Von news.de-Redakteurin Claudia Arthen - Uhr

Kaiserschnitt: Programmierte Geburt

Jedes dritte Kind in Deutschland kommt per Kaiserschnitt zur Welt. Das liegt zum einen an der hohen Zahl von Spätgebärenden, aber auch daran, dass Ärzte den Eltern die Operationen ausdrücklich empfehlen. Aus Profitgier?

In Deutschland kommt jedes dritte Baby per Skalpell zur Welt - mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren. (Foto) Suche
In Deutschland kommt jedes dritte Baby per Skalpell zur Welt - mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Bild: news.de/Istockphoto (Montage)

Die Kinder prominenter Mütter müssen nur noch selten durch den engen Geburtskanal auf die Welt kommen. Lilly Becker, Sandy Meyer-Wölden, Victoria Beckham, Angelina Jolie - die Liste der Reichen und Schönen ist lang, die ihr Baby vor dem errechneten Wehentermin vom Chirurgen holen lassen. Schon wenige Wochen nach der Geburt sieht man die Promimütter dann wieder rank und schlank und glücklich strahlend mit dem Neugeborenen im Arm auf Pressebildern.

Die Stilikonen aus den Hochglanzmagazinen und Zeitungen nehmen beim Kinderkriegen anscheinend Einfluss auf deutsche Frauen. Denn hierzulande kommen immer mehr Kinder per Kaiserschnitt zur Welt. Wie die Krankenkassen DAK und TK mitteilen, stieg die Zahl der Kaiserschnittgeburten innerhalb weniger Jahre erheblich: Hatte 2002 jede fünfte Frau auf diesem Weg entbunden, war es 2008 schon jede dritte. Dabei ist ein Kaiserschnitt laut DAK und TK nur in 2 von 100 Fällen medizinisch notwendig.

Der Bauchschnitt liegt im Trend - warum?

Warum entscheiden sich werdende Mütter dennoch für eine Geburt per Skalpell? Zum einen liegt das daran, dass Frauen immer später Mütter werden. «Mit dem Alter wächst die Gefahr, dass während der Schwangerschaft Komplikationen auftreten», sagt Dr. Jürgen Langosch vom TK-Ärztezentrum. Um mögliche Probleme bei der Geburt zu vermeiden, werden Kaiserschnitte bei Erstgebärenden über 35 Jahre 15 Prozent häufiger angewendet als bei 19- bis 26-Jährigen.

Das allein erklärt jedoch noch nicht den rasanten Anstieg der Geburtsoperationen. Die Vermutung liegt nahe, dass sich viele werdende Mütter bewusst dafür entscheiden. «Etwa, weil sie Angst vor Geburtsschmerzen haben», sagt Langosch. Weil ihnen die exakte Planung gut in den Terminkalender passt. Oder weil sie den schweren Bauch bis zu zwei Wochen früher loswerden wollen. Grund könnte auch sein, dem Wunschkind einen Wunschgeburtstag zu geben.

Eine Studie der Universität Bremen entlastet Kaiserschnittmütter jedoch: Nur 2 von 100 Gebärenden hatten sich demnach von vornherein für einen Kaiserschnitt entschieden. 60 Prozent der befragten Frauen berichteten, die Operation sei ihnen vom Arzt ausdrücklich empfohlen worden.

Die Techniker Krankenkasse bestätigt das. Langosch sagt, der Kaiserschnitt werde sehr viel öfter von Ärzten empfohlen als von den Eltern gewünscht. Dahinter stecke reine Profitgier: Kaiserschnittgeburten sind für Kliniken viel profitabler als normale Geburten. Bis zu 4000 Euro bekommt ein Krankenhaus für einen Kaiserschnitt, der innerhalb von 30 bis 60 Minuten erledigt ist. Für eine natürliche Geburt, die sich lange hinziehen kann, gibt es nur rund 2000 Euro. Außerdem lässt sich ein Kaiserschnitttermin optimal einplanen: Es fallen keine teuren Nacht- oder Wochenendzuschläge für das Personal an.

Ein weiterer Grund, der aus Sicht der Ärzte für den Kaiserschntit spricht: Die Mediziner gehen weniger Risiken ein. Bisher sei noch kein Mediziner für einen Kaiserschnitt verklagt worden. Aber häufig schon hätten Eltern Schadenersatz gefordert, nachdem es bei der Geburt Komplikationen gegeben hatte und das Baby gesundheitliche Schäden davontrug.

Die Risiken eines Kaiserschnitts

«Dabei sind die Risiken bei einem Kaiserschnitt viel höher als bei einer normalen Entbindung», sagt Langosch. Thrombosen und Blutungen gehörten zu den häufigsten Komplikationen. Außerdem habe ein Kind, das durch Kaiserschnitt entbunden werde, ein höheres Risiko, an Diabetes, Krebs oder Asthma zu erkranken, erklärt der Hamburger Frauenarzt.

US-Forscher der Boston University School of Health fanden heraus, dass sich Frauen nach einem Wunschkaiserschnitt im ersten Monat nach der Entbindung häufiger erneut stationär behandeln lassen müssen als nach einer natürlichen Geburt. Die meisten von ihnen aufgrund von Operationsfolgen.

Wer sich um seine Figur sorgt, um sein Liebesleben oder um die Kontrolle der Blase, findet im Wunschkaiserschnitt auch nicht die bessere Alternative, sagt Langosch. Während der letzten Schwangerschaftswochen wird der Beckenboden bereits so stark belastet, dass die Geburt selbst kaum noch Einfluss auf die Gewebefestigkeit hat. Deshalb kann es auch nach einem Kaiserschnitt zu Blasenschwäche und Gebärmuttersenkung kommen. Intensives Beckenbodentraining bleibt den Müttern in beiden Fällen nicht erspart. «Wer sein Baby auf normalem Weg bekommt, darf allerdings früher damit anfangen», sagt der Mediziner.

Auch die Angst vor Schmerzen ist laut dem Experten kein Argument für die Geburt nach Plan. Die meisten Patientinnen erhalten zwar eine Teilnarkose, die den Eingriff selbst schmerzfrei macht. Die Pein beginnt aber nach der Geburt. Selbst wenn der Chirurg modernste Techniken anwendet, muss er schneiden und das Gewebe dehnen. Kaiserschnittmütter haben nach dem Eingriff noch etwa zehn Tage Wundschmerzen. «Bei einer natürlichen Geburt», so Langosch, «sind die Wehen oft schon am nächsten Tag vergessen.»

/ivb/news.de/ap

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