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Ukraine-Krieg im News-Ticker, Tag 71:       Ukraine-Krieg, Tag 70 im News-Ticker - Alle aktuellen Ereignisse vom 04.05.2022

Mariupol ist nach 71 Tagen Krieg fast vollständig zerstört. Bild: picture alliance/dpa/AP | Alexei Alexandrov

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Tag 70 im Ukraine-Krieg. Bild: picture alliance/dpa/AP | Emilio Morenatti

+++Selenskyj: Russischer Truppenabzug Bedingung für Friedensabkommen +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat russischen Forderungen nach Gebietsabtretungen ein weiteres Mal eine klare Absage erteilt. "Das Ziel eines jeden Ukrainers ist die Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit in den internationalen Grenzen", sagte Selenskyj bei einer Veranstaltung des "Wall Street Journals" laut einer Mitteilung vom Mittwoch. "Wir werden nicht auf einen eingefrorenen Konflikt eingehen", betonte er. Die russischen Truppen müssten sich zurückziehen. Außerdem müsse Kremlchef Wladimir Putin einer Waffenruhe zustimmen. "Und das, wenn möglich, öffentlich", forderte Selenskyj. Das wiederum sei die Voraussetzung für ein Friedensabkommen.

Zugleich gestand der 44-Jährige ein, dass die Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit insbesondere mit Blick auf die seit 2014 von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim "schwierig" werde. Moskau hatte Ende Februar einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine begonnen und fordert unter anderem die Anerkennung der Krim als russisch sowie die Unabhängigkeit der ostukrainischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk.

+++ "Genauso verantwortlich wie Putin!" Heftige Kritik an Ukraine-Präsident Selenskyj +++

Der ehemalige brasilianische Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi für seine Haltung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kritisiert. "Dieser Typ ist für den Krieg genauso verantwortlich wie Putin", sagte Lula dem Magazin "Time" in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview. Es sei unverantwortlich von westlichen führenden Politikern, Selenskyi zu feiern statt sich auf Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zu konzentrieren. "Wir ermutigen diesen Typen - und dann denkt er, er sei das Sahnehäubchen."

Er habe nie aufgegeben, sagte Lula mit Blick auf seine eigene Rückkehr in die erste Reihe der Politik. "Politik ist in jeder Zelle meines Körpers, weil ich einen guten Grund habe." Der ehemalige brasilianische Staatschef will mit seinem früheren Kontrahenten Gerardo Alckmin in den Wahlkampf für eine mögliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl in Brasilien im Oktober ziehen.

Lula, 76, regierte Brasilien von 2003 bis 2011. Im Jahr 2018 wurde er wegen Korruption und Geldwäsche zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt. Obwohl der populäre linke Politiker in den Umfragen vorne gelegen hatte, konnte er nicht an der Präsidentenwahl 2018 teilnehmen. Der rechtspopulistische Jair Bolsonaro gewann.

Ein Richter am Obersten Gerichtshof in Brasília hob die Verurteilungen Lulas im März vergangenen Jahres auf, womit dieser seine politischen Rechte zurückbekam. Bald darauf kehrte er auch auf die politische Bühne zurück. In jüngsten Umfragen liegt Lula vor Bolsonaro, der sich eine weitere Amtszeit sichern will.

+++ Biden will mit G7-Verbündeten über weitere Sanktionen beraten +++

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission für ein Öl-Embargo gegen Russland will US-Präsident Joe Biden mit Verbündeten über weitere mögliche Sanktionen gegen Moskau beraten. "Ich werde diese Woche mit den Mitgliedern der G7 darüber sprechen, was wir tun oder nicht tun werden", sagte Biden am Mittwoch am Rande eines Auftritts im Weißen Haus. "Wir sind immer offen für zusätzliche Sanktionen." Zur G7-Gruppe führender demokratischer Industrienationen gehören die Nato-Staaten USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland. Außerdem ist Japan Teil der Gruppe. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die USA, die anderen G7-Staaten und weitere Verbündete harte Sanktionen verhängt.

+++ Ukrainische Behörden: Mehr als 1.200 Leichen rund um Kiew gefunden +++

In der Umgebung der ukrainischen Hauptstadt Kiew werden auch mehr als einen Monat nach dem Abzug der russischen Truppen beinahe täglich weitere Leichen von Zivilisten gefunden. Bis Mittwoch seien insgesamt 1.235 ermordete Zivilisten entdeckt worden, teilte der Chef der Gebietsverwaltung, Olexander Pawljuk, am Mittwoch im Nachrichtendienst Telegram mit. Davon seien 282 immer noch nicht identifiziert. Erst am Dienstag seien 20 neue Todesopfer mit Folterspuren in Leichenhallen gebracht worden.

