Von news.de-Redakteur Christian Mathea - Uhr

Hausarbeiten.de: «Wir sind kein Schummelinstrument»

Wer in Deutschland studiert, für den ist hausarbeiten.de eine der am häufigsten aufgerufenen Adressen im Netz. Patrick Hammer, Erfinder der Seite, erzählt news.de von den Anfangsjahren und sagt, warum der Service nicht mehr kostenlos ist.

Patrick Hammer ist Gründer und Geschäftsführer von Grin. (Foto) Suche
Patrick Hammer ist Gründer und Geschäftsführer von Grin. Bild: Grin

Herr Hammer, welche Diplomarbeiten werden am meisten gekauft? Gibt es da bestimmte Fächer oder fachliche Schwerpunkte?

Hammer: Im Prinzip sind es Fachbereiche, in denen wir die meisten Arbeiten bekommen. Wirtschaftswissenschaften sind ziemlich stark. Ansonsten laufen Geisteswissenschaften, Pädagogik und Sprachwissenschaften wie Anglistik und Germanistik gut.

Was geht weniger gut?

Hammer: Was nicht so gut läuft, sind Naturwissenschaften. Das sind oft Themen aus Mathematik und Chemie, bei denen man die Titel nicht versteht.

Gibt es die am besten geklickteste Arbeit?

Hammer: Das ändert sich schnell. Oft sind es Texte, die sich damit beschäftigen, was gerade in der Schule abgefragt wird. Schüler sind scheinbar besonders fleißig, sich Infos für Referate zu holen. Gerade scheint Wolfgang Köppens Tauben im Gras auf dem Lehrplan zu stehen. Da haben wir teilweise 500 bis 600 Zugriffe pro Arbeit am Tag. Bei Studenten haben wir nicht den Bestseller. Aber wir haben ein paar Good-Seller wie eine Analyse der Yes-We-Can-Rede von Barack Obama. Diese wird schon mal über 100 Mal im Monat verkauft, wenn gerade Wahlen sind. Es gibt auf jeden Fall Autoren, die bekommen weit über 1000 Euro pro Quartal.

Wie haben die Professoren in der Anfangszeit auf hausarbeiten.de reagiert? Theoretisch brauchen die Studenten nur nach einem Thema zu suchen und können dann abschreiben. Gab es großen Protest?

Hammer: Der Protest war anfangs sehr stark. Aber er hat uns auch bekannt gemacht, weil wir bestimmt 100 Presseartikel in der Anfangszeit hatten. Da herrschte wirklich ein «Doomsday»-Gefühl und die Professoren hatten Angst, alle Studenten würden nur noch abschreiben und alles geht den Bach runter.

Wurdest Du persönlich angegriffen?

Hammer: Bei mir an der Uni hat ein Dozent dazu aufgerufen, mich von der Uni zu schmeißen. Andere Dozenten fanden die Idee wiederum gar nicht so schlecht. Wir haben aber von Anfang an gesagt, dass wir kein Schummelinstrument sind und dass wir Dozenten unterstützen auf der Suche nach Plagiaten.

Wie denn?

Hammer: Wenn jemand den Verdacht hat, ein Student hat abgeschrieben, dann kriegt er die Arbeit kostenlos zur Überprüfung zugesandt. Mittlerweile hat sich die Angst auch gelegt. Man kann überall im Internet abschreiben, nicht nur bei uns. Die Studenten können in Büchern abschreiben, die in der Bibliothek stehen. Dabei werden sie vielleicht noch weniger erwischt, weil es keine Volltextseite gibt.

Wieso die Arbeiten jetzt Geld kosten

Wieso kosten die meisten Arbeiten mittlerweile Geld?

