Von Hans-Werner Rodrian - Uhr

Wo die Mauer noch steht: Die Reste der ungeliebten Erinnerung

Seit 20 Jahren ist die Mauer weg - aber nicht überall. Ein Streifzug durch die Republik zeigt: An einigen Stellen kann man die deutsche Teilung noch erleben.

Hier war der Kalte Krieg am heißesten:Am Point Alpha standen sich Ost und West hochgerüstet gegenüber. (Foto) Suche
Hier war der Kalte Krieg am heißesten: Am Point Alpha standen sich Ost und West hochgerüstet gegenüber. Bild: ddp

«Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.» Kaum waren Walter Ulbrichts Worte 1961 verklungen, da wuchs es auch schon heran, das Monster aus Beton und Stacheldraht. Am 9. November 1989 fiel die Mauer dann, ohne Blutvergießen.

Doch wo ist heute noch etwas zu sehen von dieser Leistung, um die die Welt Deutschland beneidet? So viele negative Erinnerungen sind damit verbunden, und so steht kaum mehr etwas von der Mauer als Mahnmal für künftige Generationen. Oder doch? Wir haben uns auf den Weg gemacht und einiges gefunden.

Schlagsdorf: Sperrzonen im «Grenzhus»

Wir starten im Norden bei Ratzeburg, ein paar Kilometer südlich der Ostseeautobahn. Da wird im kleinen Ort Schlagsdorf plötzlich alles wieder beklemmend deutlich: Schutzstreifen, Kfz-Sperrgraben, Metallgitterzaun. Das «Grenzhus» zeigt in der Außenanlage aus originalen Bauteilen beängstigend sachlich, wie der Ort sich 1945 unversehens an der Demarkationslinie zwischen britischer und sowjetischer Besatzungszone fand, wie dann ab 1952 verdächtige Personen aus der Fünf-Kilometer-Sperrzone ausgesiedelt wurden, in den Siebzigern schließlich Beobachtungstürme, Stacheldrahtzaun und Minenfelder angelegt wurden. Schlagsdorf war praktisch komplett von der Außenwelt abgeschnitten.

Die Präsentation in Dioramen, Filmen und Exponaten spart auch nicht die Zeit nach 1989 aus, als die Geschichte der Grenze als unbequemes Thema gern verdrängt wurde, weil sich mit ihr ja unterschiedliche lebensgeschichtliche Erfahrungen verbanden. Wer sich rechtzeitig anmeldet, kann sich von Zeitzeugen durch die Anlage führen lassen oder eine geführte Wanderungen im renaturierten, teils naturbelassenen Todesstreifen unternehmen.

Rüterberg: Blick durchs grausige Grenztor

Von Lauenburg bis kurz vor Schnackenburg bildete die Elbe auf 98 Stromkilometern die deutsch-deutsche Grenze. Am östlichen Ufer, gegenüber dem Wendland, hatte es das Dörfchen Rüterberg besonders schwer. Auf einer Landzunge gelegen, musste zu DDR-Zeiten jeder beim Betreten und Verlassen des Ortes seine Papiere vorzeigen. Besuch zu empfangen, war praktisch unmöglich.

Selbst nach der Maueröffnung wurden die Kontrollen noch mehrere Tage lang aufrechterhalten. Aus Protest erklärten sich die Rüterberger im Chaos der untergehenden DDR für unabhängig - als «Dorfrepublik Rüterberg». Diese Geschichte erzählt die 1999 eingerichtete Heimatstube. Beim Betrachten der Sammlung zum Leben in einem Grenzdorf lässt sich viel aus dem Alltag der DDR erfahren.

Auch das eiserne Grenztor aus der DDR-Zeit steht noch. Mit einem Stück des drei Meter hohen Metallgitterzauns, dem elf Meter hohen Befehlsturm der Grenztruppen und ständiger Beflaggung erinnert es weiter an die unselige Zeit der Teilung. Rüterberg selbst allerdings wird man auf der Karte nicht mehr finden - 2004 wurde es in die Stadt Dömitz eingemeindet.

Helmstedt-Marienborn: Rasthof des Kalten Kriegs

Wo sind sie geblieben, die schaurigen Autobahnübergänge auf den Transitstraßen nach Westberlin, wo Millionen Autofahrer 40 Jahre lang schikaniert wurden? Darum, die unheimliche Erinnerung wachzuhalten, geht es im doppelten Zonengrenz-Museum Helmstedt und Marienborn an der A2. Besonders beeindruckend auf Helmstedter Seite ist das Stück nahezu original aufgebauter Zonengrenze mit dem typischen Streckmetallzaun, Warnschildern, Minen und Selbstschussanlage.

Jenseits der ehemaligen Grenze liegt auf dem Gelände der heutigen Autobahntankstelle Marienborn Süd die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn. Dort sind die einstigen DDR-Anlagen der Pkw- und Lkw-Einreisekontrollen original erhalten und bewahren die Erinnerung an die harschen Kontrollen in den Zeiten des Kalten Kriegs. Die Grenzübergangsstelle, die bis Mitte 1990 in Betrieb war, steht unter Denkmalschutz. Gäste können allein über das Gelände streifen oder sich bei einer Führung die einzelnen Gebäude erläutern lassen.


Point Alpha: Grenzmuseum mit Gänsehaut

Wäre der Dritte Weltkrieg ausgebrochen, es wäre ziemlich sicher in einem kleinen Waldstück am Nordrand der Rhön geschehen. Ein Angriff des Warschauer Pakts wurde von den Amerikanern im «Fulda Gap» erwartet, wo das Territorium der DDR am weitesten in bundesdeutsches Gebiet hinein ragte. Verständlich, dass die US-Armee dort in den 1950er Jahren einen Beobachtungsposten einrichtete. Bis zur Wende war er von einer Eliteeinheit in ständiger Alarmbereitschaft besetzt.

Der ehemalige Stützpunkt an der hessisch-thüringischen Grenze, mitten im Biosphärenreservat Rhön, ist heute ein einzigartiges Museum und Mahnmal des Kalten Kriegs - samt Beobachtungsturm, Unterkünften und den nur fünf Meter entfernten Grenzanlagen. Gleichzeitig wird in den ehemaligen Nato-Gebäuden die militärische Seite beängstigend deutlich: Beide Seiten standen sich bis zur Nasenspitze hochgerüstet gegenüber.

Mödlareuth: Hier steht die Mauer noch

Im Süden endete die deutsch-deutsche Grenze bei Hof an der Saale und ging über in den Eisernen Vorhang, der die damalige Tschechoslowakei von der Bundesrepublik trennte. Kaum 20 Kilometer davor erlangte das winzige Mödlareuth als «Little Berlin» während des Kalten Kriegs traurige Berühmtheit. Der kleine Ort hat nämlich eine bayerische und eine thüringische Seite. Und so leuchteten riesige Scheinwerfer auf Todesstreifen und Selbstschussanlagen quer durchs Dorf.

Die extreme Situation ist auch heute noch mit Händen zu greifen. Denn gleich nach der Wende entschloss sich das Dorf, die gespenstische Kulisse als Deutsch-Deutsches Grenzmuseum zur Geschichte der Deutschen Teilung zu erhalten. Und so drohen sie weiter, die ehemaligen Grenzanlagen und Stacheldrahtzäune.

Unübersehbar sind auch die beiden Beobachtungstürme, in denen bis 1989 die DDR-Grenzer jedes Hüsteln eines der 50 Einwohner in Mödlareuth/West belauerten. Zwischen Mauer und Stacheldraht wird die einstige Situation mit Schautafeln verdeutlicht, daneben kann man einen ausrangierten Hubschrauber bewundern. Und neben dem Busparkplatz steht ein alter Panzer.

mik/srt/news.de

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