Notruf-Wucher: Rettungseinsätze sollen Patienten bald Hunderte Euro kosten
Ab Januar 2026 sollen Patienten in Essen 267 Euro aus eigener Tasche zahlen, wenn sie einen Rettungswagen rufen. Die Stadt warnt: Wer einmal eine solche Rechnung erhält, zögert beim nächsten Notfall vielleicht, die 112 zu wählen.
Erstellt von Felix Schneider - Uhr
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- Die Eigenbeteiligung an Einsätzen von Rettungswägen soll in NRW teurer werden
- Essen hat beschlossen, dass Patienten ab Januar 267 Euro selbst zahlen sollen
- Eine Härtefall-Regelung soll denen helfen, die nicht dafür aufkommen können
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Der Essener Stadtrat hat am 10. Dezember 2025 eine weitreichende Satzungsänderung beschlossen: Ab Januar 2026 müssen Patienten bei Rettungswagen-Einsätzen einen Eigenanteil von 267 Euro aus eigener Tasche bezahlen, wie aus einer Pressemeldung hervorgeht. Essen nennt damit als erste Kommune in Nordrhein-Westfalen einen konkreten Betrag für die drohenden Patientenkosten. Doch auch weitere Kreise und Großstädte im Bundesland haben bereits ähnliche Regelungen angekündigt.
Streit um Kosten von Rettungseinsätzen eskaliert
Auslöser der drastischen Maßnahme ist ein festgefahrener Konflikt zwischen Kommunen und Krankenkassen über die Finanzierung des Rettungswesens. Im Mittelpunkt steht die Frage, wer für sogenannte Fehlfahrten aufkommt. Diese entstehen, wenn Rettungswagen ausrücken, am Ende aber kein Patient ins Krankenhaus transportiert wird.
Nach Angaben der Kommunen betrifft dies bis zu ein Viertel aller Einsätze. Bislang wurden diese Kosten einfach auf die tatsächlichen Fahrten umgelegt. Die Krankenkassen wollen das jedoch nicht mehr akzeptieren und verweisen auf geltendes Bundesrecht. Demnach dürfen sie ausschließlich Kosten übernehmen, die direkt der Versorgung ihrer Versicherten dienen. Für alle anderen Ausgaben seien die Kommunen selbst verantwortlich.
Ein einzelner Einsatz kostet 1.020 Euro
Die Stadtverwaltung Essen hat erstmals eine detaillierte Kostenaufstellung vorgelegt. Laut Gebührenordnung schlägt ein einzelner Rettungswagen-Einsatz mit 1.020 Euro zu Buche. Diese Rechnung geht zunächst weiterhin an die jeweilige Krankenkasse des Patienten. Allerdings rechnet die Stadt damit, dass die Kassen ab dem kommenden Jahr nur noch einen Teil dieser Summe begleichen werden. Die verbleibenden 267 Euro müssen dann per Gebührenbescheid von den Betroffenen selbst eingefordert werden.
Der Rhein-Sieg-Kreis kommt zu einer vergleichbaren Einschätzung. Dort geht die Kreisverwaltung davon aus, dass die Krankenkassen Rettungsfahrten künftig nur noch zu rund 70 Prozent finanzieren werden. Konkrete Eurobeträge nannte der Kreis bislang nicht.
Stadt Essen hat "keine andere Möglichkeit"
Essens Ordnungsdezernent Christian Kromberg äußerte sich gegenüber der "WAZ" selbstkritisch zur Entscheidung: "Ich sehe diese Lösung selbst sehr kritisch, aber mir bleibt im Moment keine andere Möglichkeit, als das auf die Bürger abzuwälzen."
Für die Kommunen steht viel auf dem Spiel: Sollten die Kassen ihre Ankündigung wahrmachen, bleiben Städte und Kreise in NRW laut Städtetag auf mindestens 250 Millionen Euro pro Jahr sitzen. Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium sieht derzeit keine rechtliche Handhabe, die Krankenkassen zur Übernahme der Fehlfahrten-Kosten zu zwingen.
Patienten könnten beim Notruf zögern
Der Städtetag NRW drängt auf schnelles Eingreifen von Bund und Land. Nur die Bundespolitik könne die bestehenden Gesetzeslücken schließen, argumentieren die Kommunen. Bereits zwei Reformversuche zur Notfallversorgung seien seit 2019 auf Bundesebene gescheitert.
Die Essener Stadtverwaltung warnt vor gravierenden Folgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Wer eine derart hohe Rechnung für einen Rettungseinsatz erhalte, werde beim nächsten medizinischen Notfall möglicherweise zögern, die 112 anzurufen. Zumindest für einige ein Trostpflaster:Die Stadt hat ebenfalls beschlossen, dass für Menschen, die sich diese Summen nicht leisten können, eine Härtefallregelung geschaffen wird.
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