Nach Todesfällen in Belgien: Wie hoch ist das Infektionsrisiko in Deutschland?

In Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Zahl der Ehec-Fälle erhöht. Mehrere Kinder kamen in Krankenhäuser. In Belgien starben fünf erkrankte Bewohner eines Seniorenheimes. Breitet sich der potenziell gefährliche Erreger weiter aus? So ist die aktuelle Lage. 

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In einer Kita in Mecklenburg-Vorpommern gab es mehrere Ehec-Infektionen. (Foto) Suche
In einer Kita in Mecklenburg-Vorpommern gab es mehrere Ehec-Infektionen. Bild: Adobe Stock/ Gunnar Assmy
  • Häufung von Ehec-Fällen in Mecklenburg-Vorpommern und Belgien
  • Mehrere Tote in belgischem Seniorenheim nach Infektionen
  • Zahl der infizierten Kinder in Mecklenburg-Vorpommern ist angestiegen
  • Robert-Koch-Institut sieht keine vermehrten Ehec-Ansteckungen in anderen Bundesländern

Ehec-Infektionen können schwere gesundheitliche Auswirkungen haben. Zum Schutz der Bevölkerung hat ein Wurstwarenhersteller in mehreren Bundesländern Zwiebelmettwürste zurückgerufen, nachdem in den Produkten Ehec-Erreger nachgewiesen wurden. Unabhängig davon verzeichnen die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern vermehrt Infektionen. In Belgien steckten sich Bewohner eines Seniorenheims mit dem Erreger an. Laut Berichten sollen fünf Menschen gestorben sein.

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Zahl der Ehec-Infektionen in Mecklenburg-Vorpommern gestiegen

Wie das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lagus) am 29. August in Rostock mitteilte, kamen fünf weitere Fälle hinzu, sodass nun insgesamt 17 Menschen betroffen sind. Zum Großteil handelt es sich um Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 1 und 15 Jahren. Die Infektionsquellen und -wege sind weiterhin unklar.

Kita-Kinder haben kein Ehec

Angesicht der Häufung von Ehec-Fällen im Osten Mecklenburg-Vorpommerns besteht der Verdacht, dass sich die toxinbildenden Bakterien weiter in Richtung Westen ausgebreitet haben könnten. Nachdem bei elf Kleinkindern in Kavelstorf bei Rostock starkes Erbrechen und vereinzelt auch Durchfall festgestellt worden war, wurden diese per Rettungswagen vorsorglich aus der Kita direkt in die Notaufnahme der Kinderklink in Rostock gebracht.

Nach ersten Ergebnissen sind die bei Rostock erkrankten Kleinkinder aus einer Kindertagesstätte nicht mit Ehec-Bakterien infiziert. Das teilte der Landkreis Rostock mit. Anfang nächster Woche sollen die Proben in der Universitätsmedizin Rostock auf andere Erreger untersucht werden.

Infektionsanstieg innerhalb kurzer Zeit: Kinder und Erwachsene betroffen

Unter den bestätigten Neuerkrankungen sind nach Angaben des Landesgesundheitsamtes vier Kinder im Alter von 1 bis 12 Jahren. Zwei von ihnen würden in Krankenhäusern stationär behandelt. Hinzu komme ein Ehec-Fall bei einer erwachsenen Person, die wie zwei der betroffenen Kinder aus Vorpommern stamme. Die anderen beiden Kinder kommen laut Lagus aus anderen Bundesländern und weilten mit ihren Familien zum Urlaub im Nordosten.

Wie das Gesundheitsamt weiter mitteilte, weisen nun insgesamt sechs der Kinder ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) auf. Da dies zur Zerstörung der roten Blutkörperchen, Blutgerinnungsstörungen und Funktionsstörungen der Nieren führen kann, werden die Betroffenen in der Regel intensivmedizinisch versorgt. Drei von ihnen mussten an eine Dialyse.

