Nato-Vertrag: Wann greifen Artikel 4 und 5?
Der Drohnen-Vorfall in Polen rückt wieder einmal Artikel 4 und 5 des Nordatlantikvertrags der Nato in den Vordergrund. Wann greifen sie und welche Maßnahmen können die Staaten nutzen?
Erstellt von Sabrina Böhme - Uhr
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- Nach Russen-Drohnen im polnischen Luftraum: Wann greifen Artikel 4 und 5 des Nato-Vertrages?
- Wie unterscheiden sich die Artikel?
- Wann wurden Artikel 4 und 5 eingesetzt?
Nach dem Eindringen von mehreren Drohnen in den polnischen Luftraum hat die Regierung in Warschau Konsultationen nach Artikel 4 des Nato-Vertrags mit den Verbündeten beantragt. Das sagte Regierungschef Donald Tusk im Parlament in Warschau. Was hat es mit Artikel 4 auf sich? Wann greift Artikel 5? Diese und weitere Fragen klären wir hier.
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Was bedeutet Artikel 4 des Nato-Vertrages?
Mit dem Nordatlantikrat können sich die Mitgliedsstaaten der Nato über die sicherheitspolitische Lage austauschen. Eine Möglichkeit bietetArtikel 4 des Washingtoner Vertrages.Der Artikel 4 des Nato-Vertrages sieht Beratungen vor, wenn sich ein Nato-Staat von außen gefährdet sieht. Konkret heißt es darin: "Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist." Konkrete Konsequenzen müssen die Konsultation der Artikel-4-Beratungen nicht haben. Theoretisch könnte aber etwa in Folge die Luftraumüberwachung über die Nato verstärkt werden.
Wann haben sich die Nato-Staaten schon auf Artikel 4 berufen?
Der Artikel wurde seit Gründung des Bündnisses 1949 siebenmal in Anspruch genommen - zuletzt am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Beantragt wurde das damals von Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Tschechien und der Slowakei. Zuletzt lösten acht osteuropäische Staaten gemeinsam den Artikel aus: Am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine, beantragten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Tschechien und die Slowakei Konsultationen. Die veränderte Sicherheitslage an der NATO-Ostgrenze erforderte damals eine koordinierte Reaktion des Bündnisses. Polen erwog bereits im November 2022 nach einem Raketeneinschlag erneut die Aktivierung, verzichtete aber letztendlich darauf.
Welche Maßnahmen kann die Nato mit Artikel 4 umsetzen?
Die NATO-Konsultationen nach Artikel 4 führen nicht zwangsläufig zu konkreten Maßnahmen. Das Bündnis könnte jedoch eine intensivere Überwachung des Luftraums beschließen. Eine solche Verstärkung der gemeinsamen Luftraumkontrolle gilt als wahrscheinliche Reaktion auf die aktuellen Vorfälle.
Weitere denkbare Schritte umfassen gemeinsame Stellungnahmen oder erhöhte militärische Präsenz zur Abschreckung. Die endgültige Entscheidung liegt bei den 32 NATO-Mitgliedern, die ihre Reaktion individuell abstimmen. Für schnelle Einsätze stehen dem Bündnis derzeit 40.000 Soldaten in der NATO Response Force zur Verfügung. Beim Gipfel in Madrid 2022 beschlossen die Mitgliedstaaten eine Aufstockung dieser Eingreiftruppe auf 300.000 Soldaten.
Wann greift Artikel 5?
Die Nato setzt auf ihre Bündnissolidarität. Sollten die Partner einen Angriff auf ein oder mehrere Länder als kollektive Attacke einstufen, könnte Artikel 5 greifen. Er verpflichtet die 32 Nato-Staaten zur gegenseitigen Verteidigung:
- "Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffes jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechtes der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, [...]"
Nato im Kriegszustand: So oft griff das Bündnis auf Artikel 5 zurück
Das bedeutet: Artikel 5 hingegen würde das Bündnis faktisch in einen Kriegszustand versetzen können. Dieser wurde in der NATO-Geschichte bislang nur einmal ausgerufen - nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA. Dass die Nato auf den Artikel zurückgreift, bedarf überlegter Beratungen - auch weil dies ein erhebliches Eskalationsrisiko bergen würde.
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bos/news.de/dpa/stg
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