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"Markus Lanz" am 01.11.23: Enthaltung bei UN-Abstimmung: Robert Habeck verteidigt Baerbock

Bei "Markus Lanz" ging es am Mittwochabend um den Israel-Gaza-Konflikt sowie Deutschlands Umgang mit der Situation. Vizekanzler Robert Habeck diskutierte mit und verteidigte dabei auch Annalena Baerbock.

Bei "Markus Lanz" diskutierte Vizekanzler Robert Habeck am Mittwochabend (01.11.2023) über den Israel-Gaza-Konflikt. (Foto) Suche
Bei "Markus Lanz" diskutierte Vizekanzler Robert Habeck am Mittwochabend (01.11.2023) über den Israel-Gaza-Konflikt. Bild: picture alliance/dpa/ZDF | Markus Hertrich

Bei "Markus Lanz" wurde am Mittwochabend, den 01.11.2023, über den Israel-Palästina-Konflikt diskutiert. Im Speziellen ging es dabei um den Umgang der deutschen Politik und der Öffentlichkeit mit der katastrophalen Lage im Gazastreifen, den zuletzt häufig genannten Begriff der deutschen Staatsräson sowie das Thema Judenfeindlichkeit in Deutschland. Zugeschaltet war dabei Vizekanzler Robert Habeck, der von der "Unorthodox"-Schriftstellerin Deborah Feldman deutliche Worte zu hören bekam.

"Markus Lanz" am 01.11.2023: Robert Habeck verteidigt Deutschland Enthaltung beiUN-Abstimmung

Bei einem Großangriff der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas am 07. Oktober auf Zivilisten in Israel, kamen nach offiziellen Angaben über 1.400 Menschen ums Leben. Zudem sollen über 200 Menschen in den Gazastreifen entführt worden sein. Seither reagiert Israel mit einer schweren Bombardierungen des Gazastreifens sowie Bodentruppeneinsätzen. Dadurch wurden nach Angaben der Hamas über8.500 Palästinenser getötet, darunter Tausende Zivilisten und Kinder. Die Menschen in Gaza erhalten keinen Zugang zu Wasser, Nahrung und weiteren lebensnotwendigen Mitteln. Bei einerUN-Vollversammlung vor wenigen Tagen wurde aus diesem Grund eine Resolution mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet, die Israel zu einer Feuerpause auffordert. Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung. Eine Entscheidung, die Robert Habeck bei "Markus Lanz" jetzt verteidigte. Zugeschaltet ins ZDF-Studio sagte er, Deutschland habe sich "ganz sicherlich nicht" rausgehalten. Das Gegenteil sei der Fall. Da die Terrororganisation Hamas in der Resolution nicht erwähnt wurde, sei es jedoch sei nicht möglich gewesen, ihr zuzustimmen.

"Wir haben die Verpflichtung Israel dabei beizustehen": Robert Habeck über Israel-Palästina-Konflikt

Bereits zu Anfang der Sendung erhielt der Vizekanzler das Wort und betonte, dass Israel das Recht habe, sich gegen die Hamas zu verteidigen. Das Vertrauen, dass es einen Staat auf der Welt gibt, in dem Jüdinnen und Juden ihren Glauben ohne Verfolgung leben können, müsse bestand haben. In Bezug darauf ging er auch auf die Rolle der Bundesrepublik ein. "Wir haben, Deutschland, die Verpflichtung Israel dabei beizustehen, dieses Schutzversprechen, das ja aus der Geschichte heraus entwickelt wurde, auch wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten und das kann man sagen und da kann man auch sehr klar sein, ohne das Leid im Gazastreifen zu übersehen. Aber die Kraft zur Differenzierung heißt eben, natürlich hat Israel jetzt das Recht, diesen Schutzraum wiederherzustellen und das heißt, die Hamas zu bekämpfen und kein 'Aber' dahinterher zu sagen."

