Alkoholsucht: Zehntausende Alkoholtote: Nicht nur am Vatertag ein Problem

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen fordert drastisch höhere Alkoholsteuern, um den gesundheitsschädlichen Konsum einzudämmen. Gleichzeitig kämpft die deutsche Brauwirtschaft mit einbrechenden Exportzahlen.

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Alkohol verursacht nicht nur über 47.000 Tote pro Jahr, sondern auch massive wirtschaftliche Schäden. (Foto) Suche
Alkohol verursacht nicht nur über 47.000 Tote pro Jahr, sondern auch massive wirtschaftliche Schäden. Bild: picture alliance/dpa | Christoph Schmidt
  • Deutsche Suchtexperten fordern höhere Alkoholsteuern
  • Alkohol verursacht sowohl gesundheitliche als auch wirtschaftliche Schäden
  • Brauerei-Industrie in Deutschland beklagt einbrechende Exportzahlen

Am 29.05.2025 ist wieder Vatertag. Bedeutet: Bollerwagen, Bier und Betrunkene. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) fordert in ihrem jüngst veröffentlichten "Jahrbuch Sucht 2025" deutlich höhere Steuern auf alkoholische Getränke. Demnach sorgt der billige Partyspaß jedes Jahr für über 40.000 Tote - eine höhere Steuer könnte dagegen helfen.

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Hintergrund:Forschungsergebnisse zeigen, dass höhere Preise für alkoholische Getränke ein effektives Mittel sind, um den Konsum zu senken. Die Biersteuer wurde zuletzt 1993 erhöht, während auf Wein überhaupt keine Verbrauchsteuer erhoben wird.

Das Jahrbuch offenbart alarmierende Zahlen: Etwa 47.500 Menschen sterben jährlich an den Folgen von Alkoholkonsum. Mehr als ein Fünftel der Bevölkerung trinkt Alkohol in riskantem bis suchtkrankem Ausmaß. Bei etwa neun Prozent der 18- bis 64-Jährigen liegt Missbrauch oder Abhängigkeit vor. Die DHS fordert die Politik zum Handeln auf und betont, dass der Gesundheit von Millionen Menschen "Vorrang gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Alkoholindustrie einzuräumen" sei.

Folgen von Alkohol sind enorm - auch für die Wirtschaft

"Alkohol ist ein Zellgift", betont Suchtforscher Jakob Manthey, Mitautor des Jahrbuchs. Chronisches Trinken erhöht die Risiken für zahlreiche Erkrankungen wie Krebs, Herzprobleme und Leberzirrhose. Hinzu kommen Unfälle durch Alkohol am Steuer und Gewaltdelikte unter Rausch. Die wirtschaftlichen Folgen sind enorm: Alkoholkonsum verursacht ökonomische Kosten von rund 57 Milliarden Euro jährlich. Beim Tabakkonsum, von dem mehr als 30 Prozent der erwachsenen Bevölkerung betroffen sind, liegen die volkswirtschaftlichen Folgekosten sogar bei etwa 97 Milliarden Euro pro Jahr. Insgesamt sind laut DHS etwa acht Millionen Menschen in Deutschland suchtkrank. Neben Alkohol und Tabak bereiten auch neue Entwicklungen Sorge: "Vielerorts wird beobachtet, dass Crack und stark wirksame synthetische Opioide wie Fentanyl in den örtlichen Drogenszenen auftauchen", heißt es im Jahrbuch.

Alkoholpreise in Deutschland deutlich niedriger als in Europa

In Deutschland sind die Preise für alkoholische Getränke in den letzten 20 Jahren deutlich weniger stark gestiegen als für Nahrungsmittel. "Der Orangensaft wird schon wieder teuer, der Preis für die Flasche Wodka bleibt stabil", verdeutlicht DHS-Geschäftsführerin Rummel die Situation. Deutschland schneidet bei den Alkohol-Verbrauchsteuern im internationalen Vergleich besonders schlecht ab. Suchtforscher Manthey bezeichnet das Land als "" in dieser Hinsicht. An dieser "sehr effektiven Stellschraube" sei seit Jahrzehnten nicht gedreht worden. Die Biersteuer wurde zuletzt vor über 30 Jahren angepasst, während auf Wein überhaupt keine Verbrauchsteuer erhoben wird. Durch diese niedrige Besteuerung entgehen dem Staat Einnahmen in Milliardenhöhe, während gleichzeitig die gesundheitlichen Folgekosten des Alkoholkonsums die öffentlichen Kassen belasten.

Modellrechnung: Höhere Steuern könnten Todesfälle verhindern

Konkrete Berechnungen der Suchtexperten zeigen, wie wirksam Preiserhöhungen sein könnten. Würden alkoholische Getränke im Durchschnitt um nur fünf Prozent teurer, würde der Pro-Kopf-Konsum um 2,2 Prozent sinken. Diese moderate Preiserhöhung könnte laut Suchtforscher Manthey etwa 850 alkoholbedingte Todesfälle pro Jahr verhindern. Gleichzeitig würde der Staat zusätzliche 1,4 Milliarden Euro an Steuern einnehmen. Die DHS fordert neben höheren Verbrauchsteuern auch verstärkte Präventionsmaßnahmen und mehr Investitionen in die Suchthilfe.

"Sucht- und Drogenthemen müssen auf einer gesundheitspolitischen Dringlichkeitsskala ganz oben stehen", verlangt die Organisation. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sei "angesichts der Dramatik des Problems definitiv ausbaufähig", kritisiert Rummel. Die neue Bundesregierung müsse die enormen Herausforderungen energisch angehen. Auch die Ampel-Koalition wollte bereits strengere Regeln für Alkoholwerbung durchsetzen. Doch bis heute finden sich keine Hinweise darauf, dass ein konkretes Gesetz je in Arbeit war.

Bierexport bricht ein - Überkapazitäten in der Braubranche

Während Gesundheitsexperten höhere Alkoholsteuern fordern, kämpft die deutsche Brauwirtschaft mit erheblichen Problemen. Die Exportchancen für deutsches Bier haben sich auf außereuropäischen Märkten merklich eingetrübt. Besonders der Handelskonflikt mit den USA belastet die Branche. "Die deutschen Brauereien sind seit dem 5. April 2025 von dem zehnprozentigen Basiszollsatz der USA betroffen", erklärt Rodger Wegner vom Verband der Ausfuhrbrauereien. Im Juli könnte der Zoll sogar auf 20 Prozent steigen.

Gleichzeitig bestehen in der deutschen Braubranche erhebliche Überkapazitäten. Der Bierabsatz im Inland schrumpft im laufenden Jahr weiter kräftig, wie die Zahlen der ersten Monate zeigen. Zwischen 2014 und 2024 ging der Inlandsabsatz bereits um 15 Prozent zurück. Mit 18 Prozent der deutschen Bierproduktion geht fast ein Fünftel in den Export. Die größten Absatzmärkte waren 2024 wertmäßig Italien, China und Russland.

Gesundheitspolitik und Brauereien stehen im Interessenkonflikt

Die Forderung nach höheren Alkoholsteuern trifft die Brauereien in einer wirtschaftlich angespannten Situation. Während Gesundheitsexperten auf die hohen gesellschaftlichen Kosten des Alkoholkonsums verweisen, könnten Preiserhöhungen die ohnehin schwierige Lage der Brauereien weiter verschärfen. Paradoxerweise könnten Verbraucher in Deutschland preislich sogar von den schlechteren Exportchancen profitieren. Durch die Überkapazitäten und den schrumpfenden Inlandsabsatz setzen Handelskonzerne verstärkt auf Sonderangebote bei Bier, um Kunden anzulocken.

Bei der meist getrunkenen Biersorte Pils werden seit langem mehr als zwei Drittel der Menge über Aktionsangebote verkauft. Diese Preispolitik steht im direkten Widerspruch zu den gesundheitspolitischen Forderungen nach höheren Alkoholpreisen. Ein Hoffnungsschimmer für die Gesundheitsexperten: Die jüngere Generation trinkt deutlich weniger Alkohol als ältere Generationen, was langfristig zu einem gesellschaftlichen Wandel führen könnte.

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