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Minderheitsregierung statt Schwarz-rot?: Renten-Zoff zermürbt Koalition - Union schmiedet schon Plan B

Bundeskanzler Friedrich Merz hat bekräftigt, allen Querelen zum Trotz bis 2029 mit der SPD regieren zu wollen - innerhalb der Union bereitet man sich Berichten zufolge jedoch schon auf den Koalitionsbruch und eine Minderheitsregierung vor. Bild: picture alliance/dpa | Harald Tittel

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  • Koalitionskrach um Rentenpaket schwelt weiter
  • Keine Einigung zwischen Union und SPD? Insider prophezeien Regierungsbruch und Minderheitsregierung
  • Schwarz-rot bald gescheitert? Union will gegenüber der SPD die Zügel anziehen

Die schwarz-rote Koalition steht vor einer gefährlichen Zerreißprobe: Mit lediglich zwölf Stimmen Mehrheit im Bundestag droht das Regierungsbündnis am weiter schwelenden Rentenstreit zu zerbrechen. Nun steht die Frage im Raum, wie es nach dem Aus von Schwarz-rot in der Bundesregierung weitergehen soll - die "Bild" will aus der Union erfahren haben, dass man sich bereits auf einen Bruch mit der SPD und den Übergang zu einer Minderheitsregierung einstelle, auch wenn Bundeskanzler Friedrich Merz bislang nachdrücklich betonte, die Regierungsgeschäfte mit der SPD bis 2029 weiterführen zu wollen.

Union und SPD im Clinch wegen Rentenpaket - zerbricht Schwarz-rot am Rentenstreit?

Der Konflikt entzündet sich am geplanten Rentenpaket: Im Kern geht es bei der Debatte um die sogenannte Haltelinie bei der Rente, also das Absicherungsniveau der Rente im Verhältnis zu den Löhnen. Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart, diese Haltelinie für das Rentenniveau bei 48 Prozent bis 2031 zu verlängern. Das bedeutet, dass die durchschnittliche Rente mindestens 48 Prozent des durchschnittlichen Lohns eines Arbeitnehmers betragen soll - nach Abzug der Sozialabgaben, aber vor Steuern. Dafür sollen Milliardensummen aus dem Bundeshaushalt zusätzlich in die Rentenkassen fließen. Das Rentenniveau ist nur eine Rechengröße. Sie setzt Renten nach 45 Beitragsjahren mit Durchschnittsverdienst ins Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn. Das sagt nichts über die eigene Rente, ist aber ein Orientierungswert.

In dem vom Kabinett und damit auch von Kanzler Merz beschlossenen Rentengesetzentwurf ist vorgesehen, dass auch nach 2031 das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht liegen soll. Genau an dieser Formulierung stößt sich die Junge Gruppe der Unionsabgeordneten im Bundestag. Der Unions-Nachwuchs moniert, dass das nicht im schwarz-roten Koalitionsvertrag vereinbart worden ist und 118 Milliarden Euro zusätzlich kosten würde. Bislang ist noch kein fester Schutz für das Rentenniveau nach 2031 vorgesehen. Sollte der CDU-CSU-Nachwuchs bei seiner Verweigerungshaltung bleiben, verfügt die Koalition bei der entscheidenden Abstimmung über keine eigene Mehrheit mehr. Die Lage ist so ernst, dass in Unionskreisen bereits über alternative Regierungsmodelle nachgedacht wird, wie die "Bild" berichtet.