Habeck bei "Markus Lanz": "Israel muss sich an das Völkerrecht halten"

Auf Lanz' Gegenfrage, ob dies mit allen Mitteln geschehen dürfe, negierte Habeck und erklärte: "Nein, nicht mit allen Mitteln. Auch Israel muss sich an das Völkerrecht halten, an das Kriegsrecht und Zivilisten, Kinder, Frauen, alle, die nicht kämpfen, schonen und das wird den Israelis auch immer wieder gesagt von den amerikanischen Freunden, auch von der deutschen Bundesregierung." Habeck zufolge erzeuge jedoch die Hamas selbst das große Elend der palästinensischen Bevölkerung, indem sie sich "hinter Zivilisten und unter Krankenhäuser und in Moscheen" verstecke: "So grausam alle Bilder sind und so schlimm jedes tote Kind ist [...], aber die Hamas benutzt die Bevölkerung selbst als Geisel, als Schutzschirm und versteckt sich dahinter."

"Israels Sicherheit ist für Deutschland eine Notwendigkeit" Habeck über den Begriff der Staatsräson

Hinsichtlich des zuletzt immer wiederkehrenden Begriffs der deutschen Staatsräson, wollte Markus Lanz von dem Grünen-Minister wissen, was diese genau bedeute. "Wörtlich übertragen heißt es, dass Israels Sicherheit für Deutschland eine Notwendigkeit ist." Es bedeute, dass die Sicherheit Israels für Deutschland zu den Prinzipien dieser Republik gehöre. "So wie man sagen würde, eine Demokratie hat als notwendige Voraussetzung das recht zur freien Rede, freie Presse, allgemeines und geheimes Wahlrecht, so ist es gemeint. Staatsräson bedeutet, die Sicherheit Israels gehört zur Identität dieser Republik dazu".

Militärische Unterstützung Israels? Habeck will "Armageddon-ähnlichem" Szenario nicht "nicht Tür und Tor öffnen"

Habeck sehe jedoch "mit großer Sorge, was da passiert, und es ist eine Stunde der Bewährung für die internationale Diplomatie und für viele Politikerinnen und Politiker." Auf die Nachfrage, ob Deutschland Israel im Zweifelsfall auch militärisch unterstützen würde hieß es: "Waffenlieferungen, die angefragt werden, werden erfüllt werden." "Würde das bedeuten, dass wir im Zweifel auch mit der Bundeswehr, mit eigener Truppe, mit eigenen Leuten notfalls Israel zur Seite stehen würden?", wollte Lanz es jedoch konkreter haben. Habeck sagte, dass es sich dabei zunächst um eine "absolute Spekulation" handle, "die Solidarität mit Israel", aber "natürlich militärische Unterstützung" mit einschließe. Habeck betonte jedoch stark, dass er für dieses "Szenario, das dann ja wirklich Armageddon-ähnlich sein könnte", "jetzt nicht Tür und Tor öffnen" wolle. Es gelte alle Gesprächskanäle offenzuhalten, um den "Flächenbrand, der dann ja schnell ein Weltbrand werden kann", zu verhindern.

Deborah Feldman bei "Markus Lanz": Liberale "ungünstig" für "rechtsnationale israelische Regierung"

Die jüdische Autorin Deborah Feldman blickt jedoch sehr kritisch auf das Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen und setzte sich auch in Markus Lanz' Sendung am Mittwochabend für eine friedliche Lösung des Konflikts ein. Sie betonte, dass inzwischen auch Familien der israelischen Opfer und Geiseln zu Wort gekommen seien und darum bettelten, einen Krieg zu verhindern. "Es gibt eine erhebliche Stimme in der israelischen Gesellschaft und in der Diaspora, die nach einem Ende der Gewaltspirale schreit. Ich bin eine dieser Stimmen", stellte Feldman ihre Position klar und wurde noch deutlicher: "Man habe bei den Angriffen der Hamas gesehen, "dass die Menschen, die zur Zielscheibe dieses Terrors wurden, so Menschen waren, wie ich es bin. Offene, liberale, humanistische und friedensliebende Menschen. Diese Menschen sind ungünstig für das Vorhaben der rechtsnationalen israelischen Regierung. Wenn die Familien dieser Opfer aufschreien, will man sie nicht hören. Die Opfer sind uns nur insoweit nützlich, als wir damit Gewalt rechtfertigen können", so die Schriftstellerin, die sich in der Vergangenheit von der ultraorthodoxen jüdischen Glaubensgemeinschaft in New York emanzipierte und die in dem "Unorthodox" festhielt. 

