Viktor Orbán: Angriffssorge "lächerlich" – Ungarns Premier beleidigt EU mit Russland-Aussage
Viktor Orban hält einen russischen Angriff auf EU für unrealistisch. Bild: picture alliance/dpa/AP | Evan Vucci
Erstellt von Mia Lada-Klein
17.11.2025 17.40
- Viktor Orbán hält einen russischen Angriff auf EU oder Nato für unrealistisch
- Ungarischer Ministerpräsident warnt vor einem nuklearen Risiko, sollte Russland eine Niederlage erleiden
- Ungarn-Premier setzt außenpolitisch auf Donald Trump statt auf die EU
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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat sich mit deutlichen Worten in die europäische Sicherheitsdebatte eingeschaltet. Im Gespräch mit Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner im Podcast "MD MEETS" zeichnete er ein Bild, das der Linie vieler EU-Staaten widerspricht und sorgte mit seinen Aussagen über Russland, die Ukraine und die Rolle der USA für Kritik.
Scharfe Kritik an der EU-Strategie
Im Podcast warf Orbán der Europäischen Union vor, eine falsche Linie im Ukraine-Krieg zu verfolgen. Die EU-Strategie, den Krieg weiterzuführen, um die Verhandlungsposition der Ukraine zu stärken, sei seiner Ansicht nach realitätsfern:
- "Bei aller Bescheidenheit und allem Respekt halte ich es für lächerlich zu sagen, dass die Russen die Europäische Union oder die Nato angreifen werden, nur weil sie nicht stark genug sind."
- "Wir sind viel stärker als sie. Die Europäische Union hat mehr als 400 Millionen Einwohner. Russland hat 140 Millionen oder so."
- "Wenn man die militärischen Kapazitäten der 27 Länder der Europäischen Union zusammennimmt, sind wir weitaus stärker als die Russen."
Weiter betonte er:
- "Die Russen sind nicht in der Lage, die Gebiete der Ukraine länger als drei Jahre zu besetzen. Wie können wir in Europa argumentieren, dass wir schwächer als Russland sind und Angst haben? Das ist einfach nicht wahr."
- "Ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Wenn die Nato wirklich alle Möglichkeiten ausschöpfen würde, wäre die Finanzkraft und die Militärmacht der Nato allein schon groß genug. Wenn man die Ramstein-Koalition hinzunimmt, ist sie sogar noch stärker."
Mathias Döpfner entgegnete, dass sich aus Orbáns Argumentation eine entscheidende Frage ergebe: Wenn die Gefahr nuklearer Eskalation tatsächlich so groß sei, warum vertrete der Westen dann eine so zurückhaltende Linie? Warum werde die Ukraine nicht deutlich stärker unterstützt, um Putin zurückzudrängen? Döpfner kritisierte, Europa lasse Russland zu viel Spielraum, anstatt das angegriffene Land klar und entschlossen zu stärken.
Orbán warnt vor nuklearer Eskalation und mahnt zu Verhandlungen
Orbán erklärte, dass die zentrale Frage im Ukraine-Konflikt nicht die militärische Stärke allein sei, sondern der Umgang mit einer Atommacht. Seiner Ansicht nach müsse jede Strategie berücksichtigen, dass ein Staat mit nuklearen Waffen im Fall einer konventionellen Niederlage unweigerlich ein atomares Risiko auf den Tisch lege. Er halte es daher für sicher, dass Russland zu Atomwaffen greifen könnte, wenn der Westen die militärische Eskalation weiter antreibt. Zwar wisse jeder, dass ein nuklearer Angriff auf Europa auch Russland selbst zerstören würde, doch genau deshalb dürfe niemand in eine solche Eskalationsspirale geraten.
Aus diesem Grund lehnt Orbán Forderungen ab, an der Front mehr Stärke zu zeigen. Aus seiner Sicht erhöhe dies lediglich die Gefahr eines großen Krieges. Stattdessen müssten Europa und die USA ihre Kraft am Verhandlungstisch einsetzen und Voraussetzung dafür sei, überhaupt Verhandlungen aufzunehmen.
Orbán setzt auf Trump als Vermittler
Orbán lobte Donald Trump als politischen Akteur, der aus seiner Sicht in der Lage sei, ein Friedensabkommen zu erreichen. Gleichzeitig betonte er, dass die USA dafür keineswegs auf Europa angewiesen seien – und genau darin liege das Risiko für die Europäer. Wenn sich die EU weiterhin passiv verhalte, könne es seiner Einschätzung nach zu einem Abkommen zwischen Washington und Moskau kommen, das ohne europäische Mitsprache zustande käme und weit über den Ukraine-Krieg hinausreiche, etwa in Fragen des Welthandels oder der Energiepolitik. Europa müsse deshalb zwingend selbst an den Verhandlungstisch, um über die eigene Zukunft mitentscheiden zu können. Sollte die EU das nicht sicherstellen, brauche sie zumindest einen eigenständigen Kommunikationskanal zu Russland. Orbán unterstrich damit erneut, dass er außenpolitisch stärker auf die USA – insbesondere auf Donald Trump – setzt als auf eine gemeinsame europäische Linie.
Ein Interview, das nachhallt
Mit seinen Aussagen rückt Orbán abermals von der sicherheitspolitischen Linie der EU ab. Während die Mitgliedstaaten geschlossen auf Abschreckung setzen, präsentiert der ungarische Premier ein Bild von Russland, das viele in Europa für gefährlich verharmlosend halten. Seine Äußerungen dürften daher die Diskussion über Ungarns Rolle innerhalb der EU und der Nato neu anfachen.
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