Hochrangiger Militär schlägt Alarm: Deutschland "nicht mehr so richtig im Frieden"
Drohnen, Cyberattacken, Luftraumverletzungen: Der ausgeschiedene Heereschef Alfons Mais sieht Deutschland nicht mehr richtig im Frieden und kritisiert das Zögern der Politik. Zudem hegt er erhebliche Zweifel an dem geplanten freiwilligen Wehrdienst.
Erstellt von Anika Bube - Uhr
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- Heeresinspekteur Alfons Mais: Deutschland "nicht mehr so richtig im Frieden"
- Freiwilliger Wehrdienst reicht nicht – Dienstpflicht rückt näher
- Bundeswehr braucht Tempo: Ziel 260.000 Soldaten, Russland rüstet massiv auf
Der scheidende Heeresinspekteur Alfons Mais schlägt Alarm: Deutschland befinde sich nicht mehr wirklich im Frieden. Drohnenüberflüge, Cyberattacken und Luftraumverletzungen zeigten eine kontinuierlich wachsende Bedrohung, warnt der Generalleutnant. Angesichts der Bedrohungslage hegt er zudem erhebliche Zweifel an einem ausreichend schnellen Aufwuchs der Bundeswehr mit dem geplanten freiwilligen Wehrdienst.
Die Politik müsse endlich "das Gaspedal bis in die Ölwanne" durchtreten, forderte Mais. Der gesamte Staatsapparat bewege sich noch mit angezogener Handbremse. Während bei der Materialbeschaffung durch Sondervermögen und gelockerte Schuldenbremse bereits die Weichen gestellt seien, fehle es an radikalen Schritten bei Personal und Infrastruktur. Die Republik ruhe noch zu sehr in sich selbst, während die Sicherheitslage sich dramatisch verschlechtere.
Freiwilligkeit reicht nicht - Hochrangiger Militär prophezeit verpflichtenden Wehrdienst
Der geplante freiwillige Wehrdienst werde die Bundeswehr nicht schnell genug verstärken, prognostizierte Mais. "Das Gottvertrauen auf genügend Freiwillige wird schon bald nicht mehr ausreichen", erklärte der Generalleutnant. Die Sicherheitslage erfordere einen verpflichtenden Dienst statt der aktuellen Planungen.
Das Bundeskabinett hatte im August ein Gesetz beschlossen, das auf Freiwilligkeit und attraktivere Dienstbedingungen setzt. Eine Wehrerfassung junger Männer soll eingeführt werden, doch eine Dienstpflicht ist zunächst nicht vorgesehen. Mais bezeichnete diese Strategie als unzureichend angesichts der Bedrohungslage.
Die aktuelle Planung sei "mit Sicherheit kein Game Changer", betonte der scheidende Heeresinspekteur. Die Balance neige sich zunehmend in Richtung einer Dienstpflicht. Nur so könne Deutschland den notwendigen Personalaufwuchs erreichen, um der wachsenden Gefahr angemessen zu begegnen.
"Nicht mehr richtig im Frieden"
Drohnenüberflüge, Cyberattacken und Luftraumverletzungen prägen laut Mais die aktuelle Sicherheitslage. Deutschland befinde sich in einer Grauzone zwischen Krieg und Frieden. "Wir sind möglicherweise noch nicht in einem Krieg, aber wir sind auch nicht mehr so richtig im Frieden", warnte der Generalleutnant. Die hybriden Bedrohungen der vergangenen Wochen zeigten den enormen Handlungsdruck.
Mit jedem neuen Vorfall wachse der Zweifel, ob das Tempo der eigenen Entwicklung angemessen sei. Politik und Gesellschaft täten sich mit radikalen Schritten schwer. "Ich glaube, wir sind immer noch mit gebremstem Schaum unterwegs", kritisierte Mais. Der gesamte Staatsapparat müsse aus seiner Trägheit erwachen.
Bei Infrastruktur und Personal seien ähnlich radikale Maßnahmen nötig wie bei der Materialbeschaffung. Die kontinuierlich wachsende Bedrohung erfordere ein Umdenken in allen Bereichen der Verteidigungsplanung.
260.000 Soldaten als Ziel - Russland rüstet massiv auf
Die Bundeswehr zählte Ende 2024 rund 181.150 aktive Soldaten. Das erklärte Ziel liegt bei 260.000 Männern und Frauen in der stehenden Truppe sowie 200.000 Reservisten. Diese Zahlen basieren auf neuen Nato-Planungen. Der Reservistenaufbau soll hauptsächlich durch den neuen Wehrdienst erfolgen.
Russland forciert unterdessen seinen Militärausbau. Präsident Wladimir Putin ordnete diese Woche die Einberufung von 135.000 Männern zum Wehrdienst an. Im vergangenen Herbst erhöhte er die Sollstärke auf 2,4 Millionen Militärangehörige, davon 1,5 Millionen Soldaten.
Politiker und Militärexperten warnen wiederholt: Ab 2029 könnte Russland für einen Angriff auf Nato-Gebiet gerüstet sein. Diese Zeitschiene erhöht den Druck auf Deutschland, den Bundeswehr-Aufbau zu beschleunigen.
Warnung vor Schnellausbildungen von deutschen Soldaten
Mais warnte eindringlich vor überstürzten Ausbildungskonzepten. "Den Glauben, man könnte an drei Wochenenden Soldat werden, halte ich für irrig und gefährlich", betonte der Generalleutnant. Das Soldatenhandwerk erfordere fundierte Kenntnisse im Umgang mit Waffen und Sprengstoff sowie die Fähigkeit, unter extremen Gefahren zu überleben.
Ein Vergleich mit ukrainischen Ausbildungszeiten sei wenig hilfreich, da sich das Land in einem verlustreichen Krieg befinde. Deutschland benötige qualitativ hochwertig ausgebildete Streitkräfte. "Masse ist wichtig, um Abschreckung zu realisieren", erklärte Mais. Doch Quantität allein genüge nicht - es brauche auch Qualität bei Technologie und Ausbildung.
Der scheidende Heeresinspekteur plädierte für eine ausgewogene Balance zwischen schnellem Personalaufbau und gründlicher Vorbereitung. Soldaten müssten auf die Ausübung exekutiver Gewalt und den Umgang mit existenziellen Bedrohungen vorbereitet werden.
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bua/fka/news.de/dpa/stg
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