Ukraine-Gipfel in Berlin: Friedensverhandlungen im Kanzleramt gehen weiter - und Putin lauscht mit

Wenige Wochen, bevor sich der Ausbruch des Ukraine-Krieges zum vierten Mal jährt, führen der ukrainische Präsident Selenskyj und US-Gesandte in Berlin weitere Gespräche zu einem Friedensplan. Alle Hintergründe und Updates hier.

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Bei den Gesprächen zum Ukraine-Krieg, für die Wolodymyr Selenskyj nach Berlin gereist ist, dürfte Bundeskanzler Friedrich Merz am 15. Dezember eine maßgebliche Rolle einnehmen. (Foto) Suche
Bei den Gesprächen zum Ukraine-Krieg, für die Wolodymyr Selenskyj nach Berlin gereist ist, dürfte Bundeskanzler Friedrich Merz am 15. Dezember eine maßgebliche Rolle einnehmen. Bild: picture alliance/dpa/Bundesregierung | Guido Bergmann

Wird Berlin zum Schauplatz historischer Gespräche den Ukraine-Krieg betreffend? Im Bundeskanzleramt könnten dieser Tage entscheidende Weichen für die Zukunft des kriegsgebeutelten Landes gestellt werden. Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Berater haben bereits am 14. Dezember 2025 Gespräche mit der US-Delegation, darunter der Sondergesandte Steve Witkoff und Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, aufgenommen. Am 15. Dezember gehen die Gespräche in eine weitere Phase - alle Updates und Hintergründe zu den Verhandlungen finden Sie hier.

Ukraine-Gespräche aktuell in Berlin: Dazu verhandelt Selenskyj mit der US-Delegation

Im Zentrum der Verhandlungen steht ein Friedensplan, der ursprünglich von US-Präsident Donald Trump vorgelegt wurde. Der ukrainischen Seite zufolge handelt es sich um einen 20-Punkte-Plan, an dessen Ende ein Waffenstillstand stehen soll. Der ursprüngliche Entwurf war als Wunschliste Moskaus heftig kritisiert worden. Bundeskanzler Friedrich Merz nahm am 14.12. laut dpa-Informationen aus Regierungskreisen nur bei einer kurzen Begrüßung teil. Am Folgetag dürfte ihm jedoch eine aktivere Rolle zufallen. Neben einem deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum ist ein Treffen der wichtigsten europäischen Unterstützer Kiews geplant.

Ukraine-Verhandlungen in Berlin: Alle Entwicklungen im News-Ticker

Alle Updates zu den Friedensverhandlungen in Berlin finden Sie hier im News-Überblick:

+++ Selenskyj von Steinmeier empfangen +++

Am Rande der Gespräche über eine Friedenslösung im Ukraine-Krieg hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Präsidenten des Landes, Wolodymyr Selenskyj, empfangen. Steinmeier begrüßte seinen Gast im Schloss Bellevue. Beide umarmten sich auf der Treppe bei Selenskyjs Ankunft. Der Besuch findet unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Polizei hatte den Amtssitz des Bundespräsidenten weiträumig abgesperrt. Auf dem Dach von Schloss Bellevue waren Scharfschützen postiert. Ein Hubschrauber kreiste in der Luft.

Der ukrainische Präsident will später auch mit Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und mit Bundeskanzler Friedrich Merz (beide CDU) Gespräche führen. Zusammen mit Merz will er zudem am 8. Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum teilnehmen. Am Abend soll es dann in Berlin ein europäisches Spitzentreffen geben, zu dem unter anderem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer erwartet werden.

Schon seit dem Wochenende wird in der Hauptstadt um ein Ende des bald vier Jahre dauernden Krieges diplomatisch gerungen. Die intensiven Gespräche zwischen der ukrainischen Delegation rund um Selenskyj und der vom Sondergesandten Steve Witkoff angeführte US-Delegation wurden auch fortgesetzt. Russland hatte die Ukraine im Februar 2022 völkerrechtswidrig überfallen.

