Erstellt von Cori Brossmann - Uhr

EZB legt Zinspause ein: Das gilt jetzt für Kreditnehmer und Sparer

Die Europäische Zentralbank hat bei ihrer letzten Sitzung in Frankfurt am Main eine Zinspause beschlossen. Nachdem sie die Leitzinsen seit dem vergangenen Jahr mehrfach angehoben hatte, ist sie durch dunkle Wolken am Konjunkturhorizont zu einem behutsameren Vorgehen gezwungen. Dieser Artikel erklärt, welche Konsequenzen die Zinspause für Kreditnehmer und Sparer hat und welche Rückschlüsse sich aus der Zinsstrukturkurve ziehen lassen.

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Foto: Boris Roessler/dpa/dpa-tmn Bild: Boris Roessler/dpa

Welche Gründe hat die Zinspause der EZB?

Im Jahr 2022 endete die Zeit, in der Kreditnehmer besonders günstige Kredite aufnehmen konnten. Die Finanzkrise von 2008 führte zu einer Niedrigzinsphase, die bis zum Angriff auf die Ukraine andauerte. Der Krieg und die folgenden wirtschaftlichen Verwerfungen veränderten die Rahmenbedingungen und verursachten einen starken Anstieg der Verbraucherpreise in Deutschland, der Eurozone und anderen Ländern außerhalb Europas.

Der Leitzins ist das wichtigste Instrument von Zentralbanken, um durch geldpolitische Maßnahmen die Inflation zu reduzieren oder zu stimulieren.

Das Hauptziel der meisten Notenbanken besteht darin, die Preisstabilität zu wahren. Dabei handelt es sich um einen wirtschaftlichen Zustand, in dem sich die Geldentwertung in einem moderaten und vorhersehbaren Bereich befindet. Um Investitionsanreize zu schaffen, ist eine Inflation in Höhe von etwa 2,0 % gewünscht. Eine Deflation würde zwar die Verbraucherpreise sinken lassen, würde aber mit diversen negativen Folgen wie einem Rückgang der Investitionen, einer zunehmenden Schuldenlast und höherer Erwerbslosigkeit einhergehen.

Das seit 2022 drastisch steigende Preisniveau zwang die Europäische Zentralbank dazu, die Zinsen schneller als erwartet zu erhöhen: Der Leitzins stieg seit Juli 2022 von 0 % auf zuletzt 4,5 %.

Da der Anstieg der Verbraucherpreise maßgeblich auf die Angebotsverknappung im Energiesektor zurückzuführen ist, blieb die Wirkung der geldpolitischen Maßnahmen begrenzt. Trotz der stark erhöhten Leitzinsen verharrt die Inflation deutlich über dem von der EZB angestrebten Zielwert in Höhe von 2,0 %.

Wenn die Zinsen steigen, verteuert dies sowohl für Firmen als auch Privatpersonen die Kosten für Kredite. Da Unternehmen geplante Kreditaufnahmen und somit Investitionen häufig aufschieben müssen, nimmt die wirtschaftliche Aktivität ab.

Die Zentralbank steht vor der Herausforderung, ihre geldpolitischen Maßnahmen so auszurichten, dass sie einerseits den Preisanstieg verlangsamt und andererseits das Wirtschaftswachstum nicht zu stark beeinträchtigt.

Da Geldpolitik stets ein Balanceakt zwischen diesen beiden Polen ist, entschied sich die EZB auf ihrer letzten Sitzung dazu, die Zinsen vorerst nicht weiter anzuheben.

Die Auswirkungen der EZB-Politik auf Sparer und Kreditnehmer

Die Leitzinsen haben keine direkten Auswirkungen auf Kreditnehmer und Sparer. Die Geschäftsbanken, die Spareinlagen verwalten und Kredite auszahlen, können ihre Konditionen frei gestalten. Der Leitzins bestimmt jedoch, zu welchen Zinssätzen sich die Kreditinstitute Geld bei der Zentralbank leihen oder dort anlegen können. Er hat deshalb besonders spürbare Auswirkungen auf die kurzfristigen Zinsen, die Sparer beispielsweise auf Tagesgeldeinlagen erhalten oder die Kreditnehmer für Darlehen mit kurzen Laufzeiten zahlen müssen.

Welche Folgen hat die Zinspause für Kreditnehmer?

Kreditnehmer versuchen üblicherweise, von niedrigen Zinsen zu profitieren. Fällt der Zinssatz gering aus, bleiben die monatlichen Raten finanzierbar. Viele Privatpersonen und Unternehmen nutzten die Niedrigzinsphase, um Immobilien günstig zu finanzieren. Alle Arten von Krediten haben sich - korrelierend mit den Leitzinsen - seit Mitte 2022 erheblich verteuert. Trotz der jüngsten Zinspause liegen die durchschnittlichen Kreditkosten deutlich oberhalb des Niveaus, das während der Niedrigzinsphase üblich war.