Sie und viele weitere jüdische Intellektuelle plädierten mit einer Unterschriftenaktion dafür, "Menschen aufgrund ihrer palästinensischen Identität, aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Geschichte, nicht zu verdammen und nicht in einem Bild des Fremden und des Bedrohlichen aufzulösen." Nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 07. Oktober hätten sie eine "sehr emotionale" Diskussion geführt und erkannt: "Es gibt keinen Kontext, keine Rechtfertigung, keine Erklärung für diese Gewalt. Im selben Atemzug sagen wir, es gibt einen Kontext für die Gewalt gegen Palästinenser. Wir können nicht auf beiden Hochzeiten tanzen. Entweder gibt es keine Rechtfertigung für die Gewalt gegen alle unschuldigen Zivilisten oder wir müssten dann immer Anfangen, über Kontext zu reden." 

Feldman fordert "bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle"

Feldman ist "der absoluten festen Überzeugung", dass es nur eine einzige legitime Lehre des Holocausts gebe, welche "die absolute bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle - Punkt". "Wer den Holocaust instrumentalisieren will, um weitere Gewalt zu rechtfertigen, hat seine eigene Menschlichkeit verwirkt", so die Autorin.

Sie "werde die Palästinenser nicht hassen" und sprach sich bei "Markus Lanz" für ein Ende der Gewalt aus: "Es ist womöglich unser allerletzte Chance, umzulenken. Wenn die Eskalation der Gewalt nicht jetzt zu beenden ist, erleben wir möglicherweise eine dramatische gefährliche Änderung in der Welt und in unserer Gesellschaft, die wir vielleicht nicht mehr in den Griff kriegen." Sie sagte zudem: "Wir reden so lange über die Werte, über die wir uns angeblich geeinigt haben, seit dem zweiten Weltkrieg, aber inzwischen sind wir nicht mehr so gut darin, es zu verstecken, dass wir diesen Werte nur selektiv einsetzen. Die Menschen verlieren das Vertrauen in uns und wenn sie das Vertrauen in uns verlieren, werden sie sich nicht mehr an diese Werte halten wollen genauso wie sie sehen, dass wir uns nicht an diese Werte halten."

Habeck verpflichtet sich für "Schutz jüdischen Lebens in Deutschland"

Seit der erneuten Eskalation im Israel-Gaza-Konflikt kam es vermehrt zu antijüdischen Parolen und Übergriffen in Deutschland sowie in anderen Ländern. "Den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland [...], das muss Aufgabe dieses Staates sein. Dem will ich mich voll verpflichten", beteuerte Habeck bei Lanz deshalb. Die Angst, jüdisches Leben in Deutschland frei zu leben, sei eindeutig zurück. Das bemerke er auch im eigenen Bekanntenkreis. Aus diesem grund sei "die Aufklärung und die Debatte und auch das Zurückdrängen des Antisemitismus in all seinen Formen - islamistisch, von rechts wie von links - Aufgabe dieser Stunde".

Feldman hat dazu jedoch eine klare Haltung: "Herr Habeck, es gibt keine Sicherheit für Juden in der Welt, solange dieser Nahost-Konflikt weiter brodelt!" Ein "Ende der Gewaltspirale" sei notwendig. Juden in Deutschland würden nur "selektiv" geschützt. Viele  würden sich "alleine gelassen und gespalten" fühlen. "Ich bin entsetzt darüber, wie Juden im Prinzip hier nur als Juden gelten können, wenn sie, das rechtskonservative Vorhaben der israelischen Regierung darstellen", so Feldman, die der Politik zudem vorwarf: "Sie erlauben Menschen mit palästinensischer Herkunft, die tolerante und friedliebende Ansichten haben nicht, zu Wort zu kommen, weil sie wollen diese Menschen hinter dem gewaltvollen Gesicht des Terroristen verstecken lassen." 

Die gesamte "Markus Lanz"-Folge am 01. November können Sie unter diesem Link über die ZDF-Mediathek abrufen.

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