Normalerweise attackiert Donald Trump den Sender CNN gerne. Jetzt nutzt der frühere US-Präsident die Fernsehbühne für einen großen Auftritt. Politische Lösungen hat er nicht parat, dafür altbekannte Verschwörungstheorien.
Nur einen Tag nach seiner Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs gab Donald Trump ein ungewöhnliches Interview. Obwohl der ehemalige US-Präsident dem Fernsehsender CNN regelmäßig "Fake News" vorwirft, nutzte der 76-Jährige den Sender nun als Plattform für eine eigenen Falschbehauptungen.
"Fiese Person!" Donald Trump beleidigt Moderatorin Kaitlan Collinsbei CNN-Interview
Am Mittwoch (10.05.2023) stellte sich Trump bei CNN den Fragen von Bürgern. Moderiert wurde die Livesendung von der Journalistin Kaitlan Collins. Wahlberechtigte, die den Republikanern nahestehen oder sich weder ihnen noch den Demokraten von Präsident Joe Biden zugehörig fühlen, durften bei dem Event im US-Bundesstaat New Hampshire Fragen stellen. Dass Trump bei CNN auftritt, ist sehr ungewöhnlich, denn der Sender wird von ihm immer wieder als Sprachrohr liberaler Propaganda verunglimpft. Normalerweise verbreitet Trump seine Behauptungen in ausschweifenden Wahlkampfreden ohne Gegenfragen. Dieses Mal musste er sich aber dem Publikum stellen - und Collins.
In der sogenannten Townhall schlug sich die Moderatorin wacker, Falschaussagen Trumps versuchte sie sofort zu widerlegen. Davon ließ sich der frühere Präsident aber nicht sonderlich beeindrucken. An einer Stelle entfuhr ihm die genervte Bemerkung, Collins sei eine "fiese Person". Die 31-Jährige war ehemals CNN-Chefkorrespondentin für das Weiße Haus und dafür bekannt, Trump zu seiner Zeit als Präsident hartnäckig zu befragen. Mehrmals gerieten die beiden öffentlich aneinander. Im Juli 2018 wurde Collins vom Weißen Haus von einer Pressekonferenz ausgeschlossen, was zu Protesten in der Medienwelt führte.
Feuerwerk der Lügen! Trump kündigt Begnadigung der Kapitol-Randalierer an
Trump verharmloste bei seinem TV-Auftritt erneut die Erstürmung des US-Kapitols am 6. Januar 2021, bei der seine Anhänger gewaltsam in den Sitz des Parlaments in Washington eindrangen. Dort war der Kongress zusammengekommen, um Joe Bidens Sieg bei der vorangegangenen Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Infolge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben. Dass die verurteilten Randalierer auf einen Wahlsieg Trumps im nächsten Jahr hoffen sollten, machte er ihnen deutlich: "Ich bin geneigt, viele von ihnen zu begnadigen", sagte Trump. Auf die Frage, ob er auch Mitglieder der rechtsextremen Proud Boys begnadigen würde, antwortete er ausweichend: "Ich müsste mir ihren Fall ansehen."
Auch mit Blick auf die Präsidentenwahl 2024 verhießen seine Antworten nichts Gutes. Auf die Frage, ob er sich dazu verpflichte, das Wahlergebnis zu akzeptieren, entgegnete Trump: "Wenn ich denke, dass es eine ehrliche Wahl ist, würde ich das auf jeden Fall tun." Collins hakte noch einmal nach: "Werden Sie sich verpflichten, die Ergebnisse der Wahl unabhängig vom Ausgang zu akzeptieren?" Trumps Replik: "Wenn ich denke, dass es eine ehrliche Wahl ist, wäre es mir eine Ehre." Droht sich die Geschichte damit zu wiederholen? In den vergangenen Jahren hat Trump jedenfalls den Eindruck entstehen lassen, dass er eine Wahl nur dann für "ehrlich" hält, wenn er zum Gewinner erklärt wird.
