Wladimir Putin: In die Veto-Falle locken? Kremlchef versteht unter Sicherheitsgarantien etwas anderes
Europa und der Westen fordern Sicherheitsgarantien für die Ukraine, wenn Frieden geschlossen wurde. Doch Wladimir Putin soll laut Experten darunter etwas komplett anderes verstehen. Russland will etwas anderes.
Erstellt von Sabrina Böhme - Uhr
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- Europa und die Ukraine sprechen sich für Sicherheitsgarantien für die Ukraine aus.
- Putin versteht etwas anderes unter Sicherheitsgarantien.
- Russland will laut Experten ein Vetorecht, um westliche Interventionen künftig zu blockieren.
- Kremlchef könnte laut Experten die Sicherheitsgarantien aushebeln
Nach dem Ukraine-Gipfel in Washington wirdin Deutschland und der EU verstärkt über Sicherheitsgarantien für das von Russland angegriffene Land nach einem Friedensschluss diskutiert. Donald Trumperklärte sich in Washington zwar dazu bereit, dass die USA Sicherheitsgarantien mittragen werden, Details ließ er aber offen. Er versicherte mit Blick auf die Ukrainer nur: "Wir werden ihnen sehr guten Schutz geben, sehr gute Sicherheit." Doch es offenbart sich ein gefährlicher Haken: Moskau fordert ein Vetorecht über jede westliche Militärhilfe – und könnte damit künftige Verteidigungszusagen komplett aushebeln.
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Ukraine und Europa fordern Sicherheitsgarantien für den Frieden
Die Ukraine und westeuropäische Länder interpretieren die Sicherheitsgarantien als eindeutige westliche Verpflichtungen zur Verteidigung Kiews. Diese Zusagen sollen durch verschiedene Maßnahmen untermauert werden: Waffenverkäufe, militärische Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte sowie verstärkte militärisch-technische Kooperation. Der französische Präsident Emmanuel Macron betonte, wie wichtig ein starkes Militär sei. Die zweite Garantie bestehe aus Rückversicherungstruppen und der Ansage, "dass die Briten, Franzosen, Deutschen, Türken und andere bereit sind, Operationen durchzuführen, nicht an der Front, nicht provokativ, sondern zur Beruhigung in der Luft, auf See und an Land, um ein strategisches Signal zu setzen und zu sagen: Ein dauerhafter Frieden in der Ukraine ist auch unser Anliegen".
Besonders brisant ist die Möglichkeit, dass europäische Truppen in der Ukraine stationiert werden könnten. Diese westliche Perspektive zielt darauf ab, die Ukraine nach Kriegsende militärisch so zu stärken, dass künftige russische Aggressionen abgeschreckt werden.
Experte erklärt: Putin hat andere Vorstellungen von Sicherheitsgarantien für die Ukraine
Alexander Chekov vom Moskauer Staatsinstitut für Internationale Beziehungen betont gegenüber "Newsweek", dass diese einseitige westliche Auslegung der Garantien fundamental von der russischen Position abweicht. Die unterschiedlichen Interpretationen stellen laut Chekov das Hauptproblem bei der Suche nach einer gemeinsamen Lösung dar.
Russland versteht unter Sicherheitsgarantien etwas grundlegend anderes: kein einseitiges westliches Versprechen an Kiew, sondern ein multilaterales Abkommen mit russischer Beteiligung. Moskau fordert ein System, in dem nicht nur westliche Staaten, sondern auch Russland selbst und möglicherweise weitere nicht-euroatlantische Großmächte eingebunden sind.
Russland fordert Vetorecht zur Blockade von westlichen Eingriffen
Der entscheidende Punkt: Russland strebt nach einem Mitspracherecht, das es ermöglichen würde, künftige westliche Interventionen zu blockieren. Artem Kvartalnov von der University of Texas erklärt gegenüber "Newsweek", dass Moskau wahrscheinlich einen Rat der Garantiemächte anstrebt, in dem Russland selbst vertreten wäre. Jeder Einsatz externer Kräfte müsste dann von diesem Gremium autorisiert werden.:
- "Das zentrale Problem bei einem möglichen Austausch von Sicherheitsgarantien, wie es viele auf beiden Seiten sehen, ist, dass Russland wahrscheinlich eine multilaterale Vereinbarung anstrebt, bei der Russland selbst ein Mitspracherecht hätte, bevor externe Garantien in Kraft treten könnten."