Der russische Angriffskrieg auf das Nachbarland dauert bereits seit Ende Februar. Große Teile nördlich und nordwestlich der Hauptstadt waren einen Monat lang von russischen Truppen besetzt. Der Fund von Leichen in Städten wie Butscha - einige der Toten mit gefesselten Händen - sorgte weltweit für Entsetzen. Moskau dementiert, dafür verantwortlich zu sein. Die Vereinten Nationen beziffern nach mehr als zwei Monaten Krieg die Gesamtzahl der getöteten Zivilisten auf mehr als 3.200. Sie gehen aber von weitaus höheren Opferzahlen aus.

+++ Kreml dementiert Generalmobilmachung +++

Mit Blick auf den Krieg gegen die Ukraine hat der Kreml Spekulationen über eine bevorstehende Generalmobilmachung in Russland zurückgewiesen. "Das ist nicht wahr. Das ist Unsinn", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. Auf die Frage, ob Präsident Wladimir Putin zum "Tag des Sieges" über Hitler-Deutschland am 9. Mai der Ukraine den Krieg erklären könnte, sagte Peskow ebenfalls: "Nein. Das ist Unsinn." Seit Russlands Angriff auf die Ukraine Ende Februar bezeichnet der Kreml die Kämpfe im Nachbarland stets nur als "militärische Spezial-Operation".

Mehrere Medien hatten Mutmaßungen aufgegriffen, Putin könnte am Montag die allgemeine Mobilmachung von Soldaten und Reservisten ausrufen, um die stockende Offensive in der Ukraine voranzutreiben. Russland feiert am 9. Mai traditionell mit einer großen Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau das Ende des Zweiten Weltkriegs. Putin wird dabei eine Rede halten, die in diesem Jahr mit besonderer Spannung erwartet wird.

Viele Experten gingen ursprünglich davon aus, dass der Kremlchef dann Erfolge in der Ukraine feiern will. Putin nennt die angebliche «Entnazifizierung» des Nachbarlands als eines der wichtigsten Ziele des Einsatzes. Nun aber gehen manche Beobachter eher von einer Intensivierung der Kampfhandlungen aus. Andere halten es für wahrscheinlicher, dass Putin erklären könnte, die ostukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk Russland einzuverleiben.

+++ Moskau stellt weitere Evakuierungen aus Stahlwerk in Aussicht +++

Ungeachtet neuer russischer Angriffe auf das belagerte Stahlwerk Azovstal in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol hat Moskau weitere Evakuierungen von Zivilisten in Aussicht gestellt. Russlands Militär habe den in den Werksgebäuden verschanzten ukrainischen Kämpfern mehrfach angeboten, Zivilisten freizulassen und selbst die Waffen niederzulegen, sagte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. "Wir setzen diese Versuche fort." Zuvor hatte bereits die ukrainische Seite mitgeteilt, sich auf eine neue Evakuierungsaktion vorzubereiten.

Aus dem seit Wochen umkämpften Stahlwerk in der Großstadt am Asowschen Meer waren in den vergangenen Tagen mehr als 150 Menschen gerettet worden. Zugleich berichtete das ukrainische Asow-Regiment am Dienstag von einem neuen Sturm der Russen auf Azovstal. Kremlsprecher Dmitri Peskow bestritt am Mittwoch allerdings, dass russische Soldaten das Gelände stürmten. Es werde nur das Feuer der ukrainischen Truppen niedergehalten, sagte er.

Der Polizeichef von Mariupol, Mychajlo Werschynin, sagte unterdessen dem britischen Sender BBC, es seien insgesamt 500 Verletzte im Stahlwerk eingeschlossen - 200 davon in kritischem Zustand. Russlands Verteidigungsminister Schoigu bekräftigte in seiner Rede weiterhin, dass westliche Waffenlieferungen an die Ukraine aus Moskauer Sicht legitime Angriffsziele seien. Schoigu sprach auch von weiteren Gebietsgewinnen in den ostukrainischen Separatistengebieten Luhansk und Donezk, nannte aber keine Details. Viele internationale Militärexperten sind der Auffassung, dass Russlands Offensive im Donbass seit Kriegsbeginn am 24. Februar nur recht schleppend vorankommt.