Hammer: Wenn wir keine Vermarktung hätten, würde es unsere Seite nicht mehr geben. Wir haben kostenlos angefangen und dachten, dass wir einfach ein großes Archiv aufbauen und mit Werbung Geld verdienen. Das Archiv ist stetig gewachsen. Irgendwann brauchten wir neue Server und Leute, die in der Redaktion arbeiten. So hatten wir immer mehr Kosten, aber keine steigenden Einnahmen mit Werbung. Das hat nicht funktioniert, übrigens sind die Werbeeinnahmen bis jetzt verschwindend gering. Deshalb haben wir beschlossen, wir bieten unseren Autoren die Vermarktung einfach zusätzlich an. Dadurch haben wir die Kurve gekriegt und überlebt in der Zeit der Internetblase.

Aber die Studenten bekommen ihre Bildung gratis, sollten sie da für ihre Arbeiten Geld verlangen? Ist das nicht unmoralisch?

Hammer: Ich denke nicht, dass es unmoralisch ist, Dinge zu verkaufen. Autoren wollen überleben, Studenten wollen überleben und haben wenig Geld. Und das Argument, dass Studenten ihre Bildung größtenteils kostenlos kriegen, stimmt so nicht. Sie zahlen Studiengebühren und müssen Lehrbücher bezahlen. Sie müssen auch am Kopierer bezahlen und in der Bibliothek. Da finde ich es in Ordnung, wenn sie ein paar Euro mit ihren Hausarbeiten verdienen, die sonst vielleicht niemand annehmen würde.

Wenn ich eine Hausarbeit zu Euch schicke, wie ist das Prozedere?

Hammer: Du klickst auf den Upload-Button und lädst Deine Arbeit hoch. Im nächsten Schritt kommt die Vertragsauswahl. Es gibt die Möglichkeit, dass Du sie vermarktest, dann bekommst Du 35 oder 40 Prozent für jeden Verkauf. Dann gibt es die Möglichkeit für einen Verkauf. Dann geben wir Dir pauschal zehn Euro für kleinere Arbeiten und dann nichts mehr. Wir übernehmen dafür das Risiko, dass sich die Arbeit gar nicht verkauft. Und dann gibt es immer noch die Möglichkeit, die Arbeit kostenlos zu veröffentlichen.

Wie werden die Texte zum Verkauf angeboten?

Hammer: Wir stellen den Text auf unsere Webseite. Dort kann der Interessent einen Teil anlesen. Will er das PDF haben, kann er es downloaden und muss bezahlen. Oder er kann den Text als Buch kaufen, falls der Autor sich dafür entschieden hat. Es handelt sich um gedruckte Bücher, die man bei Amazon, bei Hugendubel und überall sonst bestellen kann. Das machen wir seit dreieinhalb Jahren und haben mittlerweile 52.000 Bücher auf den Markt gebracht. Jeder Verkauf wird dem Autorenkonto gutgeschrieben. Letztes Quartal haben wir an über 20.000 Autoren Honorare ausgezahlt.

Wenn ich meine Arbeit vermarkten lasse, kann ich den Preis selbst festlegen?

Hammer: Beim Hochladen kann ein Preis vorgeschlagen werden, den wir im Normalfall übernehmen.

Ihr schlagt aber auch Preise vor. Wie legt ihr diese fest?

Hammer: Das ist Erfahrung der Redaktion. Wir beschäftigen uns schon ewig mit solchen Texten und der Nachfrage danach. Wir haben auch schon automatisierte Tests gemacht. Zum Beispiel haben wir mal 5000 Diplomarbeiten zehn Euro billiger gemacht und geschaut, wie entwickeln sich die Verkäufe, um den idealen Preis für unsere Autoren zu finden. Eine Diplomarbeit kostet im Schnitt 30 Euro und eine Hausarbeit zwischen acht und neun Euro.

Wie gut eine Arbeit für hausarbeiten.de sein muss

Wenn Ihr die Arbeit für zehn Euro kauft, also das Risiko selbst übernehmt - ist dann egal, was es für eine Arbeit ist? Nehmen wir an, ich schicke eine schlechte Hausarbeit mit Note 4.

