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Preis-Horror an Tankstellen: Verarscht das Spritpreis-Kartell den Staat mit dem Ukraine-Krieg?

Zwar ist der Ölpreis fast wieder zurück auf dem Niveau vor Kriegsbeginn, doch die Spritpreise sind weiterhin in schwindelerregender Höhe. Auf Twitter werden mittlerweile erschreckende Theorien laut: Erpressen Mineralölkonzerne mit den hohen Spritpreisen den Staat?

Beim Tanken müssen Autofahrer:innen derzeit deutlich tiefer in die Tasche greifen. (Foto) Suche
Beim Tanken müssen Autofahrer:innen derzeit deutlich tiefer in die Tasche greifen. Bild: AdobeStock / Jürgen Fälchle

In den vergangenen Wochen sind die Spritpreise in Deutschland nahezu explodiert. Viele Verbraucher:innen wettern gegen die Politik und geben den hohen Steuern die Schuld an dem Preis-Schock. Doch schon ohne hohe Mathematikkenntnisse dürfte klar sein: Der Grund für die steigenden Preise an der Zapfsäule ist ein anderer.

Spritpreis-Explosion in Deutschland: Wer zockt die Verbraucher ab?

Normalerweise bewegen sich die Preise für Öl und Sprit nahezu im Gleichschritt, doch derzeit sind sie weitgehend entkoppelt. Am Dienstag sank der Preis für Öl der in Europa wichtigen Sorte Brent zwischenzeitlich unter 100 Dollar pro Fass (159 Liter) und näherte sich den Werten vor Kriegsbeginn. Am Dienstagnachmittag stieg er wieder leicht über 100 Dollar. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine war er bis Anfang vergangener Woche über 130 Dollar gestiegen. In der Spitze wurde kurzfristig sogar ein Wert von 139,13 Dollar erreicht. Seither ist der Preis allerdings wieder stark gesunken. An den Tankstellen merkt man davon bislang aber nichts. Im Gegenteil: Sowohl Superbenzin der Sorte E10 als auch Diesel sind in der Phase des Ölpreis-Rückgangs eher teurer als billiger geworden.

Nur ein kleiner Anstieg der Spritpreise ist auf die Mehrwertsteuer zurückzuführen. Jedoch erklärt er nur etwa 10 Cent der Erhöhung. Durch die eingeführte und erhöhte CO2-Steuer sind Benzin um etwa 8,4 und Diesel um 9,5 Cent je Liter teurer geworden. Die übrigen Steuern sind unabhängig von der Höhe des Preises und blieben unverändert. Auch die Tankstellen profitieren nicht vom Preisanstieg. Sie kassieren oft feste Margen pro verkauftem Liter.

Verdienen sich Mineralölkonzerne eine goldene Nase?

"Trotz aller kriegsbedingter Sondereffekte und Erklärungen für die hohen Spritpreise - irgendwo zwischen Ölförderung und Tankstelle bleibt das zusätzliche Autofahrergeld hängen", sagt Kraftstoffmarkt-Experte Jürgen Albrecht vom ADAC. "Die Mineralölkonzerne verdienen im Raffineriegeschäft derzeit richtig gutes Geld." Auch aus der Politik kommt Kritik an den Mineralölkonzernen." Hier sind Spekulationen am Benzinpreis erfolgt, die einen massiven Aufwuchs an den Zapfsäulen vergegenwärtigen", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rolf Mützenich. "Mein Eindruck ist, dass ein paar Ölmultis gerade den großen Reibach machen", schreibt der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) auf Twitter.