+++ Russland will bei Militärparade neue Raketenwerfer zeigen +++

Bei Russlands Militärparade am 09. Mai will Putin seine neuen Raketenwerfer vorstellen. Bild: picture alliance/dpa/AP | Uncredited

Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine will Russland bei der traditionellen Militärparade am 9. Mai auf dem Roten Platz auch in diesem Jahr neue Waffen präsentieren. "Erstmals werden in der motorisierten Kolonne moderne Mehrfach-Raketenwerfer vom Typ Tornado-G mit 122 Millimeter Kaliber und ausgestattet mit automatischen Steuerungs- und Feuerleitsystemen über den Roten Platz rollen", kündigte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Mittwoch nach einem Bericht der Agentur Interfax an.

Insgesamt sind zum "Tag des Sieges" - dem Jahrestag des Siegs der Sowjetunion gegen Hitler-Deutschland 1945 - in 28 russischen Städten Militärparaden geplant. Beim landesweit größten Aufmarsch in Moskau sollen 11 000 Soldaten und 131 Militärfahrzeuge zu sehen sein. Außerdem sollen 77 Hubschrauber und Flugzeuge teilnehmen. Präsident Wladimir Putin wird eine Rede halten.

Die Tornado-G ist ein modernes Waffensystem, das seit 2012 in die Streitkräfte eingeführt wird. Es soll die noch aus sowjetischer Zeit stammenden Raketenwerfer Grad und Smertsch ablösen, die derzeit auch im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden.

+++ Scholz sagt Ukraine weitere militärische Unterstützung zu +++

Die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine haben nach Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Zentrum der Klausur des Bundeskabinetts gestanden. Im Anschluss sicherte Scholz der Ukraine am Mittwoch in Meseberg bei Berlin auch weitere militärische Unterstützung zu.

Sorgfältig seien die Fragen diskutiert worden, die aus der Zeitenwende herrührten, sagte Scholz. Klar sei, dass sich Russlands Präsident Wladimir Putin vollständig verrechnet habe mit seinem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine. So habe der Krieg etwa zu einer stärkeren Zusammenarbeit in der Nato geführt. Die demokratischen Partner lieferten Rüstungsgüter in die Ukraine und gäben große finanzielle Unterstützung. "Auch Deutschland beteiligt sich daran unverändert und wird das auch weiter tun mit immer den Entscheidungen, die jeweils zu dem Zeitpunkt richtig und angemessen sind", sagte Scholz. Zudem seien hunderttausende Menschen vor dem Krieg nach Deutschland geflüchtet. Jenen, die bleiben wollten, solle eine Perspektive gegeben werden.

++ Scholz zu Ukraine-Besuch: Steinmeier-Ausladung steht weiter im Raum +++

Bundeskanzler Olaf Scholz hat nach der Ukraine-Reise von Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) seine vorerst ablehnende Haltung zu einem eigenen Besuch bekräftigt. "Es ist ein Problem, dass der Präsident der Bundesrepublik Deutschland ausgeladen wurde. Und das steht im Raum", sagte der SPD-Politiker nach einer Kabinettsklausur am Mittwoch in Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung. Der Reise von Merz habe dies nicht entgegengestanden. Er habe mit Merz darüber gesprochen und werde sich nach dessen Rückkehr auch weiter mit ihm unterhalten, sagte Scholz.

Der CDU-Chef war am Dienstag nach Kiew gereist und hatte unter anderem Präsident Wolodymyr Selenskyj und Bürgermeister Vitali Klitschko getroffen. Er kündigte an, über Details zunächst Scholz informieren zu wollen. Grundsätzlich könne er dem Kanzler nur empfehlen, vor Ort Gespräche zu führen, machte Merz deutlich. Scholz hatte eine eigene Reise nach Kiew bereits zuvor mit Verweis darauf abgelehnt, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im April kurzfristig von der ukrainischen Seite ausgeladen worden war.

+++ Russisches Militär beschießt Eisenbahnstationen in der Ukraine +++

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben in der vergangenen Nacht mehrere Eisenbahnstationen in der Ukraine mit Langstreckenraketen beschossen. "Es wurden sechs Umspannwerke der Eisenbahn nahe der Stationen Pidbirzi, Lwiw, Wolowez, Tymkowe und Pjatichatka vernichtet, durch die Transporte von Waffen und Munition aus den USA und den europäischen Ländern für die ukrainischen Truppen im Donbass liefen", teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Mittwoch mit.

