Von Axel Schock - Uhr

«Sommer in Orange»: Nackt-Yoga und Blasmusik

Mit Wer früher stirbt, ist länger tot ist Marcus H. Rosenmüller 2006 ein Überraschungserfolg gelungen. Seither konnte er sich als Regisseur mit besonderem Faible für bayerische Stoffe in der deutschen Filmwelt etablieren. Jetzt kommt sein neuer Film Sommer in Orange ins Kino.

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Ängstlich beobachten die Dorffrauen, wie Siddharta (Georg Friedrich) sich heimlich Würstchen beim Metzger kauft. Bild: dapd

In Talbichl ist 1980 die Welt noch in Ordnung. Die Bewohner der kleinen Gemeinde wählen geschlossen CSU, erfreuen sich an Trachten und Blasmusik, und in der Schule wird vor dem Unterricht gemeinsam gebetet. In dieses bajuwarische Idyll lässt Marcus H. Rosenmüller in seinem neuen Film Sommer in Orange eine Gruppe Sannyasins hineinplatzen.

In Berlin-Kreuzberg waren die Anhänger des indischen Sektengurus Bhagwan Teil des alternativen Lebenskosmos und gewissermaßen Exoten unter Exoten. Dann aber erbt Siddharta (Georg Friedrich) einen Bauernhof im beschaulichen Talbichl und zieht mit seiner WG (unter anderen Oliver Korittke und Brigitte Hobmeier) in das Nest. Nicht allein, dass sie mit Nackt-Yoga im Garten und Urschreitherapie in der Scheune für Aufsehen im Dorf sorgen, die Kommune hat zunehmend Probleme, «Love and Peace» nicht nur zu predigen, sondern auch zu leben.

Grund ist der enge Bhagwan-Vertraute Prem Bramana (Thomas Loibl), der Amrita (Petra Schmidt-Schaller) den Kopf verdreht hat und sie zur Übersiedlung nach Oregon überreden möchte. Nun muss die Kommune sich nicht nur mit dem Misstrauen des Dorfes auseinandersetzen, sondern auch mit Missgunst und Eifersucht in den eigenen Reihen.

Das Leben und Treiben der Bhagwan-Anhänger vermag Marcus H. Rosenmüller (Wer früher stirbt, ist länger tot) zwar lediglich als Persiflage schildern, dennoch gelingt es ihm, ihnen mit großer Sympathie und Verständnis zu begegnen und sie nicht der Lächerlichkeit preiszugeben. Sein augenzwinkernd-ironischer Blick und satirisch-zugespitzter Humor treffen in diesem Kampf der Kulturen gleichermaßen beide Seiten: die bodenständig-bayerische Wurstesser-Fraktion wie die vegetarischen Sinnsucher.

Integration mit Wurstsemmel und Dirndl

Dass Rosenmüllers fantasievolle Inszenierung so unbeschwert und locker daherkommen kann, ohne in seichte Gewässer abzusinken, ist auch einem dramaturgischen Kniff zu verdanken. Erzählt werden die Ereignisse aus der Perspektive von Amritas zwölfjähriger Tochter Lili (Amber Bongard), die sich zwischen beiden Welten hin und hergerissen fühlt: hier Wurstsemmel, Schulgebet und Schützenverein, dort Sojasprossen, Mantras und frei gelebte Sexualität. Bigotterie und Engstirnigkeit erlebt Lili jedoch in beiden Lagern.

Um endlich nicht mehr die verlachte Außenseiterin zu sein, schlüpft sie heimlich sogar ins Dirndl. Das ist mal berührend, mal ungemein komisch, vor allem stets einfühlsam und lebensecht geschildert und nicht einmal ausgedacht. Drehbuchautorin Ursula Gruber verbrachte ihre Kindheit, zusammen mit ihrem Bruder Georg Gruber, dem Produzenten des Films, selbst in einer Sannyasin-Kommune südlich von München. «Das Haus war ein Matratzenlager. Bio-dynamische Massagen, Encounter-Gruppen und Tarot-Theater waren Alltag für uns», erinnert sie sich. «Ich wünschte mir nichts sehnlicher als Freunde im Dorf, eine normale Familie und nicht so viele Freaks um mich herum.»

Die Sehnsucht nach Heimat und Zuhause verleiht dieser Komödie bei allem klamaukhaften und bunt-turbulenten Szenen denn auch einen ernsten, nachdenklichen Unterton.

Titel: Sommer in Orange

Regie: Marcus H. Rosenmüller

Darsteller: Amber Bongard, Béla Baumann, Petra Schmidt-Schaller, Georg Friedrich, Oliver Korittke, Brigitte Hobmeier, Gundi Ellert, Wiebke Puls und andere

Filmlänge: 110 Minuten

FSK: ab 12 Jahren

Verleih: 20th Century Fox

Kinostart: 18. August 2011

car/news.de/dapd

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