Bürgergeld, Industriegipfel, Haushaltsloch: Was Union und SPD im Koalitionsausschuss beschlossen haben
Während die Koalition mit einem 30-Milliarden-Loch im Haushalt kämpft, verspricht sie gleichzeitig Rettungsgipfel für die kriselnde Auto- und Stahlindustrie. Das Bürgergeld soll derweil reformiert werden. Das haben Union und SPD im Koalitionsausschuss beschlossen.
Erstellt von Tobias Rüster - Uhr
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- Koalitionsausschuss mit Friedrich Merz: Das plant der Bundeskanzler
- Bundeskanzler Merz will Bürgergeld zur "Grundsicherung" umbauen
- Koalition will mit Industrie- und Autogipfel die Arbeitsplätze retten
- 30-Milliarden-Loch im Haushalt - Klingbeil will Streit vermeiden
- Opposition zweifelt an Handlungsfähigkeit der Koalition
Nach einem schwierigen Start ihrer Regierungszeit haben Union und SPD beim ersten Koalitionsausschuss nach der Sommerpause weitreichende Reformen angekündigt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der zuletzt mehrere Umfrage-Rückschläge hinnehmen musste, stellte unter anderem eine grundlegende Überarbeitung des Bürgergelds in Aussicht, deren Eckpunkte noch dieses Jahr feststehen sollen. Die bisherige Sozialleistung soll zur "neuen Grundsicherung" werden. Schon zuvor hatte es Berichte über steigende Renten und Steuersenkungen gegeben.
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Koalitionsausschuss mit Friedrich Merz: Das plant der Bundeskanzler
Zur Bewältigung der Wirtschaftskrise plant die Regierung Spitzentreffen mit der Stahl- und Automobilindustrie im Kanzleramt. Die Sicherung von Arbeitsplätzen rückt damit ins Zentrum der Koalitionsarbeit. Das Bürgergeld soll derweil reformiert werden. Die Koalition legte indes keine konkrete Vorhabenliste vor, wie von manchen Beobachtern erwartet worden war.
- CSU-Chef Markus Söder, der kürzlich bei Markus Lanz deutliche Worte über Ex-Vizekanzler Robert Habeck fand, sprach davon, nach der "Sommerdepression der Koalition" eine "neue Herbst-Kraft" zu finden.
- Die Parteichefs räumten Fehler in den ersten 100 Regierungstagen ein und gelobten künftig konstruktivere Zusammenarbeit.
Bundeskanzler Merz will Bürgergeld zur "Grundsicherung" umbauen
Die von Merz angekündigte Reform des Bürgergelds nimmt konkrete Formen an. Der Kanzler erwartet, dass die wichtigsten Reformeckpunkte noch in diesem Jahr zwischen den Koalitionspartnern vereinbart werden.
- Die bisherige Sozialleistung soll künftig als "neue Grundsicherung" firmieren, wobei Missbrauch stärker kontrolliert werden soll. Menschen sollen verstärkt in Arbeit gebracht oder dorthin zurückgeführt werden.
Arbeitsministerin Bärbel Bas reagierte verhalten auf Merz' Forderung nach Einsparungen von fünf Milliarden Euro beim Bürgergeld.
- "Ich dämpfe immer die Erwartungen", sagte die SPD-Chefin. Sie machte deutlich, dass Einsparungen vom Wirtschaftsaufschwung abhingen.
- Wenn 100.000 Menschen zusätzlich in Beschäftigung kämen, ließen sich ein bis zwei Milliarden Euro einsparen.
- Bas betonte, sie habe Reformbedarf beim Bürgergeld nie bestritten: "Mich muss man hier auch nicht zum Jagen tragen."
- Nach tagelangen öffentlichen Auseinandersetzungen über die Sozialkosten hatten sich Merz und Bas am Vorabend des Koalitionsausschusses zum Abendessen getroffen. Die beiden hätten sich "bei zwei Bier" gut verständigt, berichtete die SPD-Chefin. Beide könnten mit deutlichen Worten umgehen, ergänzte der Kanzler.
Koalition will mit Industrie- und Autogipfel die Arbeitsplätze retten
Die Koalition setzt auf direkte Gespräche mit der kriselnden Industrie.
- Merz kündigte einen Stahlgipfel im Kanzleramt an, bei dem es darum gehe, die Stahlproduktion dauerhaft in Deutschland zu halten. Neben den Erzeugern sollen auch Arbeitnehmervertreter teilnehmen. Die Branche kämpft mit asiatischer Konkurrenz, hohen Energiekosten und verschärften US-Zöllen.
- Ein zweites Spitzentreffen plant der Kanzler mit der Automobilindustrie und ihren Zulieferern. "Deswegen lege ich Wert darauf, dass hier auch die Zulieferindustrie - und das sind ja zum Teil mittelständische Unternehmen - dabei sind", betonte Merz. Die Branche leidet unter Absatzschwäche, chinesischer Konkurrenz und dem Wandel zur E-Mobilität.
- Söder unterstrich die Bedeutung der Autoindustrie: "Jeder muss wissen: Ohne Auto wird Deutschland industriell nicht funktionieren." Man sei nicht bereit, China oder anderen Märkten die Zukunft zu überlassen.
30-Milliarden-Loch im Haushalt - Klingbeil will Streit vermeiden
Die größte Herausforderung der Koalition bleibt die gewaltige Finanzierungslücke im Bundeshaushalt 2027. Finanzminister Lars Klingbeil bezifferte das Defizit auf mehr als 30 Milliarden Euro - eine noch nie dagewesene Dimension. Die Koalition müsse schnellstmöglich ein Gesamtpaket zur Schließung dieser Lücke vorlegen. Klingbeil kündigte an, öffentliche Auseinandersetzungen bei den Haushaltsverhandlungen verhindern zu wollen.
- "Ich will darauf verzichten, dass wir im normalen Haushaltsaufstellungsverfahren für 2027 in nächtelange Koalitionssitzungen kommen und öffentlichen Streit zelebrieren", erklärte der SPD-Vorsitzende. Die Parteichefs würden zügig gemeinsame politische Entscheidungen treffen.
Der Finanzminister versprach gerechte Lösungen, räumte aber ein: "Wir alle werden uns sicherlich etwas abverlangen bei den Verhandlungen." Merz unterstrich, dass nicht nur der Haushalt 2027, sondern auch die Etats für 2028 und 2029 im Blick behalten werden müssten.
Opposition zweifelt an Handlungsfähigkeit der Koalition
Die Linke übte scharfe Kritik an den Ergebnissen des Koalitionsausschusses. Fraktionschefin Heidi Reichinnek warf Union und SPD Planlosigkeit vor.
- "Diese gezwungene Harmonieshow konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Koalition keinen Plan hat, wie sie die absehbaren riesigen Löcher in den Haushalten stopfen will", erklärte Reichinnek gegenüber den Funke-Zeitungen.
Auch die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner äußerte Zweifel an den Sozialreformplänen. Sie warnte davor, Bedürftigen die Verantwortung für ihre Lage zuzuschieben, anstatt ihnen wirkliche Perspektiven zu eröffnen.
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rut/news.de/dpa/stg
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