
- Wladimir Putin: Habe sich herausgestellt, dass Kartoffeln fehlen
- Grundnahrungsmittel in Russland werden knapp
- Wirtschaftsminister warnt vor Rezession, während der Kreml-Chef die Rüstungsindustrie befeuert
- Zahlen beweisen: Autobau, Landwirtschaft und Co. stehen vor dem Abgrund
Russlands Wirtschaft vor dem Kollaps? Während Wladmir Putin die Rüstungsindustrie weiter befeuert, werden immer mehr Warnungen laut. Die bittere Realität: Selbst Grundnahrungsmittel sind in Russland nicht mehr bezahlbar. Die Lage spitzt sich zunehmend zu. Die Hintergründe.
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Wladimir Putin: Er hat ein Kartoffel-Problem
In Russland, dem Land mit der weltweit größten potenziellen Anbaufläche für Landwirtschaft, herrscht ausgerechnet bei Grundnahrungsmitteln akuter Mangel. Das berichten übereinstimmend mehrere Medien. "Es hat sich herausgestellt, dass uns Kartoffeln fehlen", klagte Präsident Wladimir Putin kürzlich über die paradoxe Situation. Auch bei Zwiebeln, Zuckerrüben und verschiedenen Gemüsesorten räumte er Engpässe ein.
Die Preise sprechen eine deutliche Sprache: Kartoffeln haben sich innerhalb eines Jahres fast verdreifacht, Zwiebeln kosten doppelt so viel. Kohl ist um über 50 Prozent teurer geworden. Bei einem Durchschnittseinkommen von knapp 1.000 Euro vor Steuern und Renten von etwa 200 Euro schlagen diese Preissteigerungen hart zu. Die explodierenden Lebensmittelpreise treiben die Inflation, die laut Wirtschaftsministerium bei 9,6 Prozent liegt.
Wirtschaftliche Schieflage in Russland trotz hoher Zinsen wächst weiter
Die russische Zentralbank versucht verzweifelt, die galoppierende Inflation mit einem Leitzins von 20 Prozent zu bändigen. Die Logik dahinter: Teure Kredite sollen die Geldmenge verknappen und damit die Nachfrage drosseln. Doch das Rezept zeigt gefährliche Nebenwirkungen.
Wirtschaftsminister warnt Wladimir Putin: Bevorstehende Rezession
Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow schlug auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg ungewöhnlich deutliche Töne an: "Den Zahlen nach haben wir eine Abkühlung, den aktuellen Empfindungen der Unternehmer nach sind wir schon an der Grenze zum Übergang in eine Rezession." Das hohe Zinsniveau demotiviere Unternehmen zu investieren, warnte er. Für das dritte und vierte Quartal prognostizierte der Minister Investitionen unter Vorjahresniveau – ein alarmierendes Signal für die russische Wirtschaft.
Aufgebrauchte Ressourcen und düstere Prognosen in Russland
Zentralbankchefin Elvira Nabiullina verteidigte zwar ihre Geldpolitik, zeichnete aber ein düsteres Bild der wirtschaftlichen Realität. Die russische Wirtschaft sei zwei Jahre lang trotz Sanktionen durch Programme zur Importverdrängung gewachsen – finanziert durch Gelder aus dem Wohlstandsfonds und bestehende Kapitalreserven des Bankensystems.
"Wir müssen verstehen, dass viele dieser Ressourcen tatsächlich aufgebraucht sind, und wir müssen über ein neues Wachstumsmodell nachdenken", warnte Nabiullina. Diese ungewöhnlich offene Einschätzung der obersten Währungshüterin offenbart das Dilemma: Die bisherigen Puffer, die Russlands Wirtschaft nach dem Angriff auf die Ukraine stabilisierten, sind erschöpft. Ein tragfähiges Konzept für die Zukunft fehlt bislang.
Putins Rüstungsindustrie boomt, Zivilwirtschaft kollabiert
Während die Rüstungsindustrie floriert, brechen zivile Wirtschaftszweige reihenweise ein. Sergej Tschemesow, Putins Vertrauter und Chef der Rüstungsindustrie, prahltemit einer Steigerung bei Munition und Waffen um das "Zigfache gegenüber 2021". Doch dieser Boom geht auf Kosten anderer Sektoren.
Der Autobau stockt seit dem Rückzug westlicher Hersteller. Lada-Produzent Avtovaz kann die Lücke nicht füllen – in den Lagern stapeln sich unverkaufte Fahrzeuge. Die Neuwagenkäufe brachen in den ersten fünf Monaten um 26 Prozent ein. Noch dramatischer trifft es den Landmaschinenbauer Rostselmasch: Über 15.000 Mitarbeiter mussten in Zwangsurlaub, 2.000 wurden entlassen. Der Absatz von Mähdreschern sank um bis zu 20 Prozent, 40 Prozent der Jahresproduktion verstauben im Lager.
Russische Landwirtschaft in der Abwärtsspirale
Die Landwirtschaftskrise verschärft sich trotz Russlands riesiger Anbauflächen. Nach einer Rekordernte von 157 Millionen Tonnen Getreide im Jahr 2022 sanken die Erträge in den Folgejahren kontinuierlich. Vizepremier Dmitri Patruschew warnte, dass sich die Entwicklung entgegen Putins ehrgeizigen Zielen bewege – der Kreml hatte bis 2030 eine Steigerung auf 170 Millionen Tonnen angeordnet.
Den Bauern fehlt schlicht das Geld für Investitionen. Hohe Kreditzinsen und steigende Produktionskosten würgen den Sektor ab. Als skurrile Randnotiz empfahl Weißrusslands Machthaber Alexander Lukaschenko seinen Bürgern, Kartoffeln nur noch ein- bis zweimal wöchentlich zu essen – sonst würden sie zu dick. Ein Ratschlag, der angesichts der Versorgungslage in Russland fast zynisch wirkt.
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