Geheimpapier enthüllt: Digitale Passfotos kommen - und scheitern an mangelhafter Technik
Ab August soll das digitale Passfoto kommen. Aber: Ein geheimes Ministeriumspapier enthüllt das Ausmaß des Behörden-Chaos - defekte Scanner, fehlende Fotodienstleister und eine Software, die korrekte Bilder ablehnt.
Erstellt von Felix Schneider - Uhr
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Die digitale Revolution in deutschen Behörden ist offenbar zum Scheitern verurteilt: Während das Bundesinnenministerium offiziell verkündet, dass ab dem 31. Juli 2025 ausschließlich digitale Passfotos für Ausweise und Reisepässe akzeptiert werden, zeichnet ein internes Dokument ein völlig anderes Bild. Ein Geheimpapier, das der "Bild" vorliegt, offenbart massive Umsetzungsprobleme. Besonders ländliche Regionen sind betroffen.
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Scanner, Software und Co.: Technologie ist scheinbar nicht ausgereift
Die technischen Probleme sind gravierend - ursprünglich sollten die digitalen Passfotos bereits im Mai kommen, doch durch die noch unausgereifte und fehlerhafte Technik kam es zu Verzögerungen. Laut dem internen BMI-Papier verfügen zahlreiche Behörden allerdings noch immer nicht über die notwendigen 2D-Barcode-Scanner, um digitale Passbilder von Fotografen oder Drogerien zu verarbeiten. In einzelnen Kommunen besitzt nur jede dritte Behörde eigene Fototerminals.
Besonders brisant: Die automatische Prüfsoftware für Passfotos funktioniert nicht zuverlässig. Das System soll eigentlich geeignete Aufnahmen mit grüner Markierung kennzeichnen. Doch die Technik versagt regelmäßig. Das Ministerium warnt die Behördenmitarbeiter eindringlich davor, sich blind auf die fehlerhafte Software zu verlassen. Trotzdem lehnen viele Sachbearbeiter korrekte Fotos ab, weil sie dem unzuverlässigen System vertrauen.
50 Kilometer für ein Passfoto fahren? Möglicherweise bald normal
Gleichzeitig lässt die Digitalisierung ganze Landstriche im Stich. Das BMI-Dokument enthüllt: In ländlichen Gebieten existieren oft überhaupt keine zertifizierten Fotodienstleister. Weder Fotostudios noch Drogerien bieten dort die erforderlichen digitalen Passbilder an.
Die Konsequenzen sind schwerwiegend. Bürger müssen laut dem Geheimpapier teilweise Strecken von bis zu 50 Kilometern zurücklegen, nur um ein regelkonformes Foto anfertigen zu lassen. Eine Alternative vor Ort? Fehlanzeige. In vielen Kommunen besitzt nur jede dritte Behörde überhaupt eigene Fototerminals.
Das Ministerium räumt in dem Schreiben ein: "Insbesondere in ländlichen Gegenden finden sich mitunter keine privaten Fotodienstleister wie Drogerien oder Fotostudios, bei denen Lichtbilder erstellt werden könnten." Die versprochene Vereinfachung des Behördengangs verkehrt sich ins Gegenteil.
Geheime Verlängerung durch die Hintertür
Offiziell bleibt das Bundesinnenministerium bei seiner harten Linie. Ein Sprecher betonte gegenüber "Bild", dass es keine Fristverlängerung geben werde. Nach zweieinhalb Monaten Testbetrieb gehe man davon aus, dass alle Behörden die technischen Voraussetzungen erfüllen. Die Realität sieht indes anders aus. Das interne BMI-Papier verrät: In besonders betroffenen ländlichen Gebieten dürfen Papierfotos sogar bis Ende September akzeptiert werden - obwohl ab August eigentlich die neue Regelung gelten soll. Eine stillschweigende Kapitulation vor den massiven Umsetzungsproblemen.
Sicherheit gegen Morphing - der ursprüngliche Plan
Die digitale Passfoto-Pflicht sollte Deutschland sicherer machen. Das Gesetz zur Stärkung der Sicherheit im Pass- und Ausweisdokumentenwesen zielte auf die Bekämpfung von Identitätsfälschungen durch sogenanntes Morphing. Bei dieser Betrugsmethode verschmelzen Kriminelle mehrere Gesichter zu einem Foto, um unerlaubte Grenzübertritte zu ermöglichen.
Trotz aller Pannen wurden bis jetzt etwa drei Millionen Dokumente mit digitalem Passfoto ausgestellt. Das zeigt: Wo die Technik funktioniert, klappt das neue System immerhin. Doch die flächendeckende Umsetzung bleibt ein Kraftakt, der die deutsche Verwaltung noch monatelang beschäftigen wird.
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