Radikale Reform: Kassenärzte-Chef fordert Praxisgebühr zurück - und eine Leistung soll weg
Zehn Euro pro Arztbesuch, höhere Steuern auf Zigaretten und Schluss mit Globuli auf Kassenkosten: Kassenärzte-Chef Andreas Gassen will das Gesundheitssystem radikal umkrempeln, doch die Krankenkassen blocken ab.
Erstellt von Anika Bube - Uhr
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- Ärzte-Chef Andreas Gassen fordert die Rückkehr der Praxisgebühr
- Tabak-, Alkohol- und Zuckersteuer sollen Milliarden ins Gesundheitssystem bringen
- Krankenkassen lehnen die Vorschläge scharf ab
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, hat weitreichende Vorschläge zur Sanierung des deutschen Gesundheitssystems vorgelegt. In einem Interview mit der "Rheinischen Post" sprach sich der Ärztefunktionär für eine Wiedereinführung der Praxisgebühr in Höhe von zehn Euro pro Quartal aus. Darüber hinaus fordert Gassen die Einführung einer Zuckersteuer nach skandinavischem Vorbild sowie deutlich höhere Abgaben auf Tabak und Alkohol.
Ärzte-Chef fordert Rückkehr zur Praxisgebühr und höhere Steuern
"Es gibt Wege, Einnahmen gezielt zu erhöhen", erklärte Gassen. Die zusätzlichen Steuereinnahmen sollen dabei nicht im allgemeinen Bundeshaushalt landen, sondern zweckgebunden dem Gesundheitswesen zugutekommen. Die vorgeschlagene Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal hält Gassen für durchaus zumutbar. "Zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal" seien schließlich "der Preis eines Döners", argumentierte der KBV-Chef. Anders als bei der früheren Regelung sollen jedoch nicht die Arztpraxen das Geld kassieren, sondern die Krankenkassen direkt bei den Versicherten einziehen. Damit will Gassen den bürokratischen Aufwand für die Mediziner reduzieren.
Der Ärztefunktionär verwies auf die Erfahrungen mit der alten Praxisgebühr, die den Kassen jährlich rund zwei Milliarden Euro eingebracht habe. Zum Vergleich: Ein Hautarzt erhalte pro Patient monatlich nur etwa 15 Euro von den Kassen.
Sieben Milliarden Euro durch höhere Tabaksteuer
Bei der Tabaksteuer schwebt Gassen eine Erhöhung um zwei Euro pro Zigarettenpackung vor. "Zwei Euro Steuern mehr pro Zigaretten-Packung wären doch ein guter Anfang", sagte er. Diese Maßnahme könnte dem Gesundheitssystem jährlich etwa sieben Milliarden Euro einbringen. Ein positiver Nebeneffekt: Jugendliche könnten vom Rauchen abgehalten werden. Schließlich zähle Tabakkonsum zu den Hauptursachen für schwere Erkrankungen wie Lungenkrebs und Herzinfarkte.
Zusätzlich plädiert der KBV-Vorsitzende für eine Zuckersteuer, wie sie in skandinavischen Ländern bereits erhoben wird. Entscheidend sei dabei, dass sämtliche Einnahmen zweckgebunden ins Gesundheitswesen fließen und nicht im Bundeshaushalt versickern.
Schluss mit Globuli auf Kassenkosten
Neben neuen Einnahmequellen sieht Gassen auch erhebliches Sparpotenzial bei bestimmten Leistungen. Besonders die Kostenübernahme für Homöopathie steht in seiner Kritik. "Es gibt keine Evidenz, dass Homöopathie wirkt", betonte der KBV-Chef. Wer an Globuli und Mistelzweige glaube, solle diese gerne nutzen – "aber nicht zu Lasten der Beitragszahler". Jährlich geben die Kassen rund 50 Millionen Euro für homöopathische Behandlungen aus.
Auch Gesundheits-Apps geraten ins Visier des Ärztefunktionärs. Diese Anwendungen, die etwa beim Rauchstopp oder bei Depressionen helfen sollen, hätten zwischen 2020 und 2024 rund 234 Millionen Euro verschlungen. Gassen kritisiert fehlende Kontrollen über den tatsächlichen Nutzen.
Krankenkassen erteilen Forderungen klare Absage
Der GKV-Spitzenverband reagierte ablehnend auf die Reformideen des Kassenärzte-Chefs. Verbandssprecher Florian Lanz stellte klar: "Einfach mehr Geld führt nicht zu einer besseren Versorgung, sondern konserviert nur die alten Strukturen." Das deutsche Gesundheitswesen leide nicht unter mangelnden Einnahmen, sondern unter einem Ausgabenproblem.
"Das Gesundheitswesen braucht Veränderung, keinen Stillstand", betonte Lanz. Statt zusätzlicher Finanzierungsquellen seien strukturelle Reformen erforderlich. Der Spitzenverband fordert zudem, dass sich auch die Pharmaindustrie und niedergelassene Ärzte am geplanten Sparpaket der Bundesregierung beteiligen sollen.
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bua/news.de
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