Nach konkreten politischen Vorhaben gefragt blieb Trump aussagekräftige Antworten schuldig. Vage äußerte er sich auch bei Fragen zum russischen Krieg gegen die Ukraine. So wollte er sich zum Beispiel nicht darauf festlegen, ob die USA unter seiner Führung dem angegriffenen Land weiter Geld und Waffen bereitstellen würden. "Ich möchte, dass Europa mehr Geld zur Verfügung stellt, weil sie uns auslachen. Sie denken, wir sind ein Haufen Idioten", sagte er. Erneut behauptete er, den seit mehr als 14 Monaten anhaltenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine in 24 Stunden beenden zu können. Die jetzige US-Regierung verschenke so viel Ausrüstung, dass keine Munition für die eigenen Truppen mehr übrig sei, schimpfte er.
Nach Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs! Trump spricht von "erfundener Geschichte"
Das Interview war Trumps erster öffentlicher Auftritt nach seiner Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs in einem New Yorker Zivilprozess. Am Dienstag war er zu einer Entschädigung in Millionenhöhe an die Schriftstellerin E. Jean Carroll verurteilt worden. Eine New Yorker Geschworenenjury sah es als erwiesen an, dass Trump sie 1996 in einem New Yorker Nobelkaufhaus sexuell missbraucht hat. Das Ganze sei "eine erfundene Geschichte", das Verfahren eine "abgekartete Sache" gewesen und der Richter "furchtbar", so Trump.
Auch zu den bei ihm gefundenen Geheimunterlagen aus seiner Zeit im Weißen Haus äußerte er sich: Trump behauptete, diese hätten durch seine Mitnahme ihre Einstufung als Geheimsache verloren. Wie viele andere seiner Behauptungen ist auch diese nicht korrekt.
In den USA ist der Wahlkampf mittlerweile in vollem Gange. Präsident Biden hat vor gut zwei Wochen verkündet, dass er eine Wiederwahl anstrebt. Der 80-Jährige muss keine große Konkurrenz innerhalb seiner Partei fürchten. Bei den Republikanern ist das Feld der Aspiranten zwar größer, aber Trump kann sich trotzdem gute Chancen ausrechnen, gilt aktuell als aussichtsreichster Bewerber. Das dürfte ihn dazu motiviert haben, das CNN-Format für einen Wahlkampfauftritt zu nutzen. Der ihm eigentlich so verhasste Sender war dafür kritisiert worden, dem Republikaner diese Bühne zu bieten - zumal vor einem eher konservativ gesinnten Studiopublikum. Von den Gästen im Saal gab es häufig Applaus. "Ihr seid großartig", sagte Trump zum Abschied.
"Journalistische Abscheulichkeit!" Trump "pulverisierte" CNN
Doch nicht nur im Saal wurde Trump für seinen Auftritt gefeiert. Auch im Netz flippen seine Anhänger völlig aus. "CNN wurde pulverisiert", schreibt eine Twitter-Nutzerin. Anders bei Kritikern des Ex-US-Präsidenten: Einige Twitter-Nutzer rufen nach dem Trump-Interview zum Boykott von CNN auf. "Verärgert, dass Trump auf CNN war! Ich habe es satt, CNN zu sehen", wettert ein Zuschauer im Netz. "Schande über euch", ist in einem Tweet zu lesen. "Es ist eine Schande, dass Sie diesem Kriminellen freie Sendezeit gegeben haben, denn Sie sind keine Nachrichtenorganisation mehr", schimpft ein anderer Twitter-Nutzer. "Das war selbst für @CNN peinlich. Keine Überprüfung der Fakten. Sie haben zugelassen, dass Trump die Moderatorin beschimpft. Als er sie eine böse Frau nannte, hätten Sie die Sendung beenden müssen. Oder sie hätte das Set verlassen sollen. Das Publikum erinnerte mich an Leute, die mit einem Picknickkorb zu einem Lynchmord gehen würden", heißt es in einem Tweet. "Sie haben heute Abend eine Erzählung von Verschwörungstheorien verbreitet. Eine journalistische Abscheulichkeit", wütet ein Twitter-Nutzer.
— Michael J. ????☕ (@inherentlymike) May 11, 2023
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bua/bos/news.de/dpa