Beitragsexplosion verhindern: So können Krankenkassen Milliarden einsparen
Die gesetzlichen Krankenkassen haben mit hohen Kosten zu kämpfen. Dabei könnten Milliarden eingespart werden, wie aus einer neuen Studie hervorgeht. Ein Rettungsanker gegen explodierende Krankenkassenbeiträge?
Erstellt von Sabrina Böhme - Uhr
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- Studie: Krankenkassen können Milliarden sparen
- Einsparpotenzial nutzen, um Beitragserhöhungen zu verhindern
- Experten raten: Reformen und verbesserte Prozesse durch Digitalisierung umsetzen
Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen ist weiterhin angespannt. Für 2024 hatten die 94 gesetzlichen Krankenkassen ein Defizit von 6,2 Milliarden Euro verbucht. Die Kosten sind hoch. Als Folge stiegen die Beiträge für Millionen Versicherte. Doch die Krankenkassen können bis zu 13 Milliarden Euro sparen, wie aus einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hervorgeht.
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Studie deckt auf: So können Krankenkassen Milliarden sparen
Die möglichen Einsparungen entsprechen fast vier Prozent der Gesamtausgaben von mehr als 300 Milliarden Euro. Dies könnte den Beitragssatz um bis zu 0,7 Prozentpunkte entlasten. Es gibt einige Bereiche, in denen das größte Einsparpotenzial liegt. Das wären zum einen die Leistungsausgaben für medizinische Behandlungen, Medikamente und Krankenhausaufenthalte. Aber auch in der Verwaltung sieht die Studie erhebliche Möglichkeiten zur Kostensenkung. Angesichts steigender Beiträge und wachsendem Wettbewerbsdruck zwischen den Kassen gewinnen diese Einsparmöglichkeiten zunehmend an Bedeutung.
Krankengeld, Arzneimittel und mehr: Hier können Krankenkassen sparen
Den größten Hebel für Einsparungen sehen die Deloitte-Experten bei den Leistungsausgaben. Mit rund 312 Milliarden Euro brauchen diese fast das gesamte Budget der Krankenkassen. Durch digitale Prüfverfahren und automatisierte Abläufe könnten hier bis zu zwölf Milliarden Euro jährlich eingespart werden.
Besonders bei Krankenhausrechnungen zeigt sich das Potenzial. Mithilfe von KI ließen sich doppelte oder fehlerhafte Abrechnungen gezielt identifizieren. Was bisher Tage dauert, könnte in Minuten automatisiert werden. Dies würde nicht nur Kosten senken, sondern auch weniger Personal binden.
Auch bei Krankengeld, Arzneimitteln und Hilfsmitteln sieht die Studie Einsparmöglichkeiten. Präzisere Prüfungen könnten falsche oder überhöhte Forderungen frühzeitig stoppen. David Matusiewicz, Gesundheitsökonom an der FOM Hochschule, erklärt gegenüber dem "Handelsblatt": "Algorithmen könnten dabei eine große Hilfe sein."
Mehr Digitalisierung in Krankenkassen senkt Kosten
In der Verwaltung könnten die Krankenkassen laut Deloitte bis zu einer Milliarde Euro einsparen. Die Verwaltungskosten machen mit rund 13 Milliarden Euro zwar nur einen kleinen Teil der Gesamtausgaben aus. Doch hier haben die Kassen den größten eigenen Gestaltungsspielraum.
Durch gebündelte Einkäufe, automatisierte Abläufe und den Einsatz von KI in der Kundenkommunikation ließen sich acht Prozent der Verwaltungsausgaben reduzieren. "Bei einer Krankenkasse mittlerer Größe gehen jährlich rund eine Million genehmigungspflichtige Anträge ein. 850.000 davon werden manuell bearbeitet", erklärt Dr. Gregor-Konstantin Elbel von Deloitte. Dafür werdenrund 200 Vollzeitkräfte benötigt.
Standardisierte Abläufe könnten vollständig digitalisiert werden. "Ein Antrag wird eingereicht, geprüft und abgelehnt. Der Antragsteller legt Widerspruch ein – auch dieser wird geprüft und häufig erneut abgelehnt", erklärt Matusiewicz. Die Automatisierung würde Bearbeitungszeiten verkürzen und den Personalbedarf präziser planbar machen.
Kostensenkung, um Beitragsexplosion zu verhindern
Der wachsende Wettbewerbsdruck stellt die Krankenkassen vor große Herausforderungen. Nach deutlichen Beitragserhöhungen im Herbst 2024 erwägen laut einer Deloitte-Umfrage rund 17 Prozent der gesetzlich Versicherten einen Kassenwechsel. Das entspricht etwa zehn Millionen aller Versicherten.
Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, warnte kürzlich, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag von 2,5 Prozent nicht ausreichen werde. Eine Erhöhung auf mindestens 2,6 Prozent gelte als wahrscheinlich. Bei einem Bruttolohn von 3500 Euro bedeutet das 3,50 Euro mehr im Monat. Manche Kassen verlangen bereits bis zu vier Prozent.
"Die Kassen sind gut beraten, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Kostensenkungen zu stärken", sagt Gregor-Konstantin Elbel, Partner bei Deloitte. Für betroffene Kassen hätte eine Wechselwelle doppelte Folgen: mehr Verwaltungsaufwand durch die Wechsel und gleichzeitig sinken die Einnahmen.
Digitale Infrastruktur als Schlüssel für Krankenkassenreformen
Die Branche fordert schnellere Veränderungen im Gesundheitswesen. Beim TI-Summit Anfang Juni in Leipzig warnte Ralf Degner, Digital Officer der Techniker Krankenkasse, vor einem "Weiter-so". Der einzige Ausweg sei, Abläufe vor allem in der Versorgung konsequent digital umzubauen.
Eine funktionierende elektronische Patientenakte (ePA) wäre dafür Voraussetzung. Seit April 2025 ermöglicht die "ePA für alle" zwar die digitale Speicherung von Befunden, Impfungen und Medikationsplänen. Doch viele Prozesse laufen nicht effizient, sondern sind teilweise veraltet oder müssen manuell erledigt werden.
"Wenn wir in derselben Geschwindigkeit wie bisher weitermachen, kriegen wir in den nächsten drei bis vier Jahren nicht viel hin", warnt Degner. Für umfassende Einsparungen sei der Gesetzgeber mit weitreichenden Reformen gefragt, betont auch Gregor-Konstantin Elbel von Deloitte.
Experte erklärt: Kosten einsparen durch Zusammenschluss von Krankenkassen
Gesundheitsökonom David Matusiewicz sieht weitere Einsparungsmöglichkeiten bei der Anzahl der Krankenkassen. Aktuell gibt es 94 gesetzliche Kassen. "Weniger wäre mehr", sagt Matusiewicz. Es gebe kaum einen Unterschied bei den Leistungen und der Verwaltungsaufwand sei enorm.
Studien zeigen, dass Kassen jährlich Hunderte Millionen Euro einsparen könnten, wenn sie sich zusammenschließen. Dies würde den Wettbewerb so verändern, dass er den Versicherten mehr Qualität und Service bietet.
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