Von news.de-Redakteur Andreas Schloder - Uhr

X- und O-Beine: Wieder gerade biegen

Im Babyalter O-, in der Pubertät X-Beine: Während des Wachstums ändert sich die Beinform. Wird die Fehlstellung nicht korrigiert, können Gelenke dauerhaft geschädigt werden. Dann hilft nur noch eine Operation.

Wem könnten wohl diese O-Beine gehören? Natürlich Pierre Littbarski. (Foto) Suche
Wem könnten wohl diese O-Beine gehören? Natürlich Pierre Littbarski. Bild: imago
0- und X- Beine korrigieren

Unvergessen: Pierre Littbarski, Interimscoach des VfL Wolfsburg und Fußballweltmeister von 1990, ist das Paradebeispiel dafür, dass Kicker über O-Beine verfügen, durch die man im normalen Stand durchschießen kann.

Dabei sind krumme Beine im Kleinkindalter normal: Sie ermöglichen Säuglingen bei ihren ersten Gehversuchen einen breiteren Stand. Je gehsicherer sie werden, desto mehr nehmen die Extremitäten eine X-Haltung ein. Mit zunehmendem Alter pendelt sich eine gerade Beinstellung ein. Doch es gibt Ausnahmen. Neben Wachstumsproblemen und rheumatischen Erkrankungen können vor allem Unfälle sowie fehlerhaft verheilte Knochenbrüche für Fehlstellungen sorgen - egal ob X- oder O-Beine.

Fußballer nehmen jedoch in der Ausbildung deformierten Beinen eine besondere Rolle ein: Nur wenige Studien beschäftigen sich grundsätzlich mit dem Zusammenhang zwischen Kicken und der Ausbildung von O-Beinen. Zwei interessante Studien konnten aber nachweisen, dass Fußballspielen die Fehlstellung maßgeblich beeinflussen kann, wie Dr. Andreas Toepfer, Oberarzt an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Klinikums Rechts der Isar in München erklärt.

«Die aktuellste Studie konnte die landläufige Meinung, Fußballspieler leiden häufiger an O-Beinen, in der Tat statistisch nachweisen.» Die Hypothese der Studie besage, dass vermehrte fußballbedingte Belastung zum Zeitpunkt des Wachstumsabschlusses der jugendlichen Fußballspieler zu einer Wachstumsdeformität beitragen könne, so der Arzt.

Mit verkürzten Muskeln besser schießen

Im Gegensatz zu Sportarten mit gleichmäßigerer körperlicher Belastung sorgen plötzliche Scherbewegungen für Belastungsspitzen. Diese führen dazu, dass Fußballer verschleißbedingt eine zunehmende Fehlstellung entwickeln können. Muskelverkürzungen der Adduktoren können diesen Vorgang zusätzlich verstärken. Positiver Effekt für Kicker: Dadurch sei eine spezielle Schusstechnik mittels Außenrist leichter möglich, sagt Toepfers Kollege Dr. Norbert Harrasser.

Fehlstellungen sind mehr als ein kosmetischer Makel, auch wenn Betroffene viele Jahre beschwerdefrei leben. Langfristig verschleißen die Gelenke einseitig. Das Kniegelenk wird besonders in Mitleidenschaft gezogen. Bei O-Beinen betrifft es hauptsächlich die Gelenkinnenseite, bei X-Beinen die äußere. Diese einseitige Abnutzung führt zu Arthrose - mit schmerzhaften Folgen und Bewegungseinschränkungen.

Wer schon in jungen Jahren über Knieprobleme klagt, dem raten die Münchner Experten, sich so schnell wie möglich untersuchen zu lassen. Das Ziel sei es, durch eine konservative Therapie eine Operation ganz zu vermeiden oder möglichst lange Zeit herauszuzögern.

Bewegung statt Belastung: Toepfer empfiehlt, den Gelenken zuliebe sogar die Sportart zu wechseln. Disziplinen wie Fußballspielen beanspruchen die Kniegelenke durch rasche Belastungswechsel, Sprünge und Sprints deutlich mehr als «sanftere» Sportarten wie Schwimmen und Radfahren. Denn das Körpergewicht muss nicht von den Gelenken getragen werden. Des Weiteren sei es wichtig, bei zu viel Masse abzuspecken. «Übergewicht ist, Unfälle unberücksichtigt, der größte Risikofaktor für die Entstehung einer Kniegelenksarthrose», sagt der Münchner Orthopäde. Überschüssiges Gewicht drücke auf die Gelenke und fördere den vorzeitigen Verscheiß.

Um die Gelenke zu entlasten, sollten Betroffene zur Krankengymnastik gehen und ohne übermäßige Belastung die Muskulatur stärken. Die ärztliche Therapie sieht auch entzündungshemmende Medikamente vor. In fortgeschrittenen Fällen werden die Kniegelenke «fit gespritzt». Das heißt: Die Gelenkschmiere wird künstlich ersetzt.

Für Tausende Patienten kommen diese Behandlungsformen zu spät. Ihnen bleibt nur der operative Eingriff  - entweder durch eine Korrektur der Beinachsen, auch Umstellungsosteotomie genannt oder im fortgeschrittenen Arthrosdestadium der künstliche Kniegelenksersatz. «Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2008 insgesamt 25.174 stationäre Patienten in Deutschland operativ mit Osteotomien und Korrekturosteotomien versorgt», erklärt Toepfer.

Allerdings beziehe sich diese Zahl auf verschiedene Korrekturen am Knochen, nicht nur auf kniegelenksnahe Korrekturen. «Aus eigener Erfahrung würde ich den Anteil der kniegelenksnahen Osteotomien zur Korrektur von X- und O-Beinen auf rund 50 Prozent schätzen», so der Orthopäde.

Dass nur ein geringer Prozentsatz der Patienten mit Kniegelenksberschwerden für die Operation in Frage komme, liege laut Toepfer an den notwendigen Voraussetzungen für den Eingriff. Übergewicht, ein Patientenalter über 60 Jahre und eine bereits vorhandene Knigelenksarthrose - mit diesen Faktoren ist der Eingriff nicht möglich. Weitaus mehr Patienten benötigen eine Operation mit Implantation eines künstlichen Kniegelenks als eine Umstellungsosteotomie», erklärt Töpfer.

Krankenkassen übernehmen die Kosten

Die Operation ist simpel, solange das Kniegelenk nicht übermäßig in Mitleidenschaft gezogen wurde. Beim O-Bein wird in der Regel am Unterschenkel operiert. Dabei wird der Schienbeinknochen aufgesägt (Sehen Sie mehr dazu in unserer Grafik). «Durch die KeilentnahmeAus dem Knochen wird ein Keil herausgesägt. wird der Knochen begradigt und anschließend mit Platte und Schrauben in der neuen Position fixiert», erklärt Toepfer. «Die Platte wird in der Regel ein Jahr nach der Korrektur-OP wieder operativ entfernt, frühestens aber sobald der Knochen ausreichend fest ist», betont der Spezialist.

Beim X-Bein verläuft der Eingriff ähnlich. An der Innenseite des Oberschenkelknochens, knapp über dem Kniegelenk, wird ein Keil herausgesägt, der Knochen zusammengeklappt und mit einer Platte samt Schrauben fixiert. Die Regeneration verläuft wie bei der O-Bein-OP. Die Krankenkassen kommen für die Operation auf. Einschließlich Aufenthalt koste dies rund 4500 Euro, so Harrasser.

ham/zij/ivb/news.de

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