Friedrich Merz: Wenn Wahrnehmung Politik wird - der Kanzler-Satz, der Deutschland spaltet

Ein Satz und Deutschland diskutiert. Merz' Bemerkung über das "Stadtbild" sorgt für Empörung, Zustimmung und den Verdacht: Der Kanzler weiß genau, was er da tut. Ein Kommentar.

Von news.de-Redakteurin - Uhr

Friedrich Merz spaltet mit seiner "Stadtbild"-Aussage die Bundesrepublik. (Foto) Suche
Friedrich Merz spaltet mit seiner "Stadtbild"-Aussage die Bundesrepublik. Bild: picture alliance/dpa | Marijan Murat
  • Kanzler Merz löst mit seiner Bemerkung über das "Stadtbild" eine Empörungswelle - und zugleich Zustimmung von 63 Prozent der Deutschen - aus.
  • Kritiker werfen ihm vor, gezielt an der Grenze zum Ressentiment zu spielen. Ein "bewusstes Manöver", so Demokratieforscher Oliver Decker.
  • Während Ältere mehrheitlich zustimmen, reagiert die junge Generation distanzierter und irritiert.

Friedrich Merz hat erneut in ein Wespennest gestochen und das war vermutlich kein Zufall.
Mit seiner Bemerkung über das "Stadtbild" und dem Hinweis, man möge doch "die Töchter fragen", hat der Kanzler eine Welle der Empörung ausgelöst und zugleich Zustimmung von fast zwei Dritteln der Bevölkerung erhalten. 63 Prozent sagen laut ZDF-Politbarometer: Er hat recht.

Friedrich Merz entfacht neue Debatte um Migration und Identität

Das ist bemerkenswert – und beunruhigend zugleich. Denn Merz hat etwas ausgesprochen, das viele offenbar fühlen, aber nicht offen sagen. Seine Worte über Migranten, die "nicht arbeiten" und "das Stadtbild bestimmen", bedienen tief sitzende Ängste, ohne sie klar zu benennen. Er sagt gerade so viel, dass man ihm folgen kann, aber so wenig, dass er sich jederzeit herausreden könnte. Ein rhetorisches Kunststück oder ein kalkulierter Spagat zwischen Mitte und rechter Flanke.

Der Leipziger Demokratieforscher Oliver Decker nennt das "ein bewusstes Manöver". Merz bewege sich "mit Absicht an einer Grenzlinie". Genau dort, wo Ressentiments anfangen, aber der offene Tabubruch noch vermieden wird. Es ist ein gefährliches Spiel – mit Worten, mit Wahrnehmungen, mit politischen Rändern.

Sichtbarkeit statt Ursachen – wie Merz' Worte wirken

Natürlich gibt es reale Probleme mit Integration, mit Rechtsstaatlichkeit, mit Rückführungen. Niemand bestreitet das. Aber Merz' Formulierung "im Stadtbild" legt etwas anderes nahe. Sie lenkt den Blick auf das Sichtbare, auf Hautfarbe, Kleidung, Anderssein. Auf das, was man sieht, nicht auf das, was tatsächlich geschieht.

Und während sich 63 Prozent Zustimmung gut anhören, verrät der Blick in die Details mehr: Nur 42 Prozent der Jüngeren teilen die Einschätzung des Kanzlers. In der Generation, die mit Vielfalt aufgewachsen ist, wirkt seine Wortwahl fremd, alt, abschreckend.

Merz hat recht, wenn er sagt: Deutschland braucht Einwanderung – für den Arbeitsmarkt, für die Zukunft. Aber er riskiert, dass das Misstrauen gegen Einwanderung wächst, wenn er sie in einem Atemzug mit Angstbildern von Bahnhöfen, Parks und "bestimmten Stadtteilen" beschreibt. So wird kein Vertrauen geschaffen, sondern Stimmungen verstärkt. Und wer so redet, darf sich am Ende nicht wundern, wenn die falschen Beifall klatschen.

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