
- Arbeitnehmer sehen sich Beitragserhöhungen ausgeliefert
- Der künftige Kanzler Merz kann die Befürchtungen nicht entkräften
- DAK-Chef Storm prognostiziert drohenden "Beitragstsunami"
Arbeitnehmer in Deutschland müssen sich auf deutlich steigende Sozialabgaben einstellen. Experten warnen, dass die Gesamtsozialversicherungsbeiträge von aktuell etwa 42 Prozent auf bis zu 46 Prozent in den kommenden Jahren ansteigen könnten. In einem Interview mit "Bild" kann der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz die Befürchtungen nicht gänzlich relativieren.
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Merz: "Befürchtungen sind nicht unberechtigt"
Im Interview mit der Bild gestand der CDU-Politiker ein: "Die Befürchtung ist aus heutiger Sicht sicherlich nicht unberechtigt." Merz kündigte jedoch an, für eine Trendwende sorgen zu wollen. Zunächst rollt auf Deutschlands Arbeitnehmer aber eine Welle von Beitragserhöhungen zu. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnt vor ernsten Finanzierungsschwierigkeiten. "Die neue Koalition steuert in ernsthafte Finanzierungsschwierigkeiten hinein", sagte IW-Steuer- und Sozialexperte Jochen Pimpertz der Deutschen Presse-Agentur. Besonders die steigenden Kosten für Rente und Gesundheit treiben die Belastung nach oben.
Kosten für Rente und Gesundheit lassen die Beiträge in die Höhe schießen
Schon jetzt liegen die Sozialabgaben für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam bei 42,3 Prozent des Einkommens. Laut Pimpertz, der sich auf eine Studie des IGES-Forschungsinstituts beruft, könnte dieser Satz in den kommenden Jahren auf nahezu 46 Prozent steigen. Besonders bei der Rente sehen Union und SPD einen Kurswechsel vor. Im Koalitionsvertrag haben die Partner zugesagt, das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent des Durchschnittslohns zu sichern. Nach Berechnungen von Experten könnte der Rentenbeitrag von derzeit 18,6 Prozent bis 2027 auf 19,7 Prozent steigen und weiter auf 21,2 Prozent im Jahr 2035. Auch die Gesundheitsausgaben steigen schneller als die Einnahmen. Für 2025 kalkulieren Experten mit einem Anstieg der GKV-Ausgaben um 6,8 Prozent, während das Wachstum der Einnahmen aus dem allgemeinen Beitragssatz nur noch 5,1 Prozent betragen soll. Der tatsächlich verlangte, durchschnittliche Zusatzbeitrag 2025 liegt bereits jetzt über dem offiziellen Satz von 2,5 Prozent.
Finanzielle Auswirkungen für Arbeitnehmer
Die steigenden Sozialabgaben werden für Arbeitnehmer deutlich spürbare finanzielle Folgen haben. Ein Beschäftigter mit einem Monatsgehalt von 4000 Euro zahlt derzeit etwa 850 Euro an Sozialabgaben. Nach den Prognosen würden künftig etwa 75 Euro mehr im Monat fällig, was einer jährlichen Mehrbelastung von 900 Euro entspricht.
Noch drastischer fallen die Berechnungen bei einer Kombination aus steigenden Krankenversicherungs- und Rentenbeiträgen aus. Bei einem Anstieg des Gesamtsozialversicherungssatzes von 41,9 auf 45 Prozent würde die monatliche Zusatzbelastung für einen Arbeitnehmer mit 4000 Euro Monatseinkommen 62 Euro betragen. Zusammen mit der wahrscheinlichen Erhöhung der Rentenbeiträge könnte sich die jährliche Mehrbelastung auf bis zu 1368 Euro summieren.
"Beitragstsunami" zum Jahreswechsel
Der Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, warnt vor dramatischen Beitragserhöhungen. "Wenn nicht nachgelegt wird, dann ist mit diesem Koalitionsvertrag ein Beitragstsunami vorprogrammiert", sagte Storm der Augsburger Allgemeinen. In der Pflegeversicherung steht noch in diesem Jahr ein Beitragsanstieg bevor. Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung ist spätestens zum Jahreswechsel mit einer massiven Erhöhung des Zusatzbeitrags zu rechnen. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung sei ein Anstieg um mindestens einen halben Beitragssatzpunkt zu erwarten. "In Verbindung mit steigenden Pflegeversicherungsbeiträgen bewegen wir uns dann in Richtung eines Gesamtsozialversicherungsbeitrags von 43 Prozent", warnte Storm. Dies sei nicht nur eine Zumutung für versicherte Beschäftigte, Rentner und Arbeitgeber, sondern auch "Gift für die Konjunktur".
Kritik am Koalitionsvertrag
Dem Koalitionsvertrag von Union und SPD fehlt nach Ansicht von IW-Experte Pimpertz "eine grundlegende Weichenstellung", wie mit den wachsenden finanziellen Problemen umgegangen werden soll. Die Vereinbarungen der neuen Regierung bieten keine ausreichenden Lösungsansätze für die drohenden Beitragserhöhungen. Besonders problematisch: Eine schwächere Wirtschaftsentwicklung könnte zu einem Wachstum der beitragspflichtigen Einkommen führen, das hinter der Ausgabenentwicklung zurückbleibt. Damit drohe eine "Negativspirale", warnt der Ökonom.
Schon jetzt fließen jährlich rund 113 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkasse – das entspricht etwa einem Viertel des gesamten Haushalts. Um das im Koalitionsvertrag zugesagte Rentenniveau von 48 Prozent des Durchschnittslohns bis 2031 zu sichern, wären angesichts der alternden Bevölkerung jedoch stetig wachsende Steuerzuschüsse notwendig.
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