- "Wenn es einen Rat von Garanten gibt, an dem Russland selbst beteiligt ist und der jede Anwendung von Gewalt als Reaktion auf eine externe Aggression gegen die Ukraine genehmigen muss, wird Russland in der Lage sein, solche Genehmigungen zu blockieren, wodurch der Zweck der Sicherheitsgarantien zunichtegemacht würde."
Vorstellung des Kremlchefs würde Sicherheitsgarantien aushebeln
Diese Konstruktion würde Russland faktisch ein Vetorecht einräumen und damit den eigentlichen Zweck der Sicherheitsgarantien für die Ukraine aushebeln. Moskaus Ziel sei es, westliche Einmischung in der Zukunft verhindern zu können. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sprach sich am 20. August ebenfalls dafür aus, sein Land in einen kollektiven Sicherheitsapparat einzubinden. Putin soll nach Aussagen des US-Sondergesandten Steve Witkoff Nato-ähnlichen Sicherheitsgarantien nicht abgeneigt sein. Inwieweit Russland aber wirklich auf die Forderungen eingehen wird, wird sich zeigen.
Trump schließt Nato-Beitritt der Ukraine kategorisch aus
Die ukrainischen Ambitionen auf eine Nato-Mitgliedschaft stoßen bei Trump auf klare Ablehnung. Der US-Präsident hat wiederholt betont, dass Kiew dem Verteidigungsbündnis nicht beitreten werde. Diese Position steht im Widerspruch zu den Hoffnungen der Ukraine und vieler europäischer Verbündeter.
Die Nato-Erweiterung gilt als eine der Hauptursachen des Konflikts. Bereits 2008 warnte der damalige US-Botschafter in Russland, Bill Burns, dass ein ukrainischer Nato-Beitritt für die gesamte russische Elite eine rote Linie darstelle. Joshua Shifrinson von der University of Maryland erklärt gegenüber "Newsweek": Kein Land wolle ein Militärbündnis an seinen Grenzen, auf das es keinen Einfluss habe. Gleichzeitig wolle Russland eine künftige Intervention vermeiden. "Wenn es also Teil der Sicherheitsgarantie ist, kann es in gewisser Weise eine Reaktion auf eine künftige Krise blockieren, sollte es zu einer Krise kommen", fügte Shifrinson hinzu.
Seit dem Kalten Krieg ist die Nato von 16 auf 32 Mitglieder angewachsen. Moskau sieht darin eine Bedrohung seiner Sicherheit, während osteuropäische Staaten Schutz vor russischer Einflussnahme suchen.
Keine US-Soldaten: Trump präzisiert Sicherheitsgarantien
Trump hat seine Position zu möglichen Sicherheitsgarantien präzisiert: Amerikanische Bodentruppen werden definitiv nicht in die Ukraine entsandt. In einem Interview mit "Fox & Friends" am Dienstag stellte der Präsident jedoch klar, dass europäische Verbündete durchaus bereit sein könnten, eigene Soldaten zu schicken. Die USA seien willens, "mit Dingen zu helfen", einschließlich Luftunterstützung.
Pressesprecherin Leavitt bekräftigte diese Linie während einer Pressekonferenz: Die USA könnten bei der Koordinierung helfen und "andere Mittel für Sicherheitsgarantien" für europäische Verbündete bereitstellen. Trump habe sein nationales Sicherheitsteam angewiesen, sich mit europäischen Freunden abzustimmen und die Gespräche sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland fortzusetzen.
Hier können Sie das YouTube-Video über Wladimir Putin sehen.
Experten bezweifeln: Europa würde nicht für die Ukraine einstehen
Fachleute bezweifeln, dass europäische Staaten tatsächlich bereit wären, militärisch für die Ukraine einzustehen. Franz-Stefan Gady vom Center for a New American Security stellt die entscheidende Frage: Würden europäische Länder einen Krieg gegen Russland riskieren? Falls nicht, könnten selbst europäische Truppen in der Ukraine künftige russische Aggressionen nicht abschrecken.
Charles Kupchan vom Council on Foreign Relations hinterfragt die rechtliche Verbindlichkeit solcher Garantien. Ohne parlamentarische Ratifizierung wie bei Nato-Artikel 5 handele es sich eher um Zusicherungen als um echte Garantien. Die inneren Widersprüche der Trump-Administration - einerseits Skepsis gegenüber Ukraine-Hilfen, andererseits Versprechen von Sicherheitsgarantien - müssten erst aufgelöst werden. Selbst bei einer Einigung prognostiziert Kupchan einen "geteilten Kontinent" mit anhaltendem Misstrauen zwischen Nato und Russland. Fortschritte bei der Entspannung würden bestenfalls im Schneckentempo erfolgen.
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