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Ukraine-Krieg im News-Ticker am 09.10.2022: Putin gibt Ukraine Schuld an "Terrorakt" auf Krim-Brücke

Die Explosion auf der Krim-Brücke bedeutet die nächste Eskalation im russisch-ukrainischen Krieg. Der Kreml hat keine Antwort parat, Kiew hingegen bietet spöttisch gleich mehrere an. Die aktuellen News zum Ukraine-Krieg lesen Sie hier.

Ein russisches Ermittlungskomitee an einem beschädigten Teil der Krim-Brücke, die das russische Festland und die Halbinsel Krim verbindet. (Foto) Suche
Ein russisches Ermittlungskomitee an einem beschädigten Teil der Krim-Brücke, die das russische Festland und die Halbinsel Krim verbindet. Bild: picture alliance/dpa/Russian Investigative Committee/AP | Uncredited

Eine schwere Explosion auf der für Russland wichtigen Krim-Brücke hat international Befürchtungen vor einer weiteren Eskalation des Konflikts geweckt. Doch Moskau blieb - zumindest am Samstag - eine schnelle und klare Antwort schuldig. Die ukrainische Führung ihrerseits übt sich in Schadenfreude, ohne offiziell die Verantwortung für den mutmaßlichen Anschlag zu übernehmen. Am Abend wurde der Verkehr über die Brücke im begrenzten Umfang wieder aufgenommen.

Ukraine-Krieg im News-Ticker - Alle aktuellen Geschehnisse am 09.10.2022 im Überblick

+++ Putin gibt Ukraine Schuld an "Terrorakt" auf Krim-Brücke +++

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den ukrainischen Geheimdienst SBU für die schwere Explosion auf der Krim-Brücke verantwortlich gemacht. "Es gibt keine Zweifel. Das ist ein Terrorakt, der auf die Zerstörung kritischer ziviler Infrastruktur der Russischen Föderation ausgerichtet war", sagte Putin am Sonntagabend.

+++ Russland: Zugverkehr auf Krim-Brücke wieder nach Plan +++

Nach der schweren Explosion auf der Brücke zwischen Russland und der von ihm annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim läuft der Zugverkehr nach russischen Angaben wieder nach Plan. Die Güter- und Fernverkehrszüge rollten am Sonntag im normalen Betrieb, teilte das Verkehrsministerium in Moskau mit. Am Abend solle auch der Regionalverkehr wieder beginnen, hieß es. Das Ministerium veröffentlichte auch ein Foto der verbrannten Güterzug-Waggons, die am Samstag in Flammen aufgegangen waren. Die Aufräumarbeiten dauerten demnach an. Im Autoverkehr hingegen kam es zu stundenlangen Wartezeiten an der Brücke, wie Medien berichteten.

Auf russischer Seite und auf der Seite des Krim-Küstenorts Kertsch bildeten sich lange Autoschlangen, weil die Behörden alle Fahrzeuge streng kontrollierten und laut Augenzeugen nur etappenweise passieren ließen. Einige Fahrer schrieben in sozialen Netzwerken, sie hätten sechs bis zwölf Stunden gebraucht, um über die 19 Kilometer lange Brücke zu kommen. Probleme und Wartezeiten gab es russischen Staatsmedien zufolge auch bei dem eigens eingerichteten Fährverkehr.

+++ London: Kapazität der Straßenbrücke zur Krim deutlich verringert +++

Die Explosion auf der Brücke zwischen Russland und der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim dürfte nach Ansicht britischer Experten die Kapazität der Straßenverbindung erheblich verringert haben. Zwei der vier Fahrspuren seien auf einer Länge von 250 Metern eingestürzt. Die anderen beiden Spuren würden aber wahrscheinlich wieder genutzt, hieß es in dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg des britischen Verteidigungsministeriums am Sonntag.

Wie schwer die daneben verlaufende Schienenverbindung beschädigt ist, sei unklar, "aber jegliche schwerere Störung ihrer Kapazität wird höchstwahrscheinlich einen erheblichen Einfluss auf die bereits angespannten Fähigkeiten Russlands haben, seine Kräfte in der Südukraine zu versorgen", so die Mitteilung.

