Zoff um Wehrdienst eskaliert: Pistorius gegen Losverfahren - Union wirft Verteidigungsminister "Sabotage" vor

Kurz vor der großen Verkündung lässt Verteidigungsminister Boris Pistorius den Kompromiss zur Wehrpflicht platzen und zieht damit den Zorn der Union auf sich. CDU-Politiker sprechen von einer "Blutgrätsche", Pistorius kontert scharf.

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Der Zoff um ein neues Wehrdienstgesetz eskaliert. (Foto) Suche
Der Zoff um ein neues Wehrdienstgesetz eskaliert. Bild: picture alliance/dpa | Niklas Graeber
  • Geplanter Wehrpflicht-Kompromiss scheitert in letzter Minute – Pressekonferenz abgesagt
  • Union wirft Verteidigungsminister Pistorius „Sabotage" vor – spricht von einer "Blutgrätsche"
  • Pistorius weist alle Vorwürfe zurück und hält am Zeitplan für das neue Wehrdienstgesetz fest

Eklat um neues Wehrdienstgesetz: Eigentlich sollte am Dienstagabend der große Durchbruch verkündet werden. Doch es kam zum politischen Desaster! Kurz vor der Pressekonferenz sagten SPD und Union alles ab. Der Grund: Verteidigungsminister Boris Pistorius soll persönlich den hart erkämpften Kompromiss seiner eigenen Fraktion zerschlagen haben.

Zoff um neues Wehrdienstgesetz: Protest in der SPD-Fraktion gegen Losverfahren

Das Kabinett hatte sich bereits im August auf einen von Pistorius vorgelegten Gesetzentwurf verständigt, der zunächst auf Freiwilligkeit bei der Rekrutierung von Wehrdienstleistenden setzt. Die Union war damit aber unzufrieden und drängte auf eine automatische Einführung der Wehrpflicht, wenn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht genug Freiwillige gefunden werden.

Das wiederum lehnte die SPD ab. Unterhändler beider Seiten suchten deshalb in den vergangenen Tagen nach einem Kompromiss. Aber ein geplantes Verfahren, nachdem notfalls auch per Los bestimmt werden soll, wer Wehrpflicht leisten muss, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden, stieß auf großen Widerstand in der SPD-Bundestagsfraktion.

CDU-Wut gegen Boris Pistorius

In der Union brodelt es daher gewaltig. Ein CDU-Spitzenpolitiker spricht gegenüber "Bild" von einer "Blutgrätsche" von Pistorius gegen die eigene Parteiführung. Der Vorwurf: Der Verteidigungsminister habe sich destruktiv verhalten und nie ernsthaft an einer Einigung interessiert gezeigt. Auch CDU-Urgestein Norbert Röttgen legte nach: In mehr als 30 Jahren Bundestag habe er "noch nie erlebt", dass ein Minister sein eigenes Gesetz so frontal torpediere. Pistorius stürze, so Röttgen, "die eigene Fraktion ins Chaos". Der Zorn der Christdemokraten richtet sich vor allem darauf, dass Pistorius seine Einwände offenbar erst im allerletzten Moment geltend gemacht haben soll – kurz bevor die Einigung öffentlich verkündet werden sollte.

Pistorius schlägt zurück: "Ich torpediere nicht!"

Der Verteidigungsminister selbst wehrt sich entschieden. "Ich torpediere nicht, und ich bin auch nicht destruktiv", betont Pistorius im Tagesspiegel. Er habe lediglich darauf hingewiesen, dass zentrale Punkte seines Gesetzentwurfs verändert werden sollten – noch bevor dieser offiziell im Bundestag vorlag.

Besonders kritisch sieht der SPD-Minister, dass der aktuelle Kompromiss wertvolle Zeit kosten würde. Die Bundeswehr brauche ab 2027 dringend flächendeckende Musterungen und die seien im Entwurf nicht mehr vorgesehen. Auch das von der Union geforderte Losverfahren lehnt Pistorius ab: Zu bürokratisch, zu langsam, zu riskant.

Was hinter dem Streit steckt – das Losverfahren als Zündstoff

Kern des Konflikts ist das geplante Auswahlverfahren: Die Union will ein Losverfahren, falls sich zu wenige Freiwillige melden, damit genügend Rekruten zur Verfügung stehen. Die SPD hält das für unfair und politisch nicht vermittelbar.

Nach tagelangen Verhandlungen hatten sich Unterhändler beider Seiten eigentlich auf einen Kompromiss geeinigt. Doch in der SPD-Fraktion wuchs der Widerstand – und schließlich zog Pistorius selbst die Reißleine.

Trotz Streit: Bundestag soll Wehrpflicht-Gesetz beraten

Trotz des Eklats will die Koalition am Zeitplan festhalten. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann betonte bei Markus Lanz, dass die erste Lesung des Wehrdienstgesetzes bereits am Donnerstag stattfinden solle. Auch aus der SPD-Fraktion heißt es, man wolle am Plan festhalten – allerdings mit Nachbesserungen. "Das Parlament ist der richtige Ort, um offene Fragen zu klären", heißt es dort. Linnemann zeigte sich zuversichtlich, dass die Differenzen innerhalb von 24 Stunden "geheilt" werden könnten.

Der gescheiterte Plan im Überblick

  • Alle 18-Jährigen sollten einen Fragebogen zur Wehrdienstbereitschaft erhalten.
  • Interessierte hätten sich zur Musterung melden können.
  • Falls zu wenige Freiwillige: automatisches Losverfahren.

Genau dieser letzte Punkt brachte das politische Kartenhaus zum Einsturz – und verwandelte den geplanten Erfolg in einen handfesten Koalitionskrach.

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