Von news.de-Redakteurin Isabelle Wiedemeier - Uhr

Strafen im Wandel: Früher Hausarrest, heute Playstationentzug

Auch Strafen müssen mit der Zeit gehen, sollte man meinen. Doch die Pädagogin Ute Reimann-Höhn erklärt, dass der Wandel beim Bestrafen eigentlich gar nicht so viel mit neuen Medien zu tun hat - und die Playstation im Strafenkatalog eine Randgestalt bleiben sollte.

Wütendes Kind - was jetzt? (Foto) Suche
Wütendes Kind - was jetzt? Bild: iStockphoto

Hausarrest als Strafe ist von gestern. «Yeah», würde jeder Siebenjährige vor Freude schreien und sich denken: «Endlich mal einen ganzen Nachmittag ungestört Playstation spielen, ohne an die blöde frische Luft zu müssen.» Sind wir auch beim Strafenkatalog für Kinder in der virtuellen Zeit angelangt, mit Gameboy-, Fernseh- und Internetentzug statt Spielplatzverbot?

Tatsächlich habe sich die Form der Bestrafung verändert, sagt Diplom-Pädagogin Ute Reimann-Höhn, die sich mit dem Thema wissenschaftlich auseinandersetzt. Allerdings anders, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre. Denn die Frage nach Display oder frischer Luft ist für sie gar nicht so relevant bei den Erziehungsmaßnahmen. «Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern hat sich dramatisch gewandelt. Der Erziehungsstil ist demokratischer, Eltern und Kinder kooperieren und versuchen, gemeinsam das Leben zu bewältigen.» Das ist für sie viel stärker ausschlaggebend als technische Neuerungen.

Ohrfeigen und Züchtigung aller Art sind vom Tisch und sogar gesetztlich verboten. Der neue, partnerschaftliche Umgang zwischen Eltern und Kind bedeutet für Reimann-Höhn auch, dass das drakonische Wort «Strafe» ausgedient hat. Sie spricht lieber von «logischer Konsequenz» - und genau so sollten Strafen auch aufgebaut sein. «Je mehr sich der neue Erziehungsstil durchsetzt, desto wichtiger werden logische Konsequenzen», sagt sie.

Erziehen statt erpressen

Solange der Bengel nicht aufräumt, wird auch nicht mit ihm gespielt. Macht die kleine Zicke keine Hausaufgaben, muss sie die Zeit absitzen und ruhig auch mal ohne Aufgaben in die Schule. Und bei Beschimpfungen empfiehlt die Pädagogin, jedes Gespräch abzubrechen und das Kind von einer geplanten gemeinsamen Aktivität auszuschließen. Den ganzen «Bußgeldkatalog» hat sie auf ihrer Internetseite zusammengefasst.

Erziehen statt erpressen ist also die Devise, Sanktionen müssen direkt mit der kindlichen «Straftat» in Verbindung stehen. Schon beim Einjährigen, der mit dem Bobbycar ständig auf die Straße fährt, ist die logische Konsequenz, ihm das Gefährt nach mehrmaligem Ermahnen wegzunehmen.

Auch der Playstationentzug könne durchaus Sinn machen, meint die Pädagogin. Wenn schlechte Schulnoten zum Beispiel damit zu tun haben, dass das Kind zockt anstatt seine Hausaufgaben zu erledigen. «Sind die Noten aber aus anderen Gründen schlecht, ist es Quatsch, die Freizeitbeschäftigung zu verbieten», betont Ute Reimann-Höhn. Bei schlechtem Benehmen einfach die Konsole wegzuschließen ist also doch zu einfach - genau wie der Hausarrest als Generalstrafe früher wenig Sinn machte. Denn wenn die Logik bei der Bestrafung fehlt, ist auch vom Kind keine Einsicht zu erwarten. Deshalb sei es wichtig für Eltern, sich über Strafen Gedanken zu machen. «Die Frage ist: Was will ich erreichen? Blinden Gehorsam oder Einsicht, dass Regeln akzeptiert werden müssen?»

Von einer Strafe rät die Pädagogin dringend ab: dem Liebesentzug. «Das ist eine brutale Strafe. Kinder sind nicht absichtlich böse, sie entwickeln sich und lernen, was richtig ist, indem sie Grenzen austesten. Man macht eine Kinderseele kaputt, wenn man sagt, ich hab dich nicht mehr lieb.» Denn selbst bei einem aufsässigen und dickköpfigen Kind sind die Eltern die wesentlichen Bezugspunkte. Bis zur Pubertät.

In der Pubertät müssen Regeln reduziert werden

Denn dann, sagt die Pädagogin, «machen die Jugendlichen doch sowieso, was sie wollen». Maßnahmen wie Hausarrest und Kinoverbot bewirken nur das Gegenteil. Für Reimann-Höhn ist das große Problem der Pubertät, dass beide Seiten sich falsch verhalten. «Wichtig ist eine gemeinsame Basis, das aufeinander Zugehen. Regeln sollte man dabei auf das Wichtigste reduzieren. Je weniger, desto besser, weil in jedem Fall eine Trotzreaktion kommt.»

Und wenn es Regeln gibt, dann müssten die absolut logisch sein. Ein Punkt wäre zum Beispiel, einem 14-Jährigen, der von seinem Taschengeld Zigaretten kauft, das Geld zu streichen. Das Vorgehen müsse auch dem renitenten Jugendlichen immer erklärt werden - «die verstehen das schon, auch wenn sie es nicht gut finden».

So logisch das klingt, es ist eine Gratwanderung für besorgte Eltern. Aus Sorge um das Verhältnis gar keine Grenzen zu setzen kann ebenso falsch sein, wie aus Angst Autorität zu demonstrieren - und den Kontakt ganz zu verlieren. «Ich muss überlegen: Was ist mir wirklich wichtig? Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Wenn der Sohn zum Beispiel die Rolläden nicht hochziehen will, ist das doch egal. Soll er doch den ganzen Tag in der dunklen Bude hocken.»

phs/news.de

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