Wladimir Putin: Massive Fehleinschätzung - Russen-General rechnet mit Putins Ukraine-Krieg ab

Ein ehemaliger Oberbefehlshaber der russischen Landstreitkräfte rechnet öffentlich mit Wladimir Putins Ukraine-Krieg ab. Der Militärexperte wirft der Führung in Moskau vor, diesen auf Basis völlig falscher Geheimdienstinformationen begonnen zu haben.

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Wladimir Putin führt seit Februar 2022 Krieg gegen die Ukraine. (Foto) Suche
Wladimir Putin führt seit Februar 2022 Krieg gegen die Ukraine. Bild: picture alliance/dpa/Pool Reuters | Ramil Sitdikov

In Russland sorgt ein bemerkenswertes Interview für Aufsehen: Der frühere Befehlshaber der russischen Landstreitkräfte, Generaloberst Wladimir Tschirkin, hat den Kreml wegen des Ukraine-Kriegs ungewöhnlich offen angegriffen.

  • "Um ehrlich zu sein – ich habe nicht vor, irgendjemanden zu kritisieren –, aber meiner Meinung nach war Russland erneut nicht auf einen Krieg vorbereitet", sagte der hochrangige Militär dem Sender RBK laut Bericht von "Kyiv Independent".

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Wladimir Putin von russischem Generaloberst kritisiert für Ukraine-Krieg

Wladimir Putin dürfte die Ohren gespitzt haben. Der General sprach von einer "ernsten, harten Lektion", die sein Land habe lernen müssen. Dabei kritisierte er ein wiederkehrendes Muster in der russischen Militärgeschichte:

  • Über Jahre und sogar "Jahrhunderte" hinweg habe es stets eine Unterschätzung des Feindes bei gleichzeitiger Überschätzung der eigenen Streitkräfte gegeben.
  • Derart deutliche Worte aus dem Mund eines ehemaligen Top-Militärs sind in Russland äußerst selten zu hören.

Russen-General rechnet mit Putins Geheimdienst ab

Besonders hart ging Tschirkin mit dem russischen Nachrichtendienstapparat ins Gericht. Vor dem Einmarsch im Februar 2022 habe die Kremlführung um Wladimir Putin offenbar komplett fehlerhafte Informationen erhalten.

  • "Nämlich, dass 70 Prozent der Bevölkerung der Ukraine für uns seien und 30 Prozent gegen uns", erklärte der Generaloberst.
  • Die Realität habe sich als genau gegenteilig erwiesen: Nur 30 Prozent der Ukrainer standen demnach auf russischer Seite, während 70 Prozent gegen Moskau eingestellt waren.

Angesichts dieser massiven Fehleinschätzung fällte Tschirkin ein vernichtendes Urteil über die Arbeit der Geheimdienste. Dem gesamten Apparat würde er "eine unbefriedigende Note geben", so der frühere Armeechef. Diese Bewertung wiegt schwer, da strategische Entscheidungen maßgeblich auf diesen Analysen basierten.

Das "Tiflis-Syndrom" und die Illusion vom Drei-Tage-Krieg

Tschirkin diagnostizierte dem Kreml zudem ein sogenanntes "Tiflis-Syndrom". Damit verwies er auf den nur fünf Tage dauernden Konflikt mit Georgien im August 2008, der mit der Anerkennung von Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten endete. Dieser schnelle Erfolg habe zu falschen Erwartungen geführt.

  • "Alle sagten, wenn ihr euch erinnert, am 24. Februar, dass der Krieg in drei Tagen vorbei sei", so der General.

Der ehemalige Armeechef deutete außerdem an, dass die wahren Verluste der russischen Streitkräfte verschwiegen würden.

  • "Wie viele Gefallene, Verwundete und Verstümmelte wir dort zurückgelassen haben, das weiß unsere Armee", sagte Tschirkin. Die vollständige Geschichte sei noch nicht erzählt worden. Laut BBC-Recherchen vom November könnten bis zu 360.600 russische Soldaten gefallen sein.

Generaloberst könnten bis zu 15 Jahre Haft drohen für öffentliche Kriegskritik

Für den Generaloberst könnte das Interview schwerwiegende Folgen haben. In Russland steht öffentliche Kritik am Krieg unter Strafe – es drohen bis zu 15 Jahre in einer Strafkolonie. Der ukrainische Journalist Denis Kazanskyi ordnete die Aussagen beim Kurznachrichtendienst X ein: Zwar hätten bereits Militärblogger den Krieg kritisiert, "aber noch nie zuvor wurden solche Aussagen auf so hohem Niveau gemacht".

Tschirkin kennt das russische Justizsystem bereits aus eigener Erfahrung. Im Jahr 2013 enthob ihn Präsident Putin wegen Korruptionsvorwürfen seines Postens als Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte. Der General verbüßte daraufhin eine fünfjährige Haftstrafe. Seinen Rang als Generaloberst, der ihm zunächst aberkannt wurde, erhielt er 2015 durch ein Gerichtsurteil zurück.

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