+++ Kreml: Verzicht Kiews auf Nato Eckpfeiler bei Verhandlungen +++

Ein juristisch verbindlicher Verzicht der Ukraine auf den Beitritt zur Nato ist nach Angaben aus Moskau zentraler Punkt bei den Verhandlungen. "Natürlich ist die Frage einer der Eckpfeiler und sie unterliegt besonderer Erörterung vor dem Hintergrund der übrigen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut russischen Nachrichtenagenturen. Daneben hatte Russland bisher von der Ukraine für ein Kriegsende auch immer gefordert, Gebiete abzutreten. Auf die Frage, ob eine Friedenslösung bis Weihnachten gefunden werden könne, sagte Peskow nur, dass er keine konkreten Daten nennen wolle.

Einmal mehr lobte er US-Präsident Donald Trump für dessen Bemühungen um eine Beendigung des von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Kriegs in der Ukraine. Über die laufenden Beratungen der USA mit den Europäern und den Ukrainern in Berlin über die Regulierung des Konflikts sei Russland bisher nicht unterrichtet worden, sagte Peskow. "Erst danach, wenn sie ihre Arbeit abgeschlossen haben, erhalten wir von unseren amerikanischen Gesprächspartnern die Sichtweise, die heute erörtert wird."

Erneut bekräftigte Peskow, dass Moskau vor dem Einstellen der Kampfhandlungen auf Erfüllung seiner Forderungen beharre. Putin sei bereit für einen Frieden. "Er ist absolut nicht offen für irgendwelche Tricks, die darauf zielen, Zeit zu schinden und künstliche befristete Atempausen zu schaffen", sagte er. Moskau stellt die von Kiew geforderte Waffenruhe für Verhandlungen als Atempause für die ukrainische Armee dar, die damit wiederbewaffnet und neu aufgestellt werden könne.

+++ Selenskyj und Kushner im Kanzleramt eingetroffen +++

Das diplomatische Ringen um ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs geht in Berlin weiter. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Vertreter der US-Delegation trafen am Vormittag des 15. Dezember im Kanzleramt ein. Die US-Abordnung wird vom Sondergesandten Steve Witkoff angeführt, ihr gehört auch Jared Kushner an, der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump. Beide Seiten hatten bereits am Sonntag mehrere Stunden lang verhandelt. Witkoff äußerte sich im Anschluss positiv. Es seien "viele Fortschritte" erzielt worden, schrieb er auf der Plattform X. Der 20-Punkte-Friedensplan, Wirtschaftsthemen und andere Fragen seien intensiv erörtert worden. Über welche Vorschläge beide Seiten im Detail verhandelten, war öffentlich zunächst nicht bekannt. Russland nimmt nicht an den Gesprächen teil. Selenskyj wird heute zudem von Kanzler Friedrich Merz (CDU) empfangen, am Abend steht dann ein europäisches Spitzentreffen unter anderem mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer an.

+++ Wadephul: Es lohnt jede Anstrengung, den Krieg zu beenden +++

Außenminister Johann Wadephul hat die Bedeutung der Gespräche über einen möglichen Friedensschluss in der Ukraine betont und zugleich auf bestehende Ungewissheiten hingewiesen. "So ernsthaft wie jetzt waren die Verhandlungen noch nie. Sie werden sehr intensiv geführt", sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. "Es ist substanziell, aber ob es erfolgreich sein wird, das werden wir erst am Ende der Woche wissen. Es lohnt aber natürlich jede Anstrengung in dieser historischen Situation, dieses schreckliche Sterben endlich zu beenden und diesen Krieg zu einem Ende zu bringen."

In Berlin laufen derzeit Verhandlungen unter Einbeziehung von US-Unterhändlern und der Ukraine mit Präsident Wolodymyr Selenskyj. "Was wir bis heute nicht wissen: ob es wirklich einen ernsthaften Willen von Wladimir Putin gibt, diesen Krieg zu beenden", sagte Wadephul mit Blick auf den Kremlchef. "Er hat ja noch nicht mal einen Waffenstillstand jetzt eingeräumt und eingehalten." Selenskyj wollte bei den Gesprächen vor allem seine jüngsten Vorschläge zum Friedensplan von US-Präsident Donald Trump erörtern. Kiew zufolge geht es um einen 20-Punkte-Plan, an dessen Ende ein Waffenstillstand stehen soll. Der ukrainische Präsident, seine Berater und US-Vertreter hatten am Sonntag mit Gesprächen in Berlin begonnen. Die US-Delegation wird vom Sondergesandten Steve Witkoff und Trump-Schwiegersohn Jared Kushner angeführt.

