Wolodymyr Selenskyj News: Wahlen in der Ukraine? Ein taktischer Schachzug Selenskyjs

US-Präsident Trump setzt mit seinem Friedensplan die Ukraine unter Druck. Doch bestimmte Dinge sind für Kiew nicht verhandelbar. Selenskyj macht ein Zugeständnis an anderer Stelle.

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Aktuelle Nachrichten über Wolodymyr Selenskyj lesen Sie auf news.de. Bild: picture alliance | Efrem Lukatsky

In der Ukraine hieß es bislang, dass unter Kriegsrecht nicht gewählt werden darf - auch wenn die Amtszeit von Präsident Wolodymyr Selenskyj und des Parlaments seit 2024 abgelaufen sind. Nun spricht Selenskyj doch von einem Weg zu Wahlen. Macht dies eine Neuordnung der ukrainischen Politik wahrscheinlicher? Fragen und Antworten zum Thema:

Woher kommt die Forderung nach Wahlen in der Ukraine?

Die Darstellung, dass die ukrainische Führung illegitim sei und gewählt werden müsse, stammt ursprünglich aus Moskau. Kremlchef Wladimir Putin sieht Selenskyj seit langem nicht als Partner für eine Einigung: "Verhandeln kann man, mit wem man will, nur wegen seiner Illegitimität hat er nicht das Recht, irgendwas zu unterschreiben."

US-Präsident Donald Trump und andere Mitglieder seiner Administration haben das Argument der fehlenden Wahlen aufgegriffen und nutzen es als Druckmittel gegen Kiew. "Als Diktator ohne Wahlen sollte Selenskyj besser schnell handeln, sonst wird er kein Land mehr haben", höhnte Trump im Februar in seinem Netzwerk Truth Social. In seinem jüngsten Interview mit "Politico" wiederholte er die Forderung nach Neuwahlen in der Ukraine.

Warum hat die Ukraine bislang im Krieg nicht wählen lassen?

Seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar 2022 gilt in der Ukraine das Kriegsrecht. Das Gesetz über das Kriegsrecht verbietet in Artikel 19 die Durchführung von Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen. Zusätzlich sieht Artikel 83 der Verfassung Parlamentswahlen erst nach der Aufhebung des Kriegsrechts vor. Das Gesetz zum Kriegsrecht ist durch einen einfachen Parlamentsbeschluss änderbar. Verfassungsänderungen sind während des Kriegsrechts in Artikel 157 verboten. Angesichts dieser Rechtslage akzeptieren die europäischen Partner, dass Selenskyj Präsident ist und bleibt.

Ein Argument gegen Wahlen ist die fehlende Sicherheit vor allem in frontnahen Gebieten. Wahlurnen in die vordersten Linien zu bringen oder eine Öffnung von Wahllokalen unter russischem Beschuss ist schwer vorstellbar. Die Teilnahme von mehreren Millionen ukrainischer Staatsbürger in den von Russland besetzten Gebieten ist kaum realisierbar. Für Millionen Flüchtlinge im Ausland wäre eine Abstimmung schwierig. Die Konsulate wären schlichtweg überfordert, und Briefwahl ist im ukrainischen Wahlgesetz nicht vorgesehen.

Warum bringt Selenskyj jetzt Wahlen ins Gespräch?

Das dürfte vor allem ein taktischer Schachzug gegenüber Trump sein. In Gesprächen über einen Friedensplan sind die USA und die Ukraine uneins in zentralen Fragen wie Sicherheitsgarantien und Territorien. Also kommt Selenskyj dem Weißen Haus in einem anderen Punkt entgegen. "Zu Wahlen bin ich bereit", sagte er. Er klammere sich nicht an sein Amt.

Zugleich spielt er den Ball zurück: Wahlen seien nur möglich, wenn die USA und Europa für deren Sicherheit sorgten. Aus Selenskyjs Sicht könnte dies der Einstieg in die langersehnten Schutzmaßnahmen der westlichen Partner sein. Das Risiko für Selenskyj ist allerdings, dass Trump ihn nach diesem verbalen Zugeständnis beim Wort nimmt und immer wieder Wahlen fordert.

Welches Verfahren schlägt Selenskyj vor?

Konkret hat Selenskyj nichts angeboten. Vielmehr hat er die Entscheidung und damit die weitere Verantwortung an das Parlament delegiert. Die Fraktion seiner Partei Diener des Volkes soll Gesetzesänderungen für Präsidenten- und Kommunalwahlen ausarbeiten. Bei der Präsidentenwahl sieht das geltende Gesetz zwischen Ansetzung und Urnengang eine Frist von 90 Tagen vor. Bei Kommunalwahlen ist diese mit 60 Tagen kürzer. Ob sich im Parlament eine Mehrheit für die Gesetzesänderungen findet, ist unsicher - zumal Selenskyjs Position nach den jüngsten Korruptionsskandalen angeschlagen ist.

Macht dies baldige Wahlen in der Ukraine wahrscheinlicher?

Wahlen sind weiter unwahrscheinlich, da allein die Sicherheitsfrage kaum zufriedenstellend gelöst werden kann. Russland müsste für die Zeit des Wahlkampfes und des Wahltermins eine Waffenruhe garantieren. Moskau hat mehrfach erklärt, dass dies nicht infrage kommt. Kiew würde diese Zeit nur nutzen, um Kräfte zu sammeln, um den Krieg danach fortzusetzen, hieß es.

Wie sehen erste Reaktionen in Kiew und Moskau aus?

Moskau begrüßte die erklärte Bereitschaft zu Wahlen in der Ukraine. Dies sei "ziemlich neu" und decke sich mit Forderungen, die Putin schon länger erhoben habe, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, erklärte indes, Wahlen unter dem Schutz der USA seien ein Marionettentheater und nicht demokratisch.

In Kiew warnte der oppositionelle Politologe Olexij Holobuzkyj vor einer Destabilisierung durch einen möglichen Wahlkampf. "Ein Wahlkampf ist immer mit Skandalen, Enthüllungen, Anschuldigungen und der Diskreditierung praktisch aller Beteiligten verbunden", schrieb er bei Telegram. Zu befürchten sei, dass derjenige gewinne, der am ehesten Frieden verspricht. "Von Wahlen vor dem Lauf einer Pistole erwarte ich nichts Gutes", schloss er.

Im Parlament gab es unterschiedliche Reaktionen. Ein Abgeordneter der Selenskyj-Partei, Danylo Hetmanzew, schrieb auf Telegram, dass Wahlen für die Beantwortung prinzipieller Fragen wie Krieg, Frieden und die Zukunft des Landes notwendig seien. Dabei müsse jedoch die Sicherheit des Urnengangs gewährleistet sein. Auf Oppositionsseite lehnte Olexij Hontscharenko von der Partei Europäische Solidarität Wahlen im Krieg ab. "Zuerst Frieden, dann Wahlen", schrieb er in sozialen Netzwerken.

Umfragen zufolge hätte Selenskyj je nach Gegenkandidaten keine schlechte Chance auf eine Wiederwahl. Populär wäre auch der frühere Oberbefehlshaber der Armee und derzeitige Botschafter in London, Walerij Saluschnyj.

+++ Redaktioneller Hinweis: Diese Meldung wurde basierend auf Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erstellt. Bei Anmerkungen oder Rückfragen wenden Sie sich bitte an hinweis@news.de. +++

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