Normalerweise würden in MV pro Jahr ein oder zwei Ehec-Fälle mit HUS registriert, aber nicht so viele in relativ kurzer Zeit mit teils schweren Verläufen, sagte Martina Littmann, Leiterin der Abteilung Gesundheit beim Lagus. "Da gehen schon die Alarmglocken an." Es gebe aber keinen Grund für Panik, betonte sie.

Breitet sich Ehec deutschlandweit aus? RKI gibt Entwarnung

Bleibt die Frage, wie weit verbreitet die Infektionen bundesweit ausfallen? Das Robert Koch-Institut (RKI) gibt Entwarnung. Es sieht aktuell keine Hinweise auf eine Häufung von Ehec-Fällen in anderen Regionen Deutschlands. Gleiches gelte für das sogenannte hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), sagte eine Sprecherin. Das RKI beobachte die Situation aber weiter sehr genau. Ein Expertenteam aus dem Bereich der Infektionsepidemiologie stehe in engem Kontakt mit den lokalen Gesundheitsbehörden.

Aktuell sorgen auch in Belgien Ehec-Infektionen für Aufsehen. In Seniorenheimen dort sind etwa 20 Menschen erkrankt. Der Nachrichtenagentur Belga zufolge starben bislang fünf von ihnen.

Ehec aktuell in Deutschland: Besteht ein Zusammenhang mit den Todesfällen in Belgien?

Wie und ob die Ausbrüche in Deutschland und Belgien zusammenhängen, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, sagt der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, Tobias Tenenbaum. Allgemein seien Kitas und Seniorenheime besonders sensible Bereiche für Durchfallerkrankungen. "Es braucht noch eine gewisse Zeit, um herauszufinden, was die Ursache ist", so der Kinderarzt. Die Dynamik unterscheide sich aber offensichtlich von Ehec-Fällen im vergangenen Jahr.

Die Suche nach dem Ursprung der Infektionen sei wie Detektivarbeit, erklärt Tenenbaum. In Befragungen müsse herausgefunden werden, ob die Betroffenen ähnliche Orte besucht oder ähnliche Mahlzeiten gegessen hätten. Als besorgniserregend würde er die aktuelle Situation derzeit nicht bezeichnen, man müsse nun aber dringend alle wichtigen Fragen klären

Diese Symptome deuten auf Ehec hin

Ehec steht für enterohämorrhagische Escherichia coli und bezeichnet bestimmte krankmachende Stämme dieses Darm-Bakteriums, das vor allem bei Wiederkäuern vorkommt, schreibt das Portal "infektionsschutz.de". Die Mikroben produzieren sogenannte Shigatoxine: starke Zellgifte, die bei Menschen schwere Durchfallerkrankungen bis hin zu blutigen Durchfällen sowie HUS verursachen können. Kinder sind besonders gefährdet, weil ihr Immunsystem und ihre Organe noch nicht ausgereift sind.

Die Krankheitserreger können direkt oder indirekt von Tieren auf den Menschen übertragen werden. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch ist über eine Schmierinfektion möglich. Vom Verzehr eines verunreinigten Lebensmittels bis zum Ausbruch der Erkrankung dauert es im Durchschnitt drei bis vier Tage, wie es beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) heißt. Schon wenige Bakterien reichen aus, um eine Infektion anzustoßen. Ehec ist meldepflichtig.

Wie hoch sind die Infektionszahlen in Deutschland?

Ehec-Ansteckungen gibt es regelmäßig. Nach Daten des Robert Koch-Instituts zufolge wurden 2023 bundesweit mehr als 3.440 Erkrankungen erfasst, 2024 rund 4.570 und in diesem Jahr bisher etwa 3.660 (Stand 27. August). Im Jahr 2023 waren 5, im Jahr darauf 3 Hus-bedingte Todesfälle gemeldet worden. In Mecklenburg-Vorpommern wurden im Jahr 2024 mehr als 130 Fälle erfasst, im Jahr davor 80. Im aktuellen Fall ist die Aufmerksamkeit dennoch hoch, unter anderem, weil so viele Kinder in recht kurzer Zeit von betroffen sind.

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/news.de/dpa

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