"Es geht nicht darum, nur allein diesen Krieg zu beenden, das ist natürlich richtig und notwendig und sinnvoll, sondern auch eine Lösung herbeizuführen, die tragfähig ist für die Zukunft", sagte Wadephul dem Sender. "Wir müssen verhindern, dass das ein Ergebnis ist, das in der Ukraine als Schmach, als Demütigung empfunden wird, sonst wäre das nicht tragbar." Außerdem müsse verhindert werden, dass Putin ermutigt werde, erneut anzugreifen. "Und das ist ambitioniert, und das ist herausfordernd, das ist nicht ganz einfach."

+++ 3.600 Polizisten bei Selenskyj-Besuch - "Gefährdungsstufe 0" +++

Mit 3.600 Polizisten aus ganz Deutschland werden in Berlin der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und die Beratungen über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs geschützt. Polizisten aus fast allen Bundesländern sowie von der Bundespolizei würden Berlin unterstützen, sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses.

Sie sprach am Morgen von einer "Gefährdungsstufe 0" - also noch über der Sicherheitsstufe 1 für sehr hochrangige Staatsgäste. Die Bundesregierung habe erst am Freitagabend mitgeteilt, dass Selenskyj einen Tag früher bereits am Sonntag ankomme. Das habe tatsächlich zu organisatorischen Schwierigkeiten geführt, sagte Slowik Meisel. Wegen der kurzfristigen Änderung bei dem Besuch seien auch Polizisten aus der eigentlich sicheren Freizeit in den Dienst in ihre Einsatzhundertschaften gerufen worden. Neben Selenskyj müssten 13 weitere Delegationen begleitet werden.

Zu den Sicherheitsvorkehrungen gehörten zahlreiche gesperrte Straßen und Bereiche im Regierungsviertel und rund um Hotels, Scharfschützen von Spezialeinheiten der Polizei auf Dächern, Sprengstoffsuchhunde auf den Straßen und Polizeiboote auf der Spree. Polizeisprecher Florian Nath kündigte "kurzfristige Streckensperrungen" auf Straßen an und bat um Verständnis für umfangreiche Verkehrsbehinderungen. Auch Fußgänger am Reichstag und am Brandenburger Tor waren betroffen und kamen zum Teil nicht durch, weil die Polizei alles abgesperrt hatte.

Schon am Sonntag, dem dritten Advent, waren laut Slowik Meisel 1.574 Polizisten wegen des Besuchs der internationalen Politiker im Einsatz. Zusätzlich habe die Polizei dann auf den Terroranschlag auf Juden in Australien reagiert und den Schutz der jüdischen Chanukka-Feier am Abend am Brandenburger Tor nochmal deutlich erhöht. Zu den Teilnehmern gehörte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Diese Punkte im Friedensplan sind für die Ukraine indiskutabel

Bei den Verhandlungen zeigt sich die Ukraine zu zahlreichen Zugeständnissen bereit – doch einen Punkt lehnt Präsident Selenskyj kategorisch ab. Der US-Plan sieht vor, dass sich die ukrainischen Truppen aus dem noch kontrollierten Teil der Region Donezk zurückziehen sollen. Dieses Gebiet würde dann entmilitarisiert und international als russisch anerkannt. Die US-Seite schlug als Kompromiss vor, die etwa 5.600 Quadratkilometer große Zone nicht russischen Truppen zu überlassen, sondern als demilitarisierte Wirtschaftszone zu erhalten. "Ich halte das nicht für gerecht", reagierte Selenskyj laut "Bild". "Denn diese Wirtschaftszone – wer würde sie regieren?" Der ukrainische Präsident befürchtet, dass Russland geräumte Gebiete sofort militärisch besetzen würde. Sein Gegenvorschlag: Beide Seiten sollten sich symmetrisch um fünf bis zehn Kilometer zurückziehen. "Das werden wir nicht akzeptieren", erklärte ein hochrangiger ukrainischer Vertreter zu einem einseitigen Abzug.

