
- Kuriose neue Betrugsmasche kursiert aktuell auf TikTok
- In den Videos weinen alte Leute und Kinder und bitten um Hilfe
- Das Mitleid der Zuschauer soll sie zum Kauf von Produkten anregen
Altersarmut ist ein wichtiges Thema – doch hin und wieder wird es offenbar auch von Betrügern ausgenutzt, wie eine aktuelle Betrugsmasche nun zeigt. So kursieren derzeit Videos auf der Social-Media-Plattform TikTok, die alte Menschen zeigen, die in harter Handarbeit Waren herstellen, die sie vergeblich zu verkaufen versuchen. Die Szenen, in denen die Senioren auch mal weinen oder verzweifelt über einem Tisch sitzen, sollen Mitleid erregen – denn dieses versuchen die Betrüger hinter den Videos auszunutzen.
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So funktioniert die ekelhafte Masche mit dem Mitleid
Die Plattform TikTok erreicht mit ihren etwa 1,59 Milliarden Nutzern rund um die Welt viele Menschen. Das wissen natürlich auch alle, die das schnelle Geld machen wollen – und allzu oft ist ihnen jedes Mittel recht, um an besagtes Geld zu gelangen. In einer brandaktuellen Masche machen sich Betrüger nun eine grundlegend menschliche Eigenschaft zunutze: Mitleid. In ihren TikTok-Videos heulen Menschen, vor allem Rentner und Kinder, was das Zeug hält, um vermeintlich selbstgemachte Waren zu verkaufen – angeblich, da ihnen das Geld fehle, um über die Runden zu kommen. Die Kommentare unter den Videos zeigen, wie viele Nutzer auf die Masche reinfallen. Dort ist zu lesen, dass man mit den Erstellern mitfühle, dass man sie natürlich mit einem Kauf unterstützen werde. Vielfach werden die Videos geteilt – so verbreiten sich die betrügerischen Werbungen.
Max Koterba, vom MDR-Tiktok-Format "Eine Minute Geld", erklärt sich das so: "In der Vergangenheit war es gerade auf TikTok möglich, für kleine Unternehmen oder Einzelpersonen große Reichweiten zu erreichen", so der TikTok-Kenner. Deshalb würde es erstmal auch nicht unwahrscheinlich klingen, dass jemand in einem TikTok-Video dazu aufrufe, beispielsweise seine Oma zu unterstützen. "Dazu kommen dann noch die traurige Story und die zeitgeistigen Designs." Doch von Authentizität sind die Geschichten, die in den Videos erzählt werden, sehr weit entfernt. Der Clou: Es ist alles von vorne bis hinten komplett erlogen – selbst die Personen im Video gibt es so nicht.
Teenagerin weint wegen Omas Online-Shop – Alles fake?
Das Nachrichtenportal "Watson"berichtete in einem Artikel ebenfalls über derartige Betrugsfälle. Dort wird auch ein konkretes Beispiel erläutert: Ein Mädchen weint, angeblich, da seine Oma ihre selbstgemachten Sachen nicht mehr verkauft bekommt. Dabei habe die Oma jedoch all ihr Erspartes für das Material ausgegeben. Seien es Stofftiere, Handschuhe oder andere Produkte: Die Geschichten sind völlig erlogen. Bei den Videos handelt es sich um - teils sehr willkürlich - zusammengeschnittene und völlig verschiedene Aufnahmen, zu denen sich die Betrüger einfach eine Geschichte ausgedacht haben, um ihre Produkte besser zu verkaufen. Das erklärt auch der Rechtsanwalt und TikTok-Influencer Tim Hendrik Walter, besser bekannt als Herr Anwalt in einem Video:
Offenbar wurden die Szenen teils auch sehr lieblos und ohne Auge fürs Detail zusammengeschnitten – denn häufig gleichen sich die Personen in dem Video überhaupt nicht, manchmal sind es auch KI-generierte Bilder und Videos. Aber nicht nur die Stories und Videos sind billige Massenproduktionen, sondern auch die Produkte, die die Betrüger so verkaufen wollen. Es handelt sich dabei um klassische "Dropshipper": Unternehmen, die Bestellungen von Kunden entgegennehmen und sie dann an Lieferanten zur Erfüllung weiterleiten. Aufgabe der Dropshipper ist es lediglich, die Produkte zu vermarkten und zu verkaufen. Mit den Produkten selbst oder ihrer Herstellung haben sie jedoch wenig am Hut.@herranwalt Neuer Betrug. So sollt ihr reingelegt werden durch den HandmadeScam #1minutejura #nachrichten #lernenmittiktok ♬ Originalton - Herr Anwalt
Wie kann man die Masche erkennen?
Egal ob auf TikTok oder anderen Plattformen – Betrugsmaschen erleben gerade einen echten Boom, besonders dank der Unterstützung durch KI. Im Fall vom weinenden Mädchen in Herr Anwalts Video ist der Betrug laut "Watson" allerdings recht leicht zu erkennen: Machen Sie einen Screenshot von dem weinenden Mädchen zu Beginn des Videos und laden Sie es in die umgekehrte Bildersuche bei Google. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit tauchen dort gleich mehrere Videos auf, in denen das Mädchen wegen des scheiternden Online-Shops eines Familienmitglieds weinen muss.
Verbraucherzentrale: Liegt ein Betrug vor, kann eine Rückerstattung erfolgen
Der MDR hat bei der Verbraucherzentrale Thüringen nachgehakt: Liegt hier tatsächlich Betrug vor? Oder ist die Masche einfach nur geschmacklos, aber nicht strafbar? Denn viele der Händler versenden letztlich tatsächlich die Ware – auch wenn es einige Zeit dauern kann. Aber: "Entscheidend ist nicht, ob überhaupt etwas geliefert wurde, sondern ob der Käufer durch eine Täuschung zu einer Zahlung verleitet wurde", so Ralf Reichertz von der Verbraucherzentrale Thüringen. "Wird beispielsweise behauptet, die Ware sei handgemacht und stamme aus einer familiären Notsituation, obwohl sie tatsächlich industriell gefertigt und die Geschichte frei erfunden ist, liegt eine Täuschung über wesentliche Umstände vor." Steht der tatsächliche Wert der Massenware dann auch noch in keinem Verhältnis zum Kaufpreis, könnte das den Tatbestand des Betrugs gemäßParagraph 263 StGB erfüllen.
Betroffene könnten so einen Anspruch auf Nachbesserung – falls überhaupt möglich – oder den sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag und damit einer Rückzahlung geltend machen. In der Regel besteht bei Online-Käufen meist auch ein Widerrufsrecht von 14 Tagen.
Wie Sie sich richtig vor allerhand Betrugsmaschen schützen können, erklären wir in unserem Artikel "So schützen Sie sich vor Betrügern im Netz".
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