Darüber hinaus berichtete er über schwere Luft- und Artillerieangriffe der russischen Truppen entlang der Front. So hätten Artillerieeinheiten rund 500 Ziele beschossen, darunter Kommando- und Stützpunkte, Depots und Truppenansammlungen. Dabei seien mehr als 300 ukrainische Soldaten getötet worden. Durch russische Raketen wiederum seien mehrere ukrainische Artilleriestellungen und Luftabwehrsysteme ausgeschaltet worden.

Unabhängig lassen sich die meisten Angaben nicht überprüfen. Allerdings hatte es schon in der Nacht von ukrainischer Seite eine Bestätigung der Raketenangriffe auf mehrere Bahnstationen gegeben.

+++ Größte russische Bank: Sberbank wird von Swift ausgeschlossen +++

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die neuen Pläne für Wirtschaftssanktionen gegen Russland bestätigt. "Wir schlagen jetzt ein Embargo für russisches Öl vor. Dabei geht es um ein vollständiges Einfuhrverbot für sämtliches russisches Öl", sagte sie am Mittwochmorgen im Europaparlament. Man wolle russische Rohöllieferungen innerhalb von sechs Monaten und den Import raffinierter Erzeugnisse bis Ende des Jahres auslaufen lassen.

"Auf diese Weise maximieren wir den Druck auf Russland und halten gleichzeitig Kollateralschäden für uns und unsere Partner weltweit möglichst gering", erklärte die deutsche Politikerin. "Denn wenn wir der Ukraine helfen wollen, muss unsere eigene Wirtschaft stark bleiben."

Neben dem Öl-Embargo bestätigte von der Leyen Pläne für Strafmaßnahmen gegen weitere russische Banken. Sie sehen ihren Angaben zufolge vor, die Sberbank - die mit Abstand größte russische Bank - und zwei weitere große Banken vom internationalen Finanzkommunikationssystem Swift abzukoppeln. "Dadurch treffen wir Banken, die für das russische Finanzsystem relevant sind, und schränken Putins Fähigkeit zu weiteren Zerstörungen ein", sagte sie. "Hierdurch wird die vollständige Isolierung des russischen Finanzsektors vom globalen System zementiert."

Zudem sollen europäische Wirtschaftsprüfer, Berater und sogenannte Spin-Doktoren nicht mehr für russische Unternehmen und den Kreml von Präsident Wladimir Putin arbeiten dürfen.

+++ Ölboykott mit Ausnahmen +++

Über das mittlerweile sechste Sanktionspaket der EU soll ab Mittwoch in Brüssel beraten werden. Es könnte binnen weniger Tage beschlossen werden, wenn es aus den 27 Mitgliedsstaaten keine großen Einwände gibt. Geplant ist, dass nach einer Auslaufphase von sechs Monaten ein Einfuhrverbot für russisches Rohöl gelten soll und nach einer Auslaufphase von acht Monaten auch ein Einfuhrverbot für Ölprodukte.

Weitreichende Ausnahmeregeln sind den Informationen zufolge nur für Ungarn und die Slowakei geplant. Sie beziehen derzeit noch einen Großteil ihres Ölbedarfs aus Russland und können nicht so schnell umsteuern. Deutschland sieht sich zu einem Umsteuern bereit, auch wenn Preissteigerungen absehbar sind. Neben dem Öl-Embargo will die EU russische Banken mit neuen Strafmaßnahmen belegen, ebenso TV-Sender, die Falschinformationen zum Ukraine-Krieg verbreiten.

+++ Russische Raketen gegen ukrainische Eisenbahn +++

Mit massivem Raketenbeschuss auf ukrainische Eisenbahnanlagen versucht Russland den Nachschub an westlichen Waffen zu stoppen. Sechs Bahnhöfe im Westen und in der Mitte der Ukraine seien am Dienstag getroffen worden, teilte die staatliche Bahngesellschaft mit. Opfer unter den Angestellten und Passagieren habe es nicht gegeben. 14 Personenzüge seien zeitweise verspätet gewesen. Die Raketen trafen auch drei Umspannwerke im westukrainischen Gebiet Lwiw und eins in den Transkarpaten an der Grenze zu Ungarn. Auch dabei ging es angeblich darum, die Stromversorgung der Bahn zu treffen.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe schoss Russland mehr als 20 Raketen und Marschflugkörper auf fast alle Teile der Ukraine ab. Viele Raketen seien von Langstreckenbombern über dem Kaspischen Meer abgefeuert worden. Es war eine der schwersten Angriffswellen seit dem russischen Überfall am 24. Februar. Mittwoch ist der 70. Kriegstag.