Wolodymyr Selenskyj beharrt auf Sicherheitsgarantien

Die Frage der Sicherheitsgarantien gilt aus europäischer Sicht als kniffligster Verhandlungspunkt. In Brüssel geht man davon aus, dass die Ukraine zu schmerzhaften Gebietskompromissen bereit wäre – allerdings nur, wenn im Gegenzug rechtlich verbindliche Zusagen für umfassende militärische Unterstützung kommen. Für die Ukraine müssen solche Garantien stark genug sein, um Russland zuverlässig von einem erneuten Angriff abzuschrecken. Kiew erwartet dabei mehr als nur Geld und Waffenlieferungen. Die Zusagen sollten zumindest eine abschreckende Truppenpräsenz beinhalten.

Berlin strebt eine rechtlich verbindliche Abmachung an, hinter der sowohl die europäischen Nato-Partner als auch die USA stehen. Für Europäer und Amerikaner stellt sich dabei die heikle Frage, wie weit sie gehen wollen – und ob sie im Ernstfall bereit wären, der Ukraine mit eigenen Streitkräften beizustehen.

Wladimir Putin lauscht bei Ukraine-Gesprächen in Berlin mit - geheimer Kanal aufgeflogen

US-Vertreter - arunter Jared Kushner (hintere Reihe, M) und der Sondergesandte Steve Witkoff (hintere Reihe, 2.v.r.) - wollen in Berlin mit Ukrainern und Europäern über einen möglichen Waffenstillstand beraten. (Foto) Suche
US-Vertreter - arunter Jared Kushner (hintere Reihe, M) und der Sondergesandte Steve Witkoff (hintere Reihe, 2.v.r.) - wollen in Berlin mit Ukrainern und Europäern über einen möglichen Waffenstillstand beraten. Bild: picture alliance/dpa/Bundesregierung | Guido Bergmann

Obwohl Russland nicht direkt am Verhandlungstisch sitzt, ist der Kreml dem Vernehmen nach über alle relevanten Entwicklungen in Echtzeit informiert. Laut "Bild" werden Vorschläge der Ukrainer, Bitten der Amerikaner und Anmerkungen der Europäer über einen geheimen Kommunikationskanal nach Moskau übermittelt. Die US-Unterhändler Witkoff und Kushner fungieren dabei als Verbindungsglied. Sie hatten bereits den 28-Punkte-Plan mit Moskau ausgehandelt. "Die Amerikaner kennen nicht nur unsere Position, sondern verstehen sie auch", erklärte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow nach Gesprächen mit Witkoff. Während Witkoff den direkten Draht zu Uschakow hält, gilt Kushner als Donald Trumps Mann für die wirtschaftlichen Aspekte eines möglichen Friedensdeals. Dazu zählen die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone, Geschäfte mit Rohstoffen sowie Wiederaufbauprogramme für die zerstörte Ostukraine. Die russische Botschaft in Berlin ist nach Einschätzung von Experten nicht direkt eingebunden.

Ukraine-Krieg aktuell: Militärische Lage an der Front spitzt sich zu nach Fall von Pokrowsk

Am Abend werden neben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premier Keir Starmer rund ein Dutzend europäische Staats- und Regierungschefs in Berlin erwartet. Das Treffen unterstreicht Deutschlands zunehmend führende Rolle bei der Unterstützung der Ukraine. Die EU plant, eingefrorene russische Vermögenswerte für Darlehen an Kiew zu nutzen. Rund 185 Milliarden Euro der russischen Zentralbank werden beim belgischen Finanzinstitut Euroclear verwaltet. Moskau soll das Geld nur bei Wiedergutmachung für Kriegsschäden zurückerhalten.

Unterdessen verschlechtert sich die militärische Lage für die Ukraine an fast allen Frontabschnitten. Die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk ist gefallen, in Kostjantyniwka wird bereits gekämpft. Auch im Gebiet Saporischschja wankt die Verteidigung. Der Mangel an Soldaten macht sich überall bemerkbar – die jüngste Anordnung, Statistiken zu Fahnenflucht geheim zu halten, dürfte daran wenig ändern.

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/news.de/dpa/stg

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