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Gassparen: EU bereitet sich mit Notfallplan auf einen Gaslieferungsstopp vor

Wie lange läuft noch Gas durch Nord Stream 1? Da über die Antwort derzeit nur spekuliert werden kann, will sich die EU auf den Fall eines kompletten Gaslieferungsstopps seitens Russlands gefasst machen - mit einem Notfallplan zum Gassparen.

Die EU will sich auf Gassparen-Notfallpläne einigen. (Foto) Suche
Die EU will sich auf Gassparen-Notfallpläne einigen. Bild: Adobe Stock / Vladimir Gerasimov

Nachdem Nord Stream 1 wegen angeblicher Reparaturarbeiten auf Eis gelegen hatte, läuft die Gaslieferung nach Deutschland über die russische Pipeline derzeit wieder - jedoch nur stark gedrosselt. Angesichts der angespannten weltpolitischen Lage ist es für die EU-Kommission wahrscheinlich, dass Wladimir Putin den Hahn bald schon wieder ganz zudreht. Darum wollen sich die europäischen Staaten nun mit einem Notfallplan zum Gassparen wappnen.

Russland drosselt erneut die Gaslieferung über Nord Stream 1: EU reagiert mit einem Notfallplan

Russland hat die Gaslieferung über Nord Stream 1 wegen angeblicher Probleme mit einer Turbine erneut stark gedrosselt. Nur kurz darauf reagieren Vertreter von EU-Staaten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur haben sie sich auf einen Notfallplan zur Senkung des Gaskonsums verständigt, welcher an diesem Dienstag bei einem Sondertreffen der Energieminister in Brüssel offiziell bestätigt werden soll. Durch die geplanten Sparmaßnahmen sollen Risiken reduziert werden, die sich aus einer vollständigen Unterbrechung russischer Gaslieferungen ergeben könnten.

Der Notfallplan sieht vor, dass der nationale Konsum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent gesenkt wird. Dem bestätigten Diplomaten gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Des Weiteren solle durch ihn die Möglichkeit bestehen, bei weitreichendenVersorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben.

Mehr Ausnahmemöglichkeiten und Hürden als beim ersten EU-Notfallplan-Entwurf zum Gassparen

Im Vergleich zum ersten Entwurf der Kommission sind dafür allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen und auch die Hürden für die Einführung von verbindlichen Einsparzielen wurden erhöht. Letztere soll nur vom Rat der Mitgliedstaaten und nicht von der EU-Kommission durchgesetzt werden können.

Ein Vorschlag für verbindliche Einsparziele benötigt nach den neuen Plänen die Zustimmung einer Gruppe von 15 der 27 EU-Ländern. Die Gruppe müsse 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen

Nicht direkt an Gasverbundnetz angeschlossen: Für Zypern, Malta und Irland gelten Ausnahmeregelungen

Ausnahmeregelungen sollen zum Beispiel vorsehen, dass Länder wie Zypern, Malta und Irland nicht zum Gassparen verpflichtet werden sollten, solange sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind. Bei anderen Staaten sollen zum Beispiel Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff etwa zur Erzeugung von Düngemitteln die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.

Am Dienstag voll das Beschlussverfahren für den Notfallplan eingeleitet werden

Das Beschlussverfahren für den überarbeiteten Plan soll an diesem Dienstag bei einem Sondertreffen der für Energiefragen zuständigen Minister eingeleitet werden. Dafür sei eine qualifizierte Mehrheit notwendig. Diplomaten gingen aber davon aus, dass diese problemlos erreicht wird.

Es habe sich gezeigt, dass ein Großteil der Länder Solidarität für äußerst wichtig halte und Gas einsparen wolle, hieß es. Neben Ungarn hätten zuletzt nur noch drei andere Mitgliedstaaten größere Vorbehalte geäußert.

Abhängig von Russland: Deutschland spricht sich für die Gassparen-Notfallpläne aus

Deutschland unterstützt die Notfallplanungen als eines derjenigen Länder, die derzeit noch stark von russischen Gaslieferungen abhängig sind. Für die Bundesregierung wird Wirtschaftsminister Robert Habeck zu dem Sondertreffen erwartet. Der Grünen-Politiker warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Montagabend wegen der angekündigten weiteren Drosselung der Gaslieferungen ein "perfides Spiel" vor. Putin versuche, die große Unterstützung für die Ukraine zu schwächen und einen Keil in die deutsche Gesellschaft zu treiben. Dafür schüre er Unsicherheit und treibe die Preise. Technische Gründe für die Lieferkürzungen gebe es nicht.

Der russische Gaskonzern Gazprom hatte kurz zuvor angekündigt, die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 von derzeit 40 Prozent auf 20 Prozent der maximalen Kapazität zu senken. Es sollen dann nur noch 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fließen. Grund sei die Reparatur einer weiteren Turbine, hieß es.

EU-Kommission will Europa auf den "schlimmsten Fall" vorbereiten: einen vollständigen Gaslieferungsstopp

Die EU-Kommission sieht die Ankündigungen als Beleg für die Notwendigkeit von gemeinschaftlichen europäischen Notfall-Planungen. Genau diese Art von Szenario habe Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und das Kollegium dazu veranlasst, ein Vorschlag zur Solidarität beim Gassparen vorzulegen, sagte ein Sprecher am Montagabend in Brüssel. Die Entwicklung bestätige die eigene Analyse und man hoffe, dass der Rat der Mitgliedstaaten an diesem Dienstag eine angemessene Antwort beschließen werde.

Von der Leyen hatte zuletzt darauf hingewiesen, dass Russland in zwölf Mitgliedstaaten schon jetzt nur noch teilweise oder gar nicht mehr Gas liefert. "Deswegen muss Europa für den schlimmsten Fall vorbereitet sein: einen vollständigen Stopp der Gaslieferungen, früher oder später", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Kritikern ihrer Notfall-Pläne hielt von der Leyen entgegen, dass die Auswirkungen eines russischen Lieferstopps auf alle EU-Staaten enorm wären - egal, wie viel Gas sie nun tatsächlich aus Russland beziehen. "Auch Mitgliedstaaten, die kaum russisches Gas beziehen, können sich den Folgen eines möglichen Lieferstopps in unserem Binnenmarkt nicht entziehen", erklärte sie.

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/bua/news.de/dpa

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