Von Elmar Stephan, dpa - Uhr

Vermisstenfall Joe (8) aus Oldenburg: Eine Stadt atmet auf! Wie kam der Achtjährige in den Gully?

Das Wochenende beginnt in Oldenburg mit einer erleichternden Nachricht: Der vermisste achtjährige Joe lebt. Das Kind wurde nach acht Tagen im Kanalsystem der Stadt gefunden. Doch es bleiben viele Fragen zu klären.

In diesem Gully wurde der seit Tagen vermisste Joe (8) aus Oldenburg lebend gefunden - doch die Polizei muss noch eine Reihe von offenen Fragen beantworten. (Foto) Suche
In diesem Gully wurde der seit Tagen vermisste Joe (8) aus Oldenburg lebend gefunden - doch die Polizei muss noch eine Reihe von offenen Fragen beantworten. Bild: picture alliance/dpa | Andre van Elten

Es ist die wohl freudigste Nachricht, die die Polizei in Oldenburg je übermitteln durfte: Nach acht Tagen Suche kam am Samstagfrüh die erlösende Nachricht, dass der vermisste acht Jahre alte Joe lebend in einem Gully gefunden worden ist: "!! !! Der 8-jährige #Joe lebt !! !!", twitterte die Polizei in Oldenburg am Morgen des 25. Juni 2022.

Vermisstenfall Joe (8) in Oldenburg: Verschwundenes Kind lebend in Gully gefunden

Die vielen Ausrufezeichen drücken aus, was nicht nur die Beamten, sondern die ganze Stadt und viele Menschen in Deutschland empfinden: "Wir sind so glücklich - wirklich!", sagte Polizeisprecher Stephan Klatte. In den sozialen Medien verbreitete sich die Nachricht rasend schnell.

Passant hört Wimmern unter Kanaldeckel: Vermisster Junge aus Oldenburg lebend gerettet

Ein Spaziergänger hatte in einem Wohnviertel im Stadtteil Donnerschwee gegen 6.20 Uhr ein leises Wimmern aus der Richtung eines Kanaldeckels gehört und die Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste verständigt. Als sie den schweren Deckel öffneten, fanden sie den kleinen Jungen. Gefunden wurde das geistig behinderte Kind damit nur wenige hundert Meter von seinem Elternhaus entfernt. In dem Stadtteil war er auch zuletzt gesehen worden, im Bereich von früheren Kasernen.

Der Polizei zufolge war er äußerlich unverletzt, aber unterkühlt. In der Gegend waren zuvor auch Spürhunde eingesetzt worden. Weil das Kind gern Verstecken spielt, war zunächst auch in Altkleidercontainer sowie unter geparkten Autos nach ihm gesucht worden. Aufgrund eines Zeugenhinweises richtete die Polizei sechs Tage nach Joes Verschwinden eine Mordkommission ein.

Das Schicksal des Jungen, der auf Fotos fröhlich in die Kamera lächelt, bewegte die ganze Region. An der Suche beteiligten sich viele Privatleute, die Freiwillige Feuerwehr unterstützte Polizei und Hilfsdienste. Firmen und Vereine teilten die Aufrufe.

Fieberhafte Suche der Polizei nach vermisstem Achtjährigen nimmt glückliches Ende

Gesucht wurde allerdings in den vergangenen Tagen auch im Nachbarlandkreis Ammerland, nachdem Zeugen den Jungen auf einem Erdbeerfeld in der Nähe eines psychiatrischen Krankenhauses an der Stadtgrenze zu Bad Zwischenahn gesehen haben wollten. Die Polizei schloss nicht aus, dass Joe die Suche als eine Art Versteckspiel verstehen könnte. Sie öffnete daher auch Altkleidercontainer im Stadtgebiet von Oldenburg - vielleicht war Joe ja hineingekrabbelt.

Joe (8) ist wieder da: Wo steckte der geistig behinderte Junge so lange?

Die Frage, wo der geistig behinderte achtjährige Joe geblieben sein könnte, beschäftigte Menschen deutschlandweit. Die verbreiteten Bilder zeigten ein Kind mit Lockenkopf, das fröhlich in die Kamera strahlt. Aber je länger die vergebliche Suche dauerte, umso mehr stieg die Angst, ihn nicht mehr lebend zu finden. Auch die Möglichkeit eines Gewaltverbrechens nahm die Polizei ins Visier. Eine Mordkommission wurde nach einem Zeugenhinweis eingerichtet.

Achtjähriger Joe lebend, aber unterkühlt aus Gully gerettet

Umso größer ist nun also die Erleichterung über das glückliche Ende. Joe sei äußerlich unverletzt gewesen, als die Polizei ihn aus dem Gully befreite, sagte Klatte. "Aber er war aufgrund der kühleren Nacht deutlich unterkühlt." Er wurde sofort in ein Krankenhaus gebracht, wo er versorgt und auch untersucht werden sollte.

Polizei Oldenburg ermittelt im Fall Joe weiter: Wie kam der Junge in den Abwasserkanal?

Dass Joe endlich gefunden wurde, heißt aber nicht, dass nun die Polizei die Untersuchungen abgeschlossen hat. Es gibt noch viele Fragen, darunter vor allem: Wie kam Joe in den Kanalschacht?

Den zentnerschweren Deckel bekommt auch ein kräftiger Erwachsener nicht so ohne weiteres angehoben. Denkbar sei, dass das Kind an einer anderen Stelle des verzweigten Kanalsystems ins Tunnellabyrinth geklettert und durch die Röhren gekrabbelt sei, erklärte der Polizeisprecher.

"Die Kanalrohre sind teilweise so schmal, da kommt kein Erwachsener durch", sagte Klatte. Nun wollen die Ermittler mit Kameras im Kanalsystem nach Spuren suchen, um den Weg, den Joe genommen haben könnte, nachzuvollziehen. Aber auch die andere mögliche Erklärung, dass ein Verbrechen vorliegt, habe die Polizei noch nicht zu den Akten gelegt, sagte Klatte. Denkbar also, dass jemand Joe absichtlich in den Gullyschacht gelegt hat. "Auch diese Möglichkeit werden wir weiter im Blick behalten", betonte der Polizeisprecher.

Nach Fund von vermisstem Joe sind weiter viele Fragen offen

Nach dem Fund des vermissten achtjährigen Joe aus Oldenburg unter einem Gullydeckel ermittelt die Polizei weiter in verschiedene Richtungen. Noch sei unklar, wie der Junge ins Kanalsystem gelangte, sagte eine Polizeisprecherin am 27. Juni, zwei Tage nach dem Wiederauffinden des vermissten Kindes. Hilfe bei der Klärung dieser Frage erhoffen sich die Ermittler von einer Fachfirma, die am Sonntag im Auftrag der Polizei einen Roboter mit Kamera ins Kanalsystem geschickt hatte. Dieser sollte den Weg nachzuvollziehen, den Joe genommen haben könnte. "Die Auswertung liegt uns noch nicht vor", sagte die Sprecherin der Polizei am Montagnachmittag. Ihr zufolge wird das Kind weiter im Krankenhaus versorgt. Von der Polizei sei der Junge noch nicht befragt worden.

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/news.de/dpa

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