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Sergej Schoigu gefeuert: Stühlerücken im Kreml - er wird Putins neuer Verteidigungsminister

Zwölf Jahre lang war Sergej Schoigu russischer Verteidigungsminister - nun ist Wladimir Putins Vertrauter seinen Job los. Einen Schoigu-Nachfolger gibt's im Kreml ebenso wie einen neuen Posten für den Ex-Kriegsminister bereits.

Stühlerücken im Kreml: Auf Geheiß von Wladimir Putin muss Verteidigungsminister Sergej Schoigu seinen Posten räumen. (Foto) Suche
Stühlerücken im Kreml: Auf Geheiß von Wladimir Putin muss Verteidigungsminister Sergej Schoigu seinen Posten räumen. Bild: picture alliance/dpa/Sputnik Kremlin Pool Photo/AP | -
  • Sergej Schoigu als russischer Verteidigungsminister entlassen
  • Wladimir Putin ernennt Andrej Beloussow zu Schoigu-Nachfolger
  • Stühlerücken im Kreml: Sergej Schoigu folgt Nikolai Patruschew als Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates nach

Wladimir Putin lässt im Kreml Köpfe rollen - zumindest im übertragenen Sinn. Der Kreml-Chef ist aktuell dabei, seine Regierung personell neu zu besetzen.

Sergej Schoigu von Putin entlassen: Wer wird neuer Verteidigungsminister?

Einer, der seinen Posten nun auf Putins Geheiß räumen muss und durch einen Zivilisten ersetzt wird, ist Sergej Schoigu (68), der seinen Job als russischer Verteidigungsminister nach zwölf Jahren im Amt los ist. Doch was steckt hinter den personellen Veränderungen im Kreml?

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Wladimir Putin bestimmt Zivilisten zum Schoigu-Nachfolger im Verteidigungsministerium

Gänzlich überraschend kam die Absetzung Sergej Schoigus als Verteidigungsminister Russlands nicht, dennoch glich Putins Entscheidung einem Paukenschlag auf dem Politik-Parkett. Wladimir Putins enger Vertrauter Schoigu muss seinen Posten als Verteidigungsminister mehr als zwei Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine räumen. Unbesetzt wird der Job nicht lange bleiben: Schoigus Nachfolger soll Andrej Beloussow werden, wie das Oberhaus des russischen Parlaments am Abend des 12. Mai 2024 mitteilte. Dort waren Putins Vorschläge für die Zusammensetzung der neuen russischen Regierung eingegangen.

Neuer Kriegsminister ohne Militärhintergrund: Welche Aufgaben hat Andrej Beloussow als Schoigu-Nachfolger?

Russlands neuer Verteidigungsminister heißt Andrej Beloussow - der einstige Wirtschaftsberater von Wladimir Putin folgt Sergej Schoigu im Amt nach. (Foto) Suche
Russlands neuer Verteidigungsminister heißt Andrej Beloussow - der einstige Wirtschaftsberater von Wladimir Putin folgt Sergej Schoigu im Amt nach. Bild: picture alliance/dpa/AP | Alexei Nikolsky

Andrej Beloussow, in Moskau geboren und heute 65 Jahre alt, bekleidete bislang das Amtdes Vize-Regierungschefs, ist in Putins Dunstkreis kein Neuling. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler, der seit 2006 im öffentlichen Dienst tätig ist, wurde 2012 zum Minister für wirtschaftliche Entwicklung ernannt und fungierte 2020 als oberster Wirtschaftsberater für Kreml-Chef Putin.

"Heute gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der offener für Innovationen und deren Umsetzung ist", erklärte Kremlsprecher Peskow Putins Entscheidung für einen Zivilisten an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Beloussow sei nicht nur Zivilbeamter, sondern habe auch viele Jahre erfolgreich in der Politik gearbeitet und Putin in Wirtschaftsfragen beraten. Er sei "zweifellos der beste Kandidat", um den Komplex der russischen Rüstungsindustrie auszubauen und neue Technologien einzuführen, wurde der Duma-Abgeordnete Sergej Gawrilow von Tass zitiert.

Dass Beloussow über keinerlei militärischen Background verfügt, brachte Kreml-Beobachter zu Rückschlüssen auf die priorisierten Aufgaben des neuen russischen Kriegsministers. Die Ernennung Beloussows als Schoigus Nachfolger deutet für einige Experten darauf hin, dass Putin den Krieg vor allem mit der Produktion in den Rüstungsbetrieben gewinnen wolle. "In seiner Denkweise ist das logisch, weil sich der wirtschaftliche Block in dem Krieg als effektiver erwiesen hat als der Sicherheits- und Militärapparat", sagte der Experte Alexander Baunow. Putins Strategie sei es folglich, Druck auf die Ukraine nicht durch die Mobilmachung neuer Soldaten auszuüben, sondern durch die Kapazitäten des Rüstungskomplexes.

Russland-Kenner Alexander Dubowy formulierte seine Einschätzung zur Schoigu-Nachfolge wie folgt:

  • "Ähnlich wie Schoigu hat auch Beloussow keinen Militärhintergrund. Der 65-jährige Volkswirt gilt als ausgewiesener Fachmann und ideologisch neutraler Technokrat. Seine Hauptaufgabe dürfte in der Koordinierung einer noch engeren Zusammenarbeit zwischen dem Verteidigungsministerium, der Regierung sowie dem Wirtschaftssektor bestehen."

Sergej Schoigu nicht mehr Verteidigungsminister - das ist sein neuer Job im Kreml

Generalstabschef Waleri Gerassimow bleibe an seinem Platz, betonte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die militärische Komponente im Verteidigungsministerium bleibe auch nach der Ernennung Beloussows unverändert. Schoigu soll nun Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates werden; diesen Posten hatte zuvor Nikolai Patruschew bekleidet. Patruschews neue Verwendung wiederum werde in Kürze bekannt gegeben, erklärte Peskow weiter.

Putin behält seinen Vertrauten Patruschew im Kreml

Inzwischen ist bekannt geworden: Der russische Präsident Wladimir Putin behält seinen Vertrauten Nikolai Patruschew in seiner Nähe. Mit einem Erlass vom 14. Mai ernannte der Kremlchef Patruschew zu seinem Berater, nachdem er ihn zwei Tage zuvor als Sekretär des russischen Sicherheitsrates entlassen hatte. In Putins Umfeld gilt Patruschew als Vordenker des russischen Großmachtstrebens und als einer der Ideologen des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Genauere Angaben über die neue Funktion des 72-Jährigen wurden nicht gemacht.

Zugleich beließ Putin den Chef seiner Präsidialadministration, Anton Wajno, im Amt, ebenso als erste Stellvertreter Alexej Gromow und Sergej Kirijenko. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow soll weitermachen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass meldete. Der frühere Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Maxim Oreschkin, wurde zu einem der Stellvertreter im Präsidialamt ernannt. Putin holte auch seinen ehemaligen Leibwächter Alexej Djumow, zuletzt Gouverneur des Gebietes Tula, als Berater zurück in den Kreml. Beobachter zählen Djumow zur Führungsreserve für künftige ranghohe Ämter in Russland.

Wladimir Putin schmiedet neue Regierung nach Wahