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Christian Lindner: Zoff um Sparpläne der Bundesregierung

Es hat lange gedauert, doch nun steht der Haushaltsentwurf des Bundes für das kommende Jahr: Es gibt 30 Milliarden Euro weniger zum Ausgeben. Und schon wird Kritik laut - am allgemeinen Sparkurs und an ganz konkreten Kürzungen.

Bundesfinanzminister verhängt Bundesregierung fetten Sparkurs. (Foto) Suche
Bundesfinanzminister verhängt Bundesregierung fetten Sparkurs. Bild: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Nach langen und schwierigen Verhandlungen will das Bundeskabinett an diesem Mittwoch den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2024 beschließen. Bundesfinanzminister Christian Lindner verhängt einen knallharten Sparzwang. Um die Schuldenbremse einzuhalten, sollen die Ausgaben des Bundes von 476,3 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 445,7 Milliarden Euro gesenkt werden. Die Streichliste ist lang. Vor allem die Kürzungen im sozialen Bereich stoßen auf großes Unverständnis.

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Das Familienministerium muss beim größten Posten des Etats, dem Elterngeld, Abstriche machen. Die Lohnersatzleistung sollen Spitzenverdiener nicht mehr bekommen, sondern nur noch Eltern, die zusammen nicht mehr als 150.000 Euro im Jahr verdienen. Bisher lag diese Grenze bei 300.000 Euro. Bei der geplanten Kindergrundsicherung konnte sich Ministerin Lisa Paus (Grüne) mit der gewünschten Summe von zwölf Milliarden Euro bisher nicht durchsetzen, Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat im weiteren Finanzplan zunächst nur zwei Milliarden Euro für 2025 als "Platzhalter" eingestellt.

Als Sparbeitrag fällt im Etat auch ein erst 2022 eingeführter Zuschuss für die Pflegeversicherung von einer Milliarde Euro weg. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte aber umgehend klar, dass es deshalb keine Leistungskürzungen geben werde. VdK-Sozialverband-Präsidentin Verena Bentele kritisierte, dass auch der für die gesetzliche Krankenversicherung vorgesehene Zuschuss niedriger als 2023 ausfalle und damit zu gering sei. Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU), der die Kürzungen wiederum für wenig zugkräftig hält, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch): "Tatsächlich handelt es sich bei den minimalen 'Einsparungen' vielfach nur um Verschiebungen der Belastung in die Sozialkassen."

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Außerdem sollen für 2023 500 Millionen Euro weniger für den Bildungsetat veranschlagt werden. Vor allem das Bafög ist davon betroffen. Zwar soll es keine Leistungskürzungen geben, Erhöhungen sind damit allerdings auch nicht drin. Auch bei der Bahn soll es Kürzungen geben. Wie der "Tagesspiegel" berichtet, soll der Konzern nur 20 statt ursprünglich 45 Milliarden Euro für die Sanierung des Schienennetzes bekommen. Für die geplante Verkehrswende dürfte das ein Rückschlag sein.

"Wirtschaftspolitisch kontraproduktiv!" Heftige Kritik an geplanten Kürzungen

Gewerkschaften und der Sozialverband VdK kritisieren die geplanten Einsparungen im Haushalt 2024 vor allem im Sozialbereich scharf. "Ein Kürzungskurs ist grundsätzlich unnötig, tendenziell unsozial und wirtschaftspolitisch schädlich", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der Deutschen Presse-Agentur. Die Regierung setze mit dem Haushalt ein falsches Signal. Kürzungen drückten direkt die Binnennachfrage und die Wirtschaftsleistung. "Das ist angesichts der aktuellen, prekären konjunkturellen Lage wirtschaftspolitisch kontraproduktiv."

VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Ein starker Sozialstaat ist das Fundament unserer Gesellschaft, wir dürfen nicht zulassen, dass es zu bröckeln beginnt und zerbricht." Sie forderte Nachbesserungen vor allem in den Bereichen der geplanten Kindergrundsicherung sowie bei den Zuschüssen für die Kranken- und Pflegeversicherung. "In Deutschland wachsen drei Millionen Kinder in Armut auf."

Dass ausgerechnet auch bei Pflege oder Elterngeld gespart werden soll, sei "weder sinnvoll noch überlegt", sagte der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann laut einer Mitteilung. "Die Ampel hat sich selbst in diese Lage gebracht, weil sie Steuererhöhungen ausschließt und in einem von Krieg und Inflation geprägten Jahr die Schuldenbremse schon für 2023 wieder scharfgestellt hat - das hat die nach der Krise nötigen Spielräume genommen." Körzell wurde noch deutlicher: "Die Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse", kritisierte er.

Der DGB-Vorstand forderte stattdessen zusätzliche Staatsausgaben und "massive Investitionen" etwa in Verkehr, Infrastruktur und Digitalisierung. "In China und den USA werden hunderte von Milliarden in Zukunftsinvestitionen gesteckt. Wenn Deutschland hier bremst, verliert es für lange Zeit den Anschluss."

FDP kritisiert Grüne an Einsparungen beim Elterngeld

Besonders pikant: Selbst die Regierungsparteien kritisieren die Sparmaßnahmen. Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt Verschlechterungen beim Elterngeld durch deutlich gesenkte Einkommensgrenzen strikt ab. "Ich halte es für falsch, dass wir an dieser Stelle genau diese Mittel jetzt kürzen", sagte der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr am Dienstag in Berlin. Das gelte insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung von Mann und Frau in der Familie. Diese würde sich mit dem Vorstoß von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) verschlechtern.Auch das Familienministerium müsse seinen Sparbeitrag leisten, sagte Dürr dazu. Dies könne aber beispielsweise dadurch geschehen, dass Paus "politisch fragwürdige und teilweise ineffiziente Programme" durchforstet. Auch plane Paus nach derzeitigem Stand, die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit um 240 Prozent zu erhöhen. "Bevor man bei Eltern kürzt, sollte man lieber im eigenen Ministerium sparen." Der Sparbeitrag von Paus sei im Vergleich zu anderen Ministerien ohnehin "sehr überschaubar".

Nach dem Kabinettsentscheid geht der Entwurf ins parlamentarische Verfahren. Dort gibt es in der Regel noch teils wesentliche Änderungen. Der Bundestag soll den Haushalt Anfang Dezember beschließen.

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/gom/news.de/dpa

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