Kreditnehmer stehen derzeit vor einer weiteren Herausforderung: Die Zinsen sind gestiegen, gleichzeitig ist das wirtschaftliche Umfeld von Unsicherheit geprägt. Der Krieg in der Ukraine dauert an und seit Oktober 2023 sind weitere geopolitische Risiken im Nahen Osten hinzugetreten, die sich auf die Preisentwicklung insbesondere im Energiesektor auswirken könnten.

Sowohl private als auch gewerbliche Kreditnehmer sind dadurch höheren Risiken bei der Kreditaufnahme ausgesetzt. Eine weitere Verschlechterung der konjunkturellen Aussichten könnte Zahlungsausfälle nach sich ziehen und die Bonität von Privatpersonen und Unternehmen gefährden. Überdies entwertet die nach wie vor hohe Inflation Vermögenswerte wie Spareinlagen, die als Kreditbesicherung dienen.

Die zukünftige Zinsentwicklung ist derzeit unklar, da sie von den weiteren wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen weltweit abhängt.

Im derzeitigen geldpolitischen und konjunkturellen Umfeld bestehen hauptsächlich bei Darlehensverträgen mit variablen Zinssätzen signifikante Risiken: Wenn die Inflation weiter steigt und die Europäische Zentralbank die Zinsen erneut anhebt, erhöhen sich die finanziellen Belastungen für Haushalte und Unternehmen bei derartigen Kreditverträgen besonders stark. Dies ist speziell dann von Bedeutung, wenn der Zinsanstieg mit wirtschaftlichen Unsicherheiten und einer Rezession einhergeht.

Besonderheiten gelten bei Umschuldungen:

Wer einen Kredit während der Niedrigzinsphase aufgenommen hat, profitiert derzeit nur in Ausnahmefällen vom Abschluss eines neuen Kreditvertrags.
Wer einen aktuellen Finanzierungsbedarf hat, kann darauf spekulieren, dass die Zinsen in den kommenden Monaten und Jahren erneut sinken. Tritt dieses Szenario ein, können Kreditnehmer die hoch verzinsten Kredite durch günstigere Darlehen ablösen.

Welche Folgen hat die Zinspause für Sparer?

Wer sein Geld üblicherweise auf dem Sparbuch oder in festverzinslichen Wertpapieren anlegt, profitiert von den seit 2022 steigenden Zinsen. Investitionen in andere Vermögenswerte wie ETFs und Einzelaktien sind dagegen aufgrund der allgegenwärtigen wirtschaftlichen Unsicherheiten riskanter geworden. Das gestiegene Zinsniveau macht festverzinsliche Geldanlagen auch für institutionelle Anleger attraktiver, wodurch weitere Abwärtsrisiken für Wertklassen wie Aktien entstehen.

Der Leitzins befindet sich aktuell auf dem höchsten Stand seit Mai 2001. Aus historischer Perspektive liegen die Zinsen im Euroraum somit unterhalb des aktuellen Niveaus. Dadurch kommen Anlagen in Festgeld ebenso infrage wie Investitionen in Staats- und Unternehmensanleihen.

Beim beliebten ETF-Sparen ist hingegen Vorsicht geboten: Die geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten haben die Aktienkurse in den vergangenen Monaten deutlich nach unten gedrückt. Ob der Abwärtstrend bald endet, ist nicht abzusehen.

Inverse Zinsstruktur deutet auf langfristig fallende Zinsen hin

Die Zinsstrukturkurve gibt Sparern und Kreditnehmern wertvolle Tipps:

Im Normalfall liegen die Zinsen für kurz laufende Kredite unterhalb des Niveaus für Darlehen mit langer Laufzeit. Der Grund dafür ist, dass die Ausfallrisiken über ausgedehnte Zeiträume steigen und kaum realistisch zu ermitteln sind. Diese Unsicherheit kompensieren Kreditgeber, indem sie höhere Zinsen verlangen.

Ein Blick auf die Bauzinsen zeigt, dass die Zinssätze für langfristige Verträge niedriger liegen als bei Finanzierungen mit kurzen Laufzeiten.

Fachleute sprechen von einer inversen Zinsstrukturkurve.

Dieses Phänomen tritt auf, wenn die Kreditmärkte davon ausgehen, dass die Zinsen in den kommenden Jahren aufgrund eines wirtschaftlichen Abschwungs oder sinkender Inflationsraten fallen werden.

Zinspause der EZB als Chance für Sparer und Kreditnehmer

Wenngleich das wirtschaftliche Umfeld schwierig und die geopolitischen Risiken ausgeprägt bleiben, deutet die aktuelle Zinspause auf einen möglichen Trendwechsel zu sinkenden Zinsen hin. Die inverse Zinsstrukturkurve stützt diese Prognose. Für Sparer bieten sich derzeit lukrative Gelegenheiten, um in festverzinsliche Wertpapiere zu investieren, während Kreditnehmer auf ein sinkendes Zinsniveau spekulieren können.

brc/news.de

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