SPD und Union gegen "Totalverweigerer": Kommt bald mehr Druck auf Empfänger von Bürgergeld?
SPD und Union wollen Arbeitsverweigerer stärker in die Pflicht nehmen. Doch drohende Sanktionen könnten überfordern statt helfen. Sind Druck und Strafen wirklich der richtige Weg? Ein Kommentar.
Von news.de-Redakteurin Mia Lada-Klein - Uhr
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- SPD und Union wollen Arbeitsverweigerer stärker sanktionieren
- Jobcenter warnen und zeigen sich skeptisch
- Individuelle Förderung und Anreize statt Drohungen und Druck
Markus Söder äußerte sich kürzlich dazu, dass wehrfähige Ukrainer zurück an die Front sollen und nicht auf Staatskosten leben sollten. Friedrich Merz hält die Arbeitslosenquote in Deutschland ebenfalls für zu hoch. Nach der NRW-Wahl und dem starken Abschneiden der AfD ging es bei "Hart aber fair" jetzt auch hitzig zur Sache. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch und Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) machten deutlich, dass Bürgergeld-Empfänger, die sich konsequent vor einer Arbeitsaufnahme drücken, künftig mit härteren Konsequenzen rechnen müssen.
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Worum ging es denn genau?
Ausgangspunkt der Diskussion war laut "Bild" die Forderung von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Bereits im Sommer kündigte er eine Reform des Bürgergeldes an. Sein Credo: Wer arbeiten könne, müsse auch arbeiten, andernfalls dürfe es keine staatliche Unterstützung geben. Thorsten Frei stellte klar: Es gehe ausschließlich um junge und gesunde Menschen, die trotz Arbeitsfähigkeit jede Beschäftigung verweigern. Diese Gruppe solle nicht länger von Transferleistungen profitieren. Auf Nachfrage von Moderator Louis Klamroth zeigte sich Frei bereit, die aktuell mögliche Kürzung von zwei Monaten auf null zu verlängern, möglicherweise sogar unbegrenzt.
Was sagen Jobcenter aus der Praxis?
Marcus Weichert, Leiter des Dortmunder Jobcenters, zeigte sich skeptisch. Die rechtlichen Hürden für Sanktionen seien derzeit sehr hoch. Dennoch sieht er Handlungsbedarf: Selbst eine kleine Zahl an Missbrauchsfällen schade dem Vertrauen in das Sozialsystem.
Warum ist das Thema so brisant?
Die Forderung, Arbeitsverweigerer stärker in die Pflicht zu nehmen, klingt auf den ersten Blick plausibel. Doch der Ansatz greift zu kurz. Wer noch nie eine Vollzeitstelle hatte oder seit Jahren nicht mehr im Berufsleben steht, wird kaum von heute auf morgen problemlos in eine 40-Stunden-Woche starten können. Nicht aus fehlendem Willen, sondern schlicht aus Überforderung. Gerade junge Menschen oder Langzeitarbeitslose müssen behutsam und schrittweise an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Druck, Drohungen und pauschale Sanktionen helfen hier nicht weiter. Vielmehr sollte der psychologische Aspekt stärker berücksichtigt werden: Wenn jemand nicht arbeiten möchte, lohnt es sich, die Gründe zu hinterfragen. Häufig steckt hinter der vermeintlichen "Unlust" ein tieferliegendes Problem, sei es gesundheitlicher, sozialer oder psychischer Natur.
Warum Sanktionen allein nicht helfen
Menschen sind keine Nummern, sondern Individuen. Die allermeisten beziehen Leistungen aus nachvollziehbaren Gründen. Nur ein kleiner Teil verweigert tatsächlich bewusst jede Arbeit. Doch um diese Minderheit herauszufiltern, braucht es differenzierte Verfahren. Pauschale Strafen treffen am Ende häufig genau diejenigen, die Unterstützung am dringendsten benötigen.
Hinzu kommt: Drohungen haben selten die gewünschte Wirkung. Wer sich ohnehin verweigert, könnte durch Sanktionen eher in die Illegalität gedrängt werden, statt ins Arbeitsleben zurückzufinden. Sinnvoller wäre es daher, Anreize zu schaffen, individuelle Lebenslagen genau zu prüfen und Betroffene als Menschen zu behandeln, nicht als "Schmarotzer" zu betiteln. Mit dieser Haltung steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Leistungsbezieher tatsächlich bereit wären, eine Arbeit aufzunehmen.
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