Türkei und Libanon: Erste Auslandsreise: Papst Leo XIV. vor wichtiger Bewährungsprobe

Mehr als ein halbes Jahr hat sich der neue Papst Zeit gelassen. Nun reist er in zwei Länder, die trotz ihrer geografischen Nähe sehr unterschiedlich sind. Die Türkei und der Libanon erwarten Signale.

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Papst Leo XIV., der US-Amerikaner Robert Prevost, winkt nach dem Konklave auf dem Balkon des Petersdoms im Vatikan. (Foto) Suche
Papst Leo XIV., der US-Amerikaner Robert Prevost, winkt nach dem Konklave auf dem Balkon des Petersdoms im Vatikan. Bild: picture alliance/dpa/AP | Alessandra Tarantino

In der türkischen Stadt Iznik, etwa zwei Autostunden südlich von Istanbul, laufen die Vorbereitungen schon seit Monaten. Eigentlich erwartete die verschlafene Kleinstadt am Iznik-See bereits im Frühjahr höchsten Besuch: Der im April gestorbene Papst Franziskus hatte eine Visite der byzantinischen Stadt Nicäa, heute Iznik, zum 1.700-jährigen Jubiläum des ersten ökumenischen Konzils von Nicäa fest eingeplant. Nun holt sein Nachfolger dies nach.

Papst Leo XIV. - seit Mai im Amt - bricht am Donnerstag zu seiner ersten Auslandsreise auf. Neben der Türkei besucht das Oberhaupt von weltweit 1,4 Milliarden Katholiken auf seiner sechstägigen Reise zudem den Libanon.

Das runde Konzilsjubiläum ist der zentrale Grund, warum Leo die Türkei für seine erste Reise ins Ausland ausgewählt hat. Im Jahr 325 nach Christus trafen sich in Nicäa Vertreter fast aller christlichen Konfessionen zur Klärung zentraler Glaubensfragen. Das Konzil einigte sich damals unter anderem auf das Glaubensbekenntnis, das viele Christen noch heute im Gottesdienst sprechen.

Zwei politisch brisante Ziele bei erster Reise

Gemeinsam mit Würdenträgern anderer Kirchen will Leo an der Ruine der Basilika des Heiligen Neophytos aus dem vierten Jahrhundert beten, "aber nicht um zurückzuschauen, sondern um nach vorn zu schauen" und um ein Zeichen von "Einheit im Glauben" zu setzen, wie er erklärte. Die Grundmauern der zerstörten Basilika auf dem Grund des Iznik-Sees wurden 2014 entdeckt.

Für seine Reise hat sich Leo gleich zwei politisch brisante Ziele ausgesucht. Im Mittelpunkt des Türkei-Teils steht einerseits die Begegnung mit den Ostkirchen und dem geistlichen Oberhaupt der orthodoxen Christen, dem Patriarchen von Konstantinopel (Istanbul) Bartholomaios I. Auf dem Programm steht andererseits aber auch ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der seit inzwischen mehr als zehn Jahren im Amt ist.

Kein Besuch in Hagia Sophia geplant

Religionsfreiheit ist in der Türkei in der Verfassung verankert, aber in der Praxis eingeschränkt. Erdogan und seine islamisch-konservative AKP-Regierung fördern zudem eine stärkere Präsenz des Islams im öffentlichen Leben. So wurden mit der Zeit zahlreiche Kirchen im Land zu Moscheen umgewandelt.

Prominentestes Beispiel ist die Hagia Sophia mitten in Istanbul. Die frühere Kathedrale wurde 2020 in eine Moschee umgewandelt, nachdem sie seit 1934 ein Museum gewesen war. Anders als seine Vorgänger Benedikt XVI. (2006) und Franziskus (2014), die sie bei ihren Türkei-Reisen besuchten, lässt Leo die Hagia Sophia bei seiner Visite aus.

Libanon konfessionell stark gespalten

Mit gut 180.000 Gläubigen ist die christliche Gemeinschaft in der Türkei bei einer Bevölkerung von inzwischen rund 85 Millionen eine kleine Minderheit. Anders verhält es sich in Leos zweitem Reiseziel: Im Libanon - dem einzigen arabischen Staat mit multireligiöser und multikultureller Prägung - sind etwa 30 Prozent der Bevölkerung Christen. Etwa 70 Prozent sind Muslime, jeweils etwa zur Hälfte Anhänger der schiitischen und sunnitischen Strömung.

In der Vergangenheit sorgte die religiöse Vielfalt zu Konflikten. Während des Bürgerkriegs von 1975 bis 1990 mit schätzungsweise 150.000 Toten bekämpften sich Konfessionen in wechselnden Gefechtsfronten und Bündnissen. Auch innerhalb konfessioneller Gruppen kam es zu Kämpfen.

Sicherheitslage extrem angespannt

Den Libanon hatte zunächst kaum jemand als Reiseziel auf der Agenda - zu angespannt war die Lage in der Region. Nach dem Krieg zwischen der libanesischen Hisbollah-Miliz und Israel hatte sich die Lage anfangs etwas beruhigt: Seit einem Jahr gilt eine Waffenruhe. Zuletzt haben sich die Spannungen aber wieder verschärft. Israel greift nahezu täglich Ziele im Südlibanon an, kürzlich auch wieder in den südlichen Beiruter Vororten.

Insbesondere vor diesem Hintergrund wird im Libanon die Reise des Papstes als Zeichen der Hoffnung auf Frieden und Stabilität gesehen. Im ganzen Land wurden inzwischen an neu instand gesetzten Straßen Schilder mit der Aufschrift "Der Libanon will Frieden" angebracht. Leo kommt tatsächlich mit einer klaren Mission: Er wolle die "Friedensbotschaft im Nahen Osten erneut verkünden - in einem Land, das so sehr gelitten hat", sagte er.

Bewährungsprobe für neuen Papst

Im Libanon warten in vielerlei Hinsicht komplizierte Themen auf Leo: Das Land steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Die Machtverteilung zwischen den Konfessionen befeuert Korruption und politische Misswirtschaft. Nach Schätzungen leben rund 60 Prozent der Bevölkerung in Armut. Vor allem die Sicherheitslage setzt dem Land schwer zu.

Die Erwartungen an Leo sind jedenfalls groß. Der immer noch recht neue Papst, immerhin erst gut ein halbes Jahr im Amt, wird hier - aber auch in der Türkei - unter Beweis stellen müssen, ob er sich auf diesem schwierigen Parkett bewegen kann. Die Gastgeber, aber auch die arabischen Nachbarstaaten und Israel in unmittelbarer Nähe werden jede Äußerung genau registrieren.

Es wird aber auch genau beobachtet, wie sich der Pontifex abgesehen von Diplomatie auf seiner ersten Auslandsreise menschlich geben wird. Leo tritt dabei in große Fußstapfen: Auf Reisen hat Vorgänger Franziskus - für seine Menschennähe bekannt - das Bad in der Menge immer wieder genossen. Leo trat bisher eher zurückhaltend und bisweilen distanziert auf.

+++ Redaktioneller Hinweis: Diese Meldung wurde basierend auf Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erstellt. Bei Anmerkungen oder Rückfragen wenden Sie sich bitte an hinweis@news.de. +++

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