteneintrittsalters bedeutet nichts anderes als eine Rentenkürzung", sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer laut Mitteilung. Ein derartiges Vorhaben sei "schlichtweg inakzeptabel". Stattdessen brauche es eine grundsätzliche Debatte über die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung.

Gesetzliche Rentenversicherung stärken statt Renteneintrittsalter heraufsetzen

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, schlug vor, die gesetzliche Rentenversicherung auf eine solidere Finanzgrundlage zu stellen. "Statt lebensferner Überlegungen, das Renteneintrittsalter weiter heraufzusetzen, müssen wir die gesetzliche Rentenversicherung stärken. Das bedeutet: Perspektivisch müssen alle dort einzahlen - neben Angestellten auch Beamte, Selbstständige und Politiker", sagte Bentele.

Twitter eskaliert und spottet über "Rente mit 70"

Auch auf Twitter wurde der Vorschlag zur Erhöhung des Renteneintrittsalters erneut heftig diskutiert. Doch der Vorstoß der Ökonomen und Wissenschaftler erntete keineswegs Jubelrufe. "Ich fordere den Sesselpuper von Arbeitgeberchef auf bitte mit 69 als Dachdecker oder Bauarbeiter mal nur 1 Tag mitzuarbeiten. Einfach nur noch ekelhaft wozu der Kapitalismus die Menschheit treibt!", hieß es in einem Tweet. "Absolut unverständlich. Auf 70?!?! Der hat doch nicht mehr alle Latten am Zaun! Das arbeitsscheue Pack soll malochen bis es von selbst in die Kiste fällt! Am besten noch Gratis & Umsonst! Wie soll man sich als Manager sonst n dritten Porsche leisten können?", zeigte sich auch dieser Nutzer empört.

"Der zieht auch Nebenluft der Honk. Wünsche ihm, dass ein 69 Automechaniker sein Auto repariert und eine 69 Jährige Krankenschwester ihn Pflegt wenn er von einem 68 Jährigen Krankenwagenfahrer in KH gebracht wird", twitterte ein anderer. "Gar nicht dumm der Mann. Die Erhöhung des Rentenalters ist ein guter Kniff um weniger Rente zu zahlen, weil jeder, der schwer arbeitet bis dahin tot ist. Es erübrigt sich also vernünftige Löhne zu zahlen um eine vernünftige Rente zu bekommen. Kluges Kerlchen", spottete auch dieser Twitter-Nutzer.

Rente in Deutschland aktuell: Schrittweise Anhebung der Altersgrenze von 65 auf 67 bis 2029 geplant

Aktuell ist geplant, die Altersgrenze für die Rente ohne Abschläge bis 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre anzuheben. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lehnt eine weitere Erhöhung des Eintrittsalters ab. Bereits im Mai hatte er nach einem Vorstoß von Ökonomen zur Rente mit 70 erklärt: "Wir haben in der Koalition vereinbart, dass wir das gesetzliche Renteneintrittsalter nicht erhöhen. Und daran wird sich nichts ändern." Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hatte den Vorschlag von Wolf als "unsozialen Bullshit" abgekanzelt.

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/loc/news.de/dpa

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