Gespräche auf Bundesebene bestätigt: Das steckt hinter dem AfD-Kuschelkurs mit dem BSW
Die Alternative für Deutschland will nicht nur in Thüringen, sondern auch auf Bundesebene mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gemeinsame Sache machen. Bild: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Erstellt von Claudia Löwe
04.07.2025 12.15
- Alternative für Deutschland und Bündnis Sahra Wagenknecht gehen auf Kuschelkurs
- AfD will auf Bundesebene gemeinsame Sache mit BSW machen - was steckt dahinter?
- AfD-Chef Chrupalla bestätigt Annäherung an Bündnis Sahra Wagenknecht auf Bundesebene nach Thüringen-Treffen
In Thüringen ist die AfD bereits mit der Fraktionsspitze des Bündnis Sahra Wagenknecht auf Tuchfühlung gegangen - nun will die Alternative für Deutschland auch auf Bundesebene gemeinsame Sache mit dem BSW machen. Bestätigt wurden diese Absichten von AfD-Chef Tino Chrupalla, der im Interview mit "Welt TV" erstmals Gespräche zwischen seiner Partei und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf Bundesebene einräumte.
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Erst Thüringen, dann auf Bundesebene: AfD knüpft Kontakte zum Bündnis Sahra Wagenknecht
Chrupalla erklärte, dass bereits Kontakte zwischen beiden Parteien bestünden. Die Gespräche drehen sich dem AfD-Vorsitzenden zufolge darum, "was Deutschland bewegt, und wie man Mehrheiten verändern kann". Zudem zeigte sich Chrupalla sich offen für weitere Treffen. Auf die Frage, ob er und die AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel für Gespräche mit Sahra Wagenknecht zur Verfügung stünden, antwortete er mit einem klaren "Ja, also immer". Der AfD-Chef warb offen für neue politische Konstellationen: "Warum soll man nicht mit wechselnden Mehrheiten Gesetzesvorhaben und gute Dinge für Deutschland durchsetzen?"
Auch Sahra Wagenknecht hatte sich bereits für wechselnde Mehrheiten ausgesprochen. Sie kritisierte die aktuelle Thüringer Koalition aus BSW, CDU und SPD als "profillose Allparteienkoalition". Diese Unzufriedenheit scheint die Annäherung zwischen AfD und BSW zu begünstigen.
Alternative für Deutschland auf Kuschelkurs mit dem BSW: Woher kommt der Sinneswandel?
Die Annäherung zwischen AfD und BSW markiert eine neue Entwicklung in der deutschen Politik. Bisher hatten andere Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen. Nun deutet sich eine mögliche Kooperation im Bundestag an. Den Anstoß für die Annäherung auf Bundesebene gab ein Treffen in Thüringen. Der dortige BSW-Landtagsfraktionschef Frank Augsten hatte sich mit AfD-Fraktionschef Björn Höcke getroffen. Laut Augsten hätten beide "konstruktiv und offen über unsere unterschiedlichen Sichtweisen, Probleme und Perspektiven der aktuellen Landespolitik gesprochen". Die Thüringer AfD wird seit 2021 vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Höcke gilt innerhalb der AfD als einer der Wortführer der äußersten Rechten.
AfD stürzt in Umfragen ab - was verspricht sich die Partei von Weidel und Chrupalla von einer BSW-Kooperation?
Chrupalla lobte dieses Treffen ausdrücklich. Es sei "absolut richtig und vor allen Dingen auch im Bürgerinteresse", erklärte der AfD-Chef. Er verwies darauf, dass die AfD in Thüringen die mit Abstand stärkste Kraft sei und von den anderen Parteien ausgeschlossen werde.
Doch was steckt hinter den Absichten von AfD und BSW, plötzlich gemeinsame Sache machen zu wollen? Was bewegt das Bündnis Sahra Wagenknecht, der AfD die Hand entgegenzustrecken, obwohl sämtliche Parteien diesen Schritt mit Nachdruck ausschließen? Die "Bild" wagt einen Erklärungsversuch: Die Annäherung zwischen AfD und BSW erfolgt demnach in einer Phase der Schwäche für beide Parteien. Die AfD verliert derzeit in Umfragen an Boden und erreichte laut INSA zuletzt nur noch 22,5 Prozent - ihren schlechtesten Wert seit Ende März. Der Partei fehlt eine klare Machtperspektive und ein politischer Partner.
Bündnis Sahra Wagenknecht bei Bundestagswahl gescheitert
Auch das BSW kämpft mit Problemen. Die Partei verpasste bei der Bundestagswahl im Februar mit 4,981 Prozent knapp den Einzug ins Parlament. In Thüringen regiert das BSW nun in einer Koalition mit CDU und SPD, was Parteichefin Wagenknecht zunehmend kritisch sieht. Beide Parteien eint die Opposition gegen die etablierten Parteien CDU, CSU, SPD und Grüne. In Wahlkämpfen hatte das BSW eine "konsequente Friedenspolitik" und einen "Stopp der unkontrollierten Migration" versprochen - Themen, die auch bei der AfD zentral sind.
Welche konkreten Gesetzesvorhaben beide Parteien gemeinsam durchsetzen wollen, bleibt unklar. Chrupalla sprach lediglich davon, "gute Dinge für Deutschland" umsetzen zu wollen. Die Gespräche auf Bundesebene befinden sich offenbar noch in einem frühen Stadium. Das BSW im Europaparlament hatte zuletzt angekündigt, gemeinsam mit der extremen Rechten für ein Misstrauensvotum gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu stimmen. Auch die AfD signalisiert Unterstützung für dieses Misstrauensvotum.
BSW-Chefin Wagenknecht will Brandmauer zur AfD einreißen
Sahra Wagenknecht zeigt sich ebenfalls offen für politische Gespräche mit der AfD auch auf Bundesebene. Aktuell gebe es dies nicht, das sei eine Phantomdiskussion, sagte die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur. "Aber wenn Sie mich fragen, ob ich auch mit Herrn Chrupalla reden würde, wenn es einen konkreten Anlass dafür gäbe, wie es in Thüringen bei dem Gespräch der Fraktionsvorsitzenden der Fall war: ja selbstverständlich."
Die BSW-Chefin wirbt seit längerem für einen offenen Umgang mit der AfD und auch Regierungsbeteiligungen der AfD. Gespräche sollten "normal sein in einer Demokratie", sagte sie. "Die AfD wird aktuell von mehr als jedem fünften Wähler gewählt. Ausgrenzung und Redeverbote sind undemokratisch und eine Ohrfeige für diese Wähler, die sie nur noch mehr an die AfD binden." Die Politik der Brandmauer habe die AfD stärker gemacht.
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loc/news.de/dpa/stg