Hammer: Note 4 nehmen wir nicht, wir nehmen erst ab Note 3. Aber es ist nicht so, dass wir alles annehmen. Gerade irgendwelche schlechten Arbeiten ohne Quellenangaben veröffentlichen wir sowieso nicht, genauso wie Arbeiten, bei denen wir denken, das ist kein spannendes Thema oder schlecht ausgearbeitet. Wenn es eine ordentliche wissenschaftliche Arbeit mit ordentlicher Quellenangabe ist, egal, ob von Studenten, Dozenten oder sonst irgendjemand, dann nehmen wir sie im Normalfall an.

Müsst Ihr auf bestimmte Rechte achten? Es könnte ja sein, dass Ihr eine kopierte Hausarbeit bekommt.

Hammer: Erst einmal müssen wir schauen, ob wir die Arbeit veröffentlichen dürfen. Das ist meistens der Fall - außer der Student ist an einer privaten Hochschule und hat irgendwelche Rechte abgetreten. Zudem müssen wir prüfen, ob Leute interviewt wurden und dass die Rechte vorhanden sind, diese Namen zu nennen. Wenn nicht, müssen die Namen geschwärzt werden. Wenn ein Student seine Diplomarbeit für ein Unternehmen geschrieben hat, dürfen keine unternehmensinternen Daten veröffentlicht werden. Und natürlich sollte die Arbeit selbst geschrieben worden sein. Mindestens einmal im Monat haben wir Probleme mit Autoren, die Plagiate hochgeladen haben. Das sind übrigens oft Dozenten und keine Studenten.

Dozenten?

Hammer: Es gibt wirklich Dozenten, die teilweise 20 Arbeiten hochgeladen haben, die sie teilweise gar nicht selbst geschrieben haben.

Wie kommt dieser Betrug raus?

Hammer: Meistens bemerkt das der ursprüngliche Autor und sagt Bescheid. Wir sperren die Arbeit natürlich sofort. Das gleiche Problem hat jeder Verlag. Wir können vorher nur sehr schwer prüfen, ob der Autor abgeschrieben hat. Wir haben gar nicht alle Quellen zur Verfügung.

Was ist in Zukunft bei hausarbeiten.de geplant?

Hammer: Geplant ist, dass wir international wachsen. Hausarbeiten.de ist eine starke Seite, die vor allem in Deutschland eine starke Popularität hat. Für die Internationalisierung konzentrieren wir uns aber auf grin.com. Wir arbeiten international daran, dass wir viele Arbeiten bekommen und viele Texte über möglichst viele Kanäle verbreiten können. Momentan verhandeln wir mit Google-E-Books. Seit zwei Monaten können unsere Kunden die Texte bereits über amazon.com in den USA kaufen. Zudem gibt es seit August Fachbücher zu kaufen, auch von anderen Verlagen. Das heißt, wenn ein Besucher eine passende Hausarbeit gefunden hat, werden gleich die passenden Bücher vorgeschlagen. Das erweitern wir wiederum durch E-Books von anderen Verlagen. Wir bauen ein Wissensshop oder Wissensarchiv, um einfach für jeden, der irgendwas sucht, alles bieten zu können.

 

Patrick Hammer ist Gründer und Geschäftsführer von Grin. Er ist 35 Jahre alt und hat an der LMU München Kommunikationswissenschaft, Amerikanistik und Markt- und Werbepsychologie studiert. Der Grin-Verlag hat sich seit der Gründung im Jahr 1998 auf die Veröffentlichung akademischer Texte spezialisiert. Zu den Verlagsseiten gehört hausarbeiten.de. Grin hat aktuell 114.000 E-Books und 53.000 Bücher im Verlagsprogramm. Mittlerweile arbeiten 35 Leute für das Unternehmen, 15 bis 16 davon sind Festangestellte, meistens in der Technik, um das selbst programmierte System zu ergänzen. Dazu kommen noch viele Studenten, die 400-Euro-Jobs haben und vor allem in der Redaktion tätig sind.

ham/reu/news.de

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