Höhere Nachfrage und Produktknappheit! Wirtschaftsverband nennt angebliche Gründe für hohe Spritpreise

Der Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x) äußerte sich ähnlich. "Die Raffinerien verdienen derzeit deutlich mehr Geld als vorher", sagte ein Sprecher gegenüber der "Tageszeitung". Am Dienstag verwies der Verband auf eine höhere Nachfrage bei gleichzeitig zurückgegangenem Angebot. Die höheren Preise für Kraftstoffe aus heimischen Raffinerien oder dem Ausland seien "ein Indikator für eine Produktknappheit, die in diesem Fall europa- und weltweit gilt". Auch der Geschäftsführer des Tankstellenverbands ZTG, Jürgen Ziegner, sieht diese Knappheit. Vor allem bei Diesel und ihm ähnlichen Produkten werde in Deutschland weniger produziert als verbraucht. Ein relevanter Teil des Imports sei bisher aus Russland gekommen, doch viele Händler nähmen bereits ein mögliches Importverbot vorweg. Dadurch werde der Treibstoff knapper und damit teurer. Dazu kämen Angst und Spekulation. Und es sei auch nicht auszuschließen, dass manche Unternehmen versuchten, etwas Speck anzulegen, um für sinkende Preise gewappnet zu sein. Die Tankstellen selbst hätten dagegen kaum Möglichkeiten, die Preise zu gestalten.

Erschreckende Theorien aufgetaucht: Erpressen die Mineralölkonzerne den Staat mit hohen Spritpreisen?

In den sozialen Netzwerken tauchen derzeit zahlreiche Theorien auf. "Spritpreise.Mir war da einiges suspekt.Hab jetzt einige alte Kontakte in der Mineralölwirtschaft aktiviert.Unter Zusicherung von Anonymität. Hier passiert nämlich grad ziemlich Ungeheures", schreibt ein Twitter-Nutzer und offenbart Erschreckendes. "Man braucht keine hohen Mathematikfähigkeiten, um zu erkennen: Weder Rohölpreis (dieser sinkt seit Tagen) noch Dollarkurs rechtfertigen derart hohe Spritpreise. Es sind schlicht: Preisabsprachen der Mineralölkonzerne, die dieser Tage Milliardengewinne einfahren." Und weiter: "Jetzt, endlich sei die Chance gekommen, massiven Druck aufzubauen, damit Staat Steuern auf Benzin & Co senkt. Die Aufschläge an Endkunden wurden massiv und überproportional erhöht. Sie glauben, das geht durch, weil alle auf den Krieg starren." Versuchen die Mineralölkonzerne etwa, den Staat zu erpressen?

Auch der "taz"-Redakteur Malte Kreuzfeldt teilt auf Twitter einen Thread, der aufzeigt, wer am meisten vom Anstieg der Spritpreise profitiert. "Der Rohölpreis (Sorte Brent) ist seit Beginn des Kriegs aber nur von 85 auf 103 Euro pro Barrel (159 Liter) gestiegen; das entspricht einer Steigerung um 12 Cent pro Liter", heißt es in dem Thread. "Daraus ergibt sich, dass die Steigerung des Rohölpreises um 12 Cent pro Liter den Dieselpreis eigentlich um maximal 18 Cent pro Liter steigen lassen dürfte. Der reale Anstieg ist beim Diesel mehr als drei mal so hoch, beim Benzin 2,5 mal. Wer kassiert den Rest?" Auch hier die Mineralölkonzerne. 

"Die Raffinerie Schwedt, die 25% des dt. Rohölbedarfs über die 'Freundschaft'-Pipeline einpumpt, die 95% aller Kraftstoffe in Berlin produziert, sie gehört aktuell zu 54%, bald wohl eigentlich zu 92% dem staatlichen russischen Rosneft-Konzern", ergänzt ein anderer Twitter-Nutzer.

"Die 'Nummer' läuft doch schon immer. Echte Absprachen mag es früher gegeben haben, heute machen das die Algorithmen der Firmen. Direkter Kontakt nicht notwendig. Würde man als Gesetzgeber vorschreiben einmal/Monat den Preis anpassen zu dürfen, wäre dieser Automatismus Geschichte", schreibt ein anderer Twitter-Nutzer. "Um dem Kind einen Namen zu geben: Es läuft ein Optimierungsalgorithmus Ziel: max Gewinn. Variable: Preise, Entfernungen/Preise zu/von Nachbartankstellen, Preisänderungsintervalle, weitere... Da alle diese Systeme einsetzen, führt das zu stetigen Preisanstiegen." "Aaahhh, der Markt 'regelt' also mal wieder", fasst ein anderer scherzhaft die Spritpreis-Explosion zusammen.

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/bos/news.de/dpa

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