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Stechuhr-Urteil: Arbeitszeiterfassung ist Pflicht! Was bedeutet das jetzt für die Wirtschaft?

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Unternehmen müssen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfassen. Kehrt nun die Stechuhr in allen deutschen Firmen zurück? Das muss man über das Grundsatzurteil wissen.

Unternehmen müssen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter:innen erfassen. Das hat das Bundesarbeitsgericht nach dem sogenannten Stechuhr-Urteil entschieden. (Foto) Suche
Unternehmen müssen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter:innen erfassen. Das hat das Bundesarbeitsgericht nach dem sogenannten Stechuhr-Urteil entschieden. Bild: Adobe Stock/ Quality Stock Arts

Mit einem Grundsatzurteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rückkehr der Stechuhr ermöglicht. Die Entscheidung lautet: Arbeitszeiterfassung ist in Deutschland Pflicht. Was bedeutet das für Arbeitgeber:innen- und Arbeitnehmer:innen?

Stechuhr-Uhrteil: Arbeitszeiterfassung ist Pflicht

Nun ist es höchstrichterlich entschieden: Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) besteht in Deutschland eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, über die in der Ampel-Regierung, in der Wirtschaft und unter Arbeitsrechtlern derzeit noch heftig diskutiert wird. Die Präsidentin des höchsten deutschen Arbeitsgerichts, Inken Gallner, begründete die Pflicht von Arbeitgebern zur systematischen Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten am Dienstag in Erfurt mit der Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes nach dem sogenannten Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Stechuhr-Urteil: Das sind die Auswirkungen auf mobile Arbeit und Home Office

Fachleute rechnen damit, dass das BAG-Grundsatzurteil (1ABR 22/21) weitreichende Auswirkungen auf die bisher in Wirtschaft und Verwaltung tausendfach praktizierten Vertrauensarbeitszeitmodelle bis hin zu mobiler Arbeit und Homeoffice haben wird, weil damit mehr Kontrolle besteht. Nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz müssen bisher nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden, nicht die gesamte Arbeitszeit. Der Bonner Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsing nannte die Entscheidung der Bundesarbeitsrichter einen Paukenschlag.

So begründet das Bundesarbeitsgericht seine Entscheidung

Sie fiel nach Verhandlung eines Falls aus Nordrhein-Westfalen, bei dem ein Betriebsrat mit der Forderung scheiterte, ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zu bekommen. Eine betriebliche Mitbestimmung oder ein Initiativrecht sei ausgeschlossen, wenn es bereits eine gesetzliche Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung gibt, begründete das Bundesarbeitsgericht seine Entscheidung.

Änderung des deutschen Arbeitszeitgesetzes ist geplant

Mit seinem Grundsatzurteil preschte das Bundesarbeitsgericht in der Debatte um die Änderung des deutschen Arbeitszeitgesetzes vor. Die Bundesregierung arbeitet noch daran, die EuGH-Vorgaben von 2019 zur Einführung einer objektiven, verlässlichen und zugänglichen Arbeitszeiterfassung in deutsches Recht umzusetzen.

Gallner, Vorsitzende Richterin des Ersten Senats, verwies auf einen Passus im Arbeitsschutzgesetz, der Arbeitgeber verpflichte, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. "Wenn man das deutsche Arbeitsschutzgesetz mit der Maßgabe des Europäischen Gerichtshofs auslegt, dann besteht bereits eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung", sagte sie in der Verhandlung.

Laumann fordert zügige Umsetzung der Arbeitszeiterfassungspflicht

Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) fordert, das Arbeitszeiterfassungsurteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) rasch umzusetzen. "Jetzt muss das jahrelange Hin- und Her von Bundeswirtschafts- und Bundesarbeitsministerium ein Ende haben und bei der Reform des Arbeitszeitgesetzes klipp und klar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Stunden aufgezeichnet werden müssen", unterstrich Laumann am Mittwoch in Düsseldorf. Er freue sich über die höchstrichterliche Entscheidung. "Denn ich habe nie verstanden, dass bei Menschen, die nach Stundenlohn bezahlt werden, die Stunden nicht aufgeschrieben werden."

Inzwischen gebe es viele Möglichkeiten, die Arbeitszeit sehr unbürokratisch digital zu erfassen. Insofern sei das auch nicht mit großem Aufwand verbunden. Gleichzeitig stärke eine genaue Erfassung die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, betonte Laumann.

Arbeitgeberverband kritisiert Urteil zur Arbeitszeiterfassung

Die Arbeitgebervereinigung BDA kritisiert das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Arbeitszeiterfassung als "überstürzt und nicht durchdacht". Das Gericht überdehne mit seiner Entscheidung den Anwendungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes deutlich, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter in einer Mitteilung am Mittwoch. "Damit werden Beschäftigte und Unternehmen ohne gesetzliche Konkretisierung überfordert. Diese Entscheidung darf nicht dazu führen, dass bewährte und von den Beschäftigten gewünschte Systeme der Vertrauensarbeitszeit in Frage gestellt werden."

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/bos/news.de/dpa

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