Kreml-Chef Wladimir Putin dürfte der Vorfall nach Ansicht der britischen Experten persönlich getroffen haben. "Es kam Stunden nach seinem 70. Geburtstag, er hatte die Brücke persönlich gesponsert und eröffnet und der beauftragte Bauunternehmer war sein Kindheitsfreund Arkady Rotenberg", hieß es in der Mitteilung weiter.

+++ Raketenangriff auf Saporischschja: Selenskyj spricht von zwölf Toten +++

Russlands Armee hat nach ukrainischen Angaben mit mehreren Raketen in der südukrainischen Stadt Saporischschja Wohnhäuser bombardiert und zahlreiche Zivilisten getötet. Es gebe 12 Tote und 49 Verletzte, darunter sechs Kinder, die im Krankenhaus behandelt werden müssten, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag in Kiew mit. Er veröffentlichte dazu in seinem Kanal im Nachrichtendienst Telegram Bilder schwer zerstörter Hochhäuser. Er sprach vom "absoluten Bösen"; die "Terroristen" würden vom Befehlsgeber bis zum Täter zur Verantwortung gezogen.

Die Stadt Saporischschja wird anders als große Teile des gleichnamigen Gebiets nicht von russischen Truppen kontrolliert. Sie war bereits mehrfach Ziel von Angriffen. Nach ukrainischen Militärangaben sollen die russischen Truppen mindestens zwölf Raketen auf die Wohngebäude abgefeuert haben. Eine Bestätigung von russischer Seite gab es dafür zunächst nicht. Die ukrainischen Behörden hatten in der Nacht erst eine höhere Todeszahl genannt, sich später aber korrigiert.

Russland versucht nach der international als Völkerrechtsbruch kritisierten Annexion von vier ukrainischen Gebieten, zu denen auch die Region Saporischschja gehört, dort weiter vorzudringen. Die Ukraine hatte zuletzt bei ihrer Verteidigungsoffensive Dutzende Ortschaften befreit und die russischen Besatzer zurückgedrängt.

Auf diesem vom ukrainischen Katastrophenschutz zur Verfügung gestellten Foto arbeiten Rettungskräfte an einem durch Beschuss beschädigten Gebäude. (Foto) Suche
Auf diesem vom ukrainischen Katastrophenschutz zur Verfügung gestellten Foto arbeiten Rettungskräfte an einem durch Beschuss beschädigten Gebäude. Bild: picture alliance/dpa/Ukrainian Emergency Service/AP | Uncredited

+++ Selenskyj lässt ukrainische Beteiligung an Explosion offen +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ließ eine Beteiligung seines Landes an der Explosion auf der Krim-Brücke offen. In der Ukraine sei es großteils sonnig und warm gewesen, "«auf der Krim leider bewölkt, obwohl auch dort warm", sagte er in seiner täglichen Videoansprache in Anspielung auf die morgendliche Detonation an der Brücke. Näher ging er auf den Vorfall nicht ein. Anschließend forderte er die Russen einmal mehr zur Aufgabe und Flucht auf. Das sei ihre beste Option, um am Leben zu bleiben. Es werde eine Zukunft ohne Besatzer geben in der Ukraine. "Auf unserem ganzen Territorium, insbesondere auf der Krim", sagte er.

Die für Russland strategisch und symbolisch wichtige Krim-Brücke war am frühen Samstagmorgen von einer schweren Explosion erschüttert worden. Videos zeigen große Zerstörungen. Die genauen Hintergründe sind noch unklar. Russischen Angaben zufolge ist ein Lastwagen explodiert. Dadurch sollen nach Darstellung russischer Ermittler weiter entfernt gleich sieben Kesselwagen mit Diesel in Brand geraten sein. Außerdem stürzten Teile der Brückenautobahn ins Meer. Mindestens drei Menschen sollen dabei getötet worden sein.

+++ "Happy Birthday, Mr. President": Putin von Ukraine verspottet +++

Vor Selenskyj hatten bereits mehrere hochrangige Politiker aus der Umgebung des ukrainischen Präsidenten die Spekulationen um eine Tatbeteiligung Kiews angeheizt. Der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrats, Olexij Danilow, veröffentlichte am Samstag auf Facebook Aufnahmen von dem teils zerstörten Bauwerk, das Russland und die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet. Daneben stellte er ein Video, das die Hollywood-Legende Marilyn Monroe (1926 - 1962) zeigt, wie sie im Jahr 1962 für den damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy das Geburtstagsständchen "Happy Birthday, Mr. President" singt. Der russische Präsident Wladimir Putin feierte am Freitag seinen 70. Geburtstag.

Der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, wiederum twitterte zunächst: "Alles Illegale muss zerstört werden, alles Gestohlene muss an die Ukraine zurück." Ein paar Stunden später ruderte er mit kryptischen Äußerungen zurück. Er stellte den Anschlag als Konkurrenzkampf zwischen russischer Armee und Geheimdienst FSB dar. Der FSB versuche die Armeespitze auszuwechseln und sei nun plötzlich selbst angeschlagen, weil er den Angriff auf die Brücke verschlafen habe. "Ist es nicht offensichtlich, wer die Explosion verursacht hat?", übte er sich in Verschwörungstheorien.

+++ Putin befiehlt Geheimdienst verstärkte Kontrolle über Krim-Brücke +++

Dabei war offiziell der FSB gar nicht zuständig. Die Aufgabe teilten sich bisher Verteidigungsministerium, Nationalgarde und Verkehrsministerium. Putin wies den Geheimdienst erst nach der Explosion per Dekret an, die Kontrolle über die beschädigte Krim-Brücke zu verschärfen. "Dem FSB werden die Vollmachten übertragen zur Organisation und Koordination von Schutzmaßnahmen für den Transportweg über die Meerenge von Kertsch, für die Strombrücke der Russischen Föderation auf die Halbinsel Krim und die Gaspipeline vom Gebiet Krasnodar zur Krim", heißt es in dem Dekret.

Es ist die erste Maßnahme, die der Kreml nach der mutmaßlich durch einen Anschlag herbeigeführten Explosion am Morgen ergriff. Öffentlich äußern wollte sich der russische Präsident jedoch nicht. Putin wird nach offiziellen Angaben auch in den nächsten Tagen nicht zu den Russen sprechen. Ein solcher Auftritt sei nicht geplant, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag. Politische Beobachter hatten eine Ansprache des Präsidenten angesichts der schweren Schäden an der Brücke für wahrscheinlich gehalten. Moskau hatte Kiew in der Vergangenheit mit schweren Konsequenzen bei einem versuchten Angriff auf das Objekt gedroht.

+++ Ernennung eines neuen Oberbefehlshabers und Evakuation +++

Die russischen Truppen in der Ukraine haben derweil nach zahlreichen Niederlagen bei ihrem Angriffskrieg nun einen neuen Kommandeur. Der 55 Jahre alte Armeegeneral Sergej Surowikin sei von Verteidigungsminister Sergej Schoigu eingesetzt worden, um die "militärische Spezialoperation" zu führen, teilte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow am Samstag in Moskau mit. Schoigu kommt damit nach Meinung von Kommentatoren seinen Kritikern entgegen, die angesichts von Niederlagen eine Neuaufstellung der Truppen in der Ukraine gefordert hatten.

Gleichzeitig bereiten die russischen Besatzer unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven in dem von Moskau annektierten südukrainischen Gebiet Cherson die Evakuierung von Zehntausenden Zivilisten vor. Unter anderem seien die russischen Regionen Krasnodar und Stawropol zur Aufnahme von Kindern und Erwachsenen bereit, schrieb der Besatzungschef von Cherson, Wladimir Saldo, am Samstag in seinem Telegram-Kanal.

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