Friedrich Merz plant Entschärfung von Rentenstreit: So sieht das Kompromissangebot des Kanzlers aus

Bundeskanzler Friedrich Merz versucht, die CDU-Jungpolitiker mit einem Kompromissangebot zu besänftigen. In der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" kündigte er die Einsetzung einer Rentenkommission noch in diesem Jahr an. Die Kritiker des aktuellen Rentenpakets sollen dabei eingebunden werden. "Die wird auch so besetzt werden, dass diejenigen, die das jetzt alles kritisch sehen, mit dabei sind", versprach der CDU-Chef. Die Kommission soll bis zur Sommerpause 2026 Reformvorschläge für die Zeit nach 2031 erarbeiten. Anschließend würde unmittelbar das Gesetzgebungsverfahren beginnen. Als weiteres Zugeständnis stellte Merz einen Begleittext zum aktuellen Gesetzentwurf in Aussicht. In einem Entschließungsantrag könnten die geplanten Reformschritte festgehalten werden. Der Kanzler signalisierte Gesprächsbereitschaft mit der SPD über diesen Vorschlag.

SPD blockt im Renten-Zoff - Klingbeil erteilt Nachverhandlungen klare Absage

Die Sozialdemokraten zeigen sich unnachgiebig. SPD-Chef Lars Klingbeil erteilte allen Hoffnungen auf Änderungen am Rentenpaket eine klare Absage. "Ich sage euch in aller Klarheit: An diesem Gesetz wird nichts mehr geändert", stellte der Vizekanzler unmissverständlich klar. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer warf der Union vor, in einer zentralen Frage "Chaos" zu verursachen. Er forderte Klarheit über die tatsächliche Position der Union und mahnte Verlässlichkeit in der Koalition an. Die SPD habe bei vielen für die Union wichtigen Punkten Kompromisse gemacht. Auch innerhalb der Union dämpfte Fraktionschef Jens Spahn die Erwartungen der Rebellen. Die Rentenvereinbarung sei ein zentraler Kompromiss gewesen. Das Thema habe für die SPD beim Koalitionseintritt ähnliche Bedeutung gehabt wie für die Union der Politikwechsel in der Migration.

Wie geht's weiter, wenn Schwarz-rot scheitert? Union schmiedet offenbar Plan für Minderheitsregierung

In der Union werden Szenarien für eine Minderheitsregierung durchgespielt. Laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" glaubt in der Partei niemand an Neuwahlen nach einem Koalitionsbruch. Stattdessen würde Merz vermutlich als Kanzler einer Minderheitsregierung weitermachen. Die AfD signalisiert bereits Unterstützungsbereitschaft. Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann erklärte gegenüber der FAZ, seine Partei werde "guten Lösungen zustimmen, wenn sie Deutschland sofort helfen". Dabei nannte er Asyl, Klima, Steuern und Sozialpolitik als mögliche Kooperationsfelder. Vorbedingungen würde die AfD nicht stellen.

Merz hatte bereits im Januar einen Migrationsbeschluss mit AfD-Stimmen durchgesetzt. Damals rechtfertigte er sich mit den Worten: "Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen." Diese Argumentation könnte er bei einer Minderheitsregierung wiederholen.

Welche Risiken drohen der Union bei einer Minderheitsregierung?

Die Risiken einer Minderheitsregierung sind in der Union durchaus bewusst. Teile von CDU und CSU befürchten massive interne Verwerfungen. CSU-Innenminister Alexander Dobrindt bezeichnete ein solches Szenario als "selbstmörderisch". Politiker wie NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst nennen die AfD eine "Nazipartei". In Unionskreisen wird über mögliche Abspaltungen spekuliert - die Schätzungen reichen von sechs bis dreißig Prozent. Fraktionschef Spahn warnte die SPD bereits: "Wir werden nicht gemeinsam sterben mit denen." Dies wurde als Signal verstanden, dass die Union notfalls eigene Wege gehen würde. Ein Koalitionsbruch könnte die SPD in den "antifaschistischen Kampfmodus" treiben, wie die FAZ berichtet. Linke, Grüne und Sozialdemokraten würden geschlossen Opposition betreiben. Bei vorgezogenen Neuwahlen könnte sogar eine rot-rot-grüne Mehrheit entstehen - ein Albtraumszenario für die Union.

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