Als Angela Merkel Ende September in einer Pressekonferenz vor 19.200 Neuinfektionen täglich zu Weihnachten warnte, warf man ihr Panikmache vor. Nun stellt sich heraus: Die Berechnungen der Kanzlerin waren noch optimistisch.

Ende September sorgte Angela Merkels Modellrechnung bei einer Pressekonferenz des CDU-Präsidiums für mächtig Aufsehen. Die Kanzlerin erklärte, dass sich die Fallzahlen seit Sommer dreimal verdoppelt hätten. Wenn sie sich bis Weihnachten erneut dreimal verdoppeln würden, wären wir zu Heiligabend bei circa 19.200 Neuinfektionen täglich. Damals schien das noch unvorstellbar - und so warf man der Kanzlerin Alarmismus und Panikmache vor. Dabei stimmten ihr Epidemiologen und Modellierer damals bereits zu. Mittlerweile zeigt sich: Die Kanzlerin hatte teilweise recht - doch ihre Rechnung war noch zu optimistisch.
Angela Merkel war von konstanter Wachstumsrate von 2,8 Prozent ausgegangen
Auch wenn der Wert von 19.200 Neuinfektionen täglich noch weit entfernt zu liegen scheint, verrät ein Blick auf die 7-Tages-Inzidenzen, dass er gar nicht so weit weg ist. Das berichtet"Focus online". Bei ihrer Berechnung war Angela Merkel von einer konstanten Wachstumsrate ausgegangen - das ist die Rate, die zu Beginn einer Pandemie zutrifft. Damals betrug die exponentielle Wachstumsrate laut "Focus online" etwa 2,8 Prozent.
Kanzlerin #Merkel zu einer Modellrechnung, die zeigt, warum es jetzt so wichtig ist, den Anstieg der Infektionszahlen einzudämmen. #Corona pic.twitter.com/LAzwps0wti
— Steffen Seibert (@RegSprecher) September 29, 2020
19.200 Neuinfektionen könnten bereits am 12. November eintreten
Mittlerweile hat die Pandemie aber an Geschwindigkeit zugelegt. Nach Berechnungen der "Focus"-Experten liegt die Wachstumsrate nun bei 5,6 Prozent - sie ist also etwa doppelt so hoch wie damals im September von der Kanzlerin angenommen. Das bedeutet, dass wir die berühmte Zahl von 19.200 Neuinfektionen pro Tag in Deutschland bereits am 12. November erreichen könnten - laut Statistik.
Das Merkel-Szenario vom 28. September - 19.200 #Corona-Fälle am Tag zu Weihnachten - unterstellte implizit ein tägliches Wachstum des 7-Tage-Schnitts von 2,786%(https://t.co/RkaRYGWOpe via @welt).
— Olaf Gersemann (@OlafGersemann) October 20, 2020
Tatsächlich war die Zuwachsrate seither doppelt so hoch (5,662%). pic.twitter.com/VJ169r0QDq
Anhand der Wachstumsrate von 5,6 Prozent und den durchschnittlichen 1.665 Neuinfektionen täglich Ende September (zum Zeitpunkt der Merkelschen Rechnung) würden wir laut "Focus online" am Heiligabend eine Zahl von circa 170.000 Neuinfektionen erreichen.
Andere Modelle gehen von 500.000 Neuinfektionen täglich aus
Es gibt auch Berechnungen, die von 500.000 Neuinfektionen täglich zur Weihnachtszeit ausgehen. Im Fall von Deutschland ist ein derart starker Anstieg vermutlich unwahrscheinlich, da die Bevölkerung sich im Angesicht derartiger Zahlen schon vorher zurückziehen und ihre Kontakte stark reduzieren würde. Damit würde das Wachstum schon vorher gebremst werden. Wie sich die Zahlen wirklich entwickeln werden, ist jedoch nicht sicher.
Was passiert, WENN das ungebremst so weiterläuft ... ????
— Olaf Gersemann (@OlafGersemann) October 16, 2020
Bei konstant R = 1,3 (= aktueller 7-Tage-Wert) und einem Ausgangspunkt von 4842 #Corona-Fällen am Tag (= aktueller 7-Tage-Schnitt) hätte man zu Weihnachten nicht die Merkel'schen 19.200 Fälle/Tag. Sondern 500.000.@welt pic.twitter.com/I9zfk9kZqY
Corona-Maßnahmen und Kontaktreduzierung können Anstieg verhindern
Dass die Zahlen tatsächlich so stark ansteigen, soll mit den aktuellen Maßnahmen wie Sperrstunden und Reduzierung der Personenanzahl auf Feiern verhindert werden. In ihrer Videoansprache rief die Kanzlerin am Wochenende die Bürger dazu auf, ihre Kontakte so gut es geht zu reduzieren. Wenn die deutsche Bevölkerung wie in der ersten Phase der Pandemie erneut mit Solidarität und Verantwortungsbewusstsein handelt, Kontakte reduziert und sich an die AHA-Regeln hält, kann ein derart starkes Wachstum noch verhindert werden.
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Wir sind in einer ernsten Phase der #Corona-Pandemie. Kanzlerin #Merkel appelliert an die Bürgerinnen und Bürger, ihre Kontakte deutlich zu verringern – und auf nicht notwendige Reisen und Feiern zu verzichten. pic.twitter.com/b4VmlsXS6a
— Steffen Seibert (@RegSprecher) October 17, 2020
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sig/loc/news.de