Angst vor einem "Lall-Kabinett": Braucht der Bundestag jetzt ein Alkoholverbot? 

Im Bundestag wird gefeiert, gesoffen – und geschwiegen. Nach einem Promille-Skandal in Polen warnen deutsche Politiker: Auch bei uns gibt's ein Alkoholproblem im Parlament. Droht nun ein Verbot?

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Braucht der Bundestag ein Alkoholverbot? Bild: AdobeStock / travelview
  • Debatte über Alkoholverbot im Bundestag
  • Grünen-Politiker warnt: Minister trinken vor Bundestagsreden
  • CDU lehnt Alkoholtests ab

Nachdem in Polen kürzlich ein betrunkener Abgeordneter aus dem Parlament geworfen wurde, greift Parlamentspräsident Szymon Holownia durch: Künftig müssen auffällige Politiker einen Alkoholtest bestehen. Die polnische Initiative wirft nun auch in Deutschland die Frage auf: Braucht der Bundestag ähnliche Regelungen? Die Meinungen deutscher Spitzenpolitiker gehen dabei weit auseinander.

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Alkoholverbot im Bundestag? Grünen-Politiker warnt vor Alkoholmissbrauch

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zeigt sich von der Maßnahme in Polen unbeeindruckt. Die CDU-Politikerin erklärte auf Anfrage der "Bild" knapp, dass es für solche Überlegungen weder in der Vergangenheit noch aktuell einen Grund gebe. Ganz anders sieht das der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. Er warnt vor einer riskanten Mischung aus permanentem Stress, Trennung von Familie und Freunden sowie allgegenwärtigem Alkohol im Politikbetrieb. Diese Kombination schaffe ideale Bedingungen für Suchterkrankungen. Alkoholismus sei "keine Charakterschwäche, sondern eine ernste Krankheit", für die "unsere Arbeitskultur allzu oft den Weg bereitet", sagte er gegenüber der "Bild". Laut eigenen Aussagen habe Dahmen sogar schon Minister gesehen, die sich vor Reden noch schnell einen genehmigten.Was viele als geselliges Beisammensein betrachteten, könne für einige zur Gefahr werden - ausgerechnet im politischen Machtzentrum.

Die Geschichte zeigt, dass das Problem nicht neu ist. Der CDU-Politiker Andreas Schockenhoff kämpfte jahrelang mit seiner Sucht und wurde durch Berliner Abendveranstaltungen immer wieder rückfällig. 2011 machte er seine Alkoholkrankheit in der Sendung "Günther Jauch" öffentlich. Drei Jahre später verstarb er nach einem Unfall in der Sauna.

Unvergessen bleibt auch der Auftritt des früheren FDP-Abgeordneten Detlef Kleinert im Bonner Bundestag. Mit schwerer Zunge beklagte er sich über die "eingeschränkte Aufnahmefähigkeit" seiner Kollegen, als diese ihn zum Ende seiner Rede drängten.

Drei Flaschen Wein am Tag sind möglich

Wolfgang Kubicki kennt die Verlockungen des Politikalltags aus eigener Erfahrung. Der FDP-Politiker und bekennender Weißweinliebhaber berichtet, dass Politiker von früh bis spät Alkohol angeboten bekämen. Wer nicht aufpasse, könne schnell bei zwei bis drei Flaschen täglich landen. Trotzdem spricht sich der 73-Jährige gegen Alkoholtests aus. Bei Fehlverhalten empfiehlt er Besonnenheit. Das Parlamentsrecht biete ausreichend Möglichkeiten für Sanktionen. Zudem vertraue er darauf, dass die Wähler selbst einschätzen könnten, ob ihre Volksvertreter noch bei klarem Verstand seien. Kubicki setzt damit auf die Eigenverantwortung der Abgeordneten und die Urteilskraft der Bürger statt auf Kontrollen nach polnischem Vorbild.

Grünen-Politiker warnt: "Wir wollen kein Lall-Kabinett werden"

Auch Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour positioniert sich gegen verpflichtende Alkoholtests. Der Grünen-Politiker warnt jedoch eindringlich vor den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums im Parlament. Zwar könnten manche Reden durchaus etwas mehr Schwung vertragen, doch ein "Lall-Kabinett" dürfe nicht entstehen. Wer schwanke, habe möglicherweise keinen klaren Blick mehr für das Grundgesetz, mahnt der 50-Jährige. Besonders problematisch seien Auftritte mit hohem Promillegehalt, da diese vor allem extremen politischen Kräften in die Hände spielten.

Die Würde des Parlaments verlange mehr als nur die Fähigkeit, aufrecht zum Rednerpult zu gelangen. Nouripour plädiert damit für Selbstkontrolle und Verantwortungsbewusstsein der Abgeordneten statt für Zwangsmaßnahmen nach polnischem Muster.

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