Rentenreform steht bevor: SPD-Ministerin begrüßt Renteneintritt nach Beitrags- statt Lebensjahren

Nach monatelangem Streit hat der Bundestag für das Rentenpaket gestimmt, doch ausgestanden scheint der Zoff längst nicht. Nun steht die Idee im Raum, den Renteneintritt an die Zahl der Beitragsjahre und nicht an das Lebensalter zu koppeln.

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Wird das Renteneintrittsalter in Deutschland künftig an die Zahl der Beitragsjahre und nicht das Lebensalter gekoppelt? Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) ist von der Idee angetan. (Foto) Suche
Wird das Renteneintrittsalter in Deutschland künftig an die Zahl der Beitragsjahre und nicht das Lebensalter gekoppelt? Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) ist von der Idee angetan. Bild: picture alliance/dpa | Christophe Gateau
  • Rentenpaket im Bundestag beschlossen - doch der Zoff um die Rente geht weiter
  • Sind bald Beitragsjahre statt Lebensalter ausschlaggebend für den Renteneintritt?
  • Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) findet Gefallen an Vorschlag aus der Wirtschaft "grundsätzlich ganz gut"

Seit dem 5. Dezember 2025 ist das umstrittene Rentenpaket nach monatelangen Diskussionen in der Bundesregierung beschlossene Sache - doch nach der Abstimmung im Bundestag bleibt die Frage weiter unbeantwortet, wie das Rentensystem konkret reformiert werden soll. Noch vor Weihnachten soll eine Rentenkommission eingesetzt werden. Bis Mitte 2026 sollen Vorschläge vorliegen - die dann rasch in ein Gesetzgebungsverfahren münden sollen. Nun äußerte sich Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas einem Vorschlag aus der Wirtschaft gegenüber aufgeschlossen, die den Zeitpunkt des Renteneintritts nicht länger am Lebensalter, sondern an den Beitragsjahren festmacht.

Renten-Zoff in der Bundesregierung schwelt nach Abstimmung weiter - sind bald Beitragsjahre ausschlaggebend?

Dem aktuell vorgelegten Vorschlag zufolge soll künftig statt eines festen Renteneintrittsalters die Anzahl der eingezahlten Beitragsjahre über den Ruhestand entscheiden. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) zeigte sich im ARD-"Bericht aus Berlin" aufgeschlossen für diesen Ansatz: "Ich finde die Idee grundsätzlich ganz gut." Die Ministerin betonte, es gebe zwei mögliche Modelle – eine Orientierung an der Lebenserwartung oder an der tatsächlichen Einzahlungsdauer.

Der Vorschlag stammt von Wirtschaftsprofessor Jens Südekum, der als persönlicher Berater von Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil fungiert. "Die Lebensarbeitszeit ist eine Stellschraube, an die wir ranmüssen, um die gesetzliche Rente zu sichern", erklärte Südekum gegenüber "Bild". Auch Kanzler Merz sprach sich in der ARD dafür aus, die Rentenbezugsdauer stärker an die Einzahlungszeiten zu knüpfen. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf schloss sich dem an. "Ich finde erst mal, dass es eine Idee ist, die deutlich besser geeignet ist, darüber zu diskutieren als eine schnöde Anhebung des Renteneintrittsalters", sagte Klüssendorf im "Frühstart" von RTL/ntv. Es gebe aber weitere Reformideen. Neben der Forderung, dass mehr Menschen in das System einzahlen sollen, sprach Klüssendorf auch "vom Wachsen von unterschiedlichen Rentenentscheiden". "Das heißt, wachsen kleine Renten genauso stark wie große Renten, gibt es dort momentan auch eine Ungerechtigkeit, weil kleine Renten benachteiligt sind."

Frühere Rente für Handwerker, spätere Rente für Akademiker?

Das neue Modell würde die Arbeitswelt grundlegend verändern. Wer beispielsweise mit 16 Jahren eine Ausbildung beginnt und durchgehend in die Rentenkasse einzahlt, könnte bei 45 Beitragsjahren bereits mit 61 in den Ruhestand gehen. Bas erläuterte gegenüber der "Rheinischen Post": "Wer früh angefangen hat einzuzahlen, zum Beispiel zum Lehrbeginn mit 16, könnte früher in Rente gehen als andere, die nach einem Studium erst später begonnen haben." Für Hochschulabsolventen sähe die Rechnung anders aus. Ein Akademiker, der erst mit 25 Jahren ins Berufsleben einsteigt, müsste bei gleicher Beitragsdauer bis zum 70. Lebensjahr arbeiten – oder finanzielle Einbußen akzeptieren. Derzeit gilt: Bis 2031 steigt das reguläre Rentenalter schrittweise auf 67 Jahre. Lehrberufe könnten durch die Reform deutlich attraktiver werden.

Experten warnen vor ungewollten Folgen des neuen Rentenkonzeptes

Nicht alle Fachleute teilen die Begeisterung für das neue Modell. Rentenexperte Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg hält den Vorschlag für nicht durchdacht. Sein Einwand: Ohne generelle Anhebung des Renteneintrittsalters würden Akademiker ab 70 Jahren sogar höhere Rentenansprüche erwerben, da sie länger einzahlen und statistisch auch länger leben als etwa Handwerker. Zudem sieht Raffelhüschen rechtliche Risiken: "Akademiker könnten auf Diskriminierung klagen" oder sich darauf berufen, dass ihnen ihr Bildungsweg nachträglich zum Nachteil ausgelegt werde. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm von der TU Nürnberg unterstützt zwar längere Lebensarbeitszeiten, mahnt jedoch: "Wir brauchen keinen Klassenkampf im Rentensystem." Ihr Vorschlag: "Alle, die fit genug sind, sollten länger arbeiten."

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, lehnt die Idee ab, den Renteneintritt nicht mehr an das Alter zu koppeln - sondern an die Zahl von Beitragsjahren. "Der Vorschlag wird die Altersarmut nicht reduzieren, sondern Ungleichheiten verstärken", sagte der Ökonom der "Rheinischen Post". Zudem werde der Vorschlag zu einem intensiven Streit über die Frage führen, "ob und wann Unterschiede im Renteneintrittsalter berechtigt sind oder nicht", sagte Fratzscher. Aus seiner Sicht würden auf diese Weise "Menschen und vor allem Frauen, die viele Jahre ehrenamtlich tätig waren oder sich um die Familie gekümmert haben, schlechter gestellt".

Scharfe Kritik von links an Rentenvorschlag

Linke-Fraktionsvize Nicole Gohlke lehnte Südekums Vorschlag als "vergiftetes Angebot" ab. "Wer körperlich hart arbeitenden Menschen einen früheren Ruhestand ermöglichen will, rennt bei uns offene Türen ein. Aber das darf nicht gegen diejenigen ausgespielt werden, die sich für ein Studium entschieden haben." Weil Akademiker wegen der Studienjahre in der Regel deutlich später zu arbeiten anfangen, könnte für sie eine Umsetzung von Südekums Vorschlag von Nachteil sein.

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