Politisch deutete Präsident Selenskyj die Angriffe trotzdem als Zeichen einer Schwäche Moskaus. "Offensichtlich hat das russische Militär heute äußerst nervös auf unsere Erfolge reagiert", sagte er in seiner abendlichen Videobotschaft. Ein klares militärisches Ziel der Attacken sei nicht zu erkennen. Die Russen kaschierten nur ihre Ohnmacht, "weil die Ukraine zu stark für sie ist", sagte Selenskyj.

+++ Kiew: Russland hat 400 000 Tonnen Getreide abtransportiert +++

Russland hat aus den besetzten Gebieten der Ukraine nach Kiewer Angaben 400 000 Tonnen Getreide abtransportieren lassen. Das sei etwa ein Drittel der Getreidevorräte in den Regionen Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk, sagte Vizeagrarminister Taras Wyssozkyj im ukrainischen Fernsehen. Vor dem Krieg hätten dort etwa 1,3 Millionen Tonnen Getreide gelagert zur täglichen Versorgung, aber auch zur Aussaat. "Da gab es keine strategischen Reserven", sagte Wyssozkyj nach Angaben aus der Nacht zum Mittwoch. Werde der Getreidebestand weiter reduziert, drohe in diesen Gebieten eine Hungersnot.

Der zwangsweise Abtransport von Getreide ist zwischen Ukrainern und Russen historisch ein schmerzhaftes Thema. Als der Sowjetdiktator Josef Stalin die Bauern in die Kolchosen zwang und Getreide mit Gewalt beschlagnahmen ließ, verhungerten 1932/33 in der Ukraine etwa vier Millionen Menschen. Tote gab es auch im Süden Russlands und in Kasachstan. Die Ukraine betrachtet die künstlich erzeugte Hungersnot, den sogenannten Holodomor, als von Moskau befohlenen Völkermord.

+++ Merz kehrt mit Ratschlägen aus Kiew heim +++

Nach seinem Besuch in Kiew empfahl CDU-Chef Friedrich Merz Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), ebenfalls persönlich in die Ukraine zu reisen. Er habe den Präsidenten, den Ministerpräsidenten, den Parlamentspräsidenten und Oppositionsführer sowie Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko getroffen, sagte Merz am Dienstagabend im "heute-journal" des ZDF. "Diese Gespräche können Sie nicht am Telefon machen. Die können Sie auch nicht mit Videokonferenzen machen. Sie müssen diese Gespräche persönlich führen." Scholz lehnt eine Reise nach Kiew derzeit ab, weil Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im April kurzfristig ausgeladen worden war.

Merz wollte noch nichts zu Details seiner Gespräche sagen. Er wolle zuerst dem Kanzler berichten. Jenseits von Waffenlieferungen sei es um den Wiederaufbau der Ukraine, eine EU-Mitgliedschaft oder die Frage von Garantiemächten für das Land gegangen, sagte Merz aber.

+++ Hoffnung auf weitere Evakuierungen aus Mariupol +++

Nach einer erfolgreichen Rettungsaktion für Zivilisten aus Mariupol setzt Präsident Selenskyj auf weitere Evakuierungen. Die Gruppe von 156 Frauen, Kindern und älteren Menschen war am Dienstag in der Stadt Saporischschja eingetroffen. Viele von ihnen hatten sich in Mariupol im Stahlwerk Azovstal versteckt gehalten, dem letzten Verteidigungsposten ukrainischer Soldaten in der Hafenstadt.

«Wir tun bedingungslos weiter alles, um alle unsere Leute aus Mariupol, aus Azovstal herauszuholen», sagte Selenskyj. "Wir brauchen sie alle" - die Zivilpersonen wie die Soldaten. Die ukrainische Seite bereitete sich auf eine weitere Rettungsaktion schon am Mittwoch vor. Die Vereinten Nationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz sollten dabei helfen.

 

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/news.de/dpa

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