Wladimir Putin: Medwedew: Vom Hoffnungsträger zu Putins Wadenbeißer
Mit seinem Amtsantritt als Präsident 2008 verbanden viele Russen die Hoffnung auf Fortschritt und Reformen im Land. Inzwischen ist Dmitri Medwedew einer der größten Scharfmacher in Moskau.
Erstellt von Sarah Knauth - Uhr
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Dmitri Medwedew ist Moskaus Mann fürs Grobe: Mit wüsten Ausfällen gegen den Westen, Verschwörungstheorien, Atomdrohungen oder auch mal einem verbalen Schlagabtausch mit US-Präsident Donald Trump sorgt er immer wieder für Schlagzeilen. Am Sonntag (14.9.) wird der derzeitige Vizechef des russischen Sicherheitsrates 60 Jahre alt.
Vor ein paar Tagen knöpfte sich Medwedew Finnland vor. Der nördliche Nachbar Russlands mit seinen 5,6 Millionen Einwohnern bereite einen Angriff auf die Atommacht vor, behauptete der Ex-Kremlchef. In dem Fall werde Russland Finnland vernichten, drohte er – und forderte schon einmal umgerechnet 220 Milliarden Euro an Reparationszahlungen. Dies sei der Schaden, den die Finnen angerichtet hätten, als sie an der Seite Hitler-Deutschlands 1941 die Sowjetunion überfielen, schrieb er. Dass Sowjetdiktator Josef Stalin nur knapp zwei Jahre zuvor Finnland im Winterkrieg angreifen ließ und sich Teile des Nachbarlands aneignete, verurteilte Medwedew dabei nicht.
Kaum ein Politiker in Russland hat solch eine Wandlung hinter sich wie Medwedew. Um sie zu verstehen, ist es nötig, sich den Werdegang des gebürtigen Petersburgers vor Augen zu führen. Der studierte Jurist hat seine Karriere einem Mann zu verdanken: Wladimir Putin. Dieser holte den Dozenten der Uni St. Petersburg in den 1990er Jahren als juristischen Berater in die Stadtverwaltung der Newa-Metropole. Später nahm er ihn mit nach Moskau und schließlich sogar in den Kreml.
Präsident von Putins Gnaden
Medwedew beeindruckte den 13 Jahre Älteren nicht nur durch seinen Fleiß und seine Dienstbeflissenheit. Der aus einer Professorenfamilie Stammende hatte eine weitere Charaktereigenschaft, die ihn von anderen Männern in Putins Umfeld von Ex-Geheimdienstlern unterschied: Ihm fehlten Härte und Durchsetzungsvermögen. Er hatte auch kein Charisma als Anführer.
Ein Makel, der ihn in Putins Augen wertvoll machte, denn der Kremlchef war zwar 2008 bereit, seinen Posten als Präsident abzugeben, nicht aber seine Macht. Und so entschied sich Putin gegen seinen langjährigen Vertrauten aus Geheimdiensttagen, Sergej Iwanow, und für Medwedew in der Frage, wer seine zeitweise Nachfolge antreten sollte.
Medwedew galt mit seiner Vorliebe für westliche Musik und technische Spielereien als Inbegriff des liberalen Bürokraten. Doch dies dürfte eher taktischen Erwägungen und der damaligen politischen Mode entsprochen haben als tiefen Überzeugungen. Denn grundsätzlich unterschied sich die Politik des Platzhalters nicht von der Putins. Schicksalsergeben ließ er sich wieder ins zweite Glied versetzen, als dieser zurückwollte.
Und genauso leicht wie er 1991 sein Parteibuch als Kommunist aufgab, ließ er später in seinen politischen Ämtern auch seine liberalen Ansichten fallen, als er von der demokratischen Opposition wegen Korruption kritisiert wurde. Wurde er schon im Kreml als Tandem-Partner Putins zunehmend belächelt, war seine spätere Amtszeit als Regierungschef von zahlreichen Pannen und Krisen überschattet, die sein Image weiter schädigten. Als Sündenbock einer jahrelangen Stagnation wurde er schließlich auch hier abgelöst.
Neu erfunden für das politische Überleben
Doch Medwedew glaubt weiter an seine Chance auf eine Rückkehr in den Kreml. Da liberal inzwischen in Russland als Schimpfwort gilt, hat er sich politisch als Hardliner neu erfunden. Kritisierte er als Präsident noch Stalin wegen dessen Verbrechen gegen das eigene Volk oder den Mord an polnischen Offizieren in Katyn 1940, so lobt er nun dessen Führungsstil. Bei einem Bildungsforum im April sprach er von einem "Beispiel für Härte", ohne die Russland nicht überlebt hätte. Dabei trug er passend eine Jacke, die stark an das Outfit des Generalissimus erinnerte.
Oft scheint es ein Spiel mit verteilten Rollen: Neben den Ausfällen Medwedews wirkt Putin gemäßigt und vernünftig. Ernst genommen wird er in seiner neuen Rolle von den wenigsten. Doch abschreiben sollte man ihn nicht: Medwedew ist hartnäckig – und mit 60 Jahren in der Riege Putins fast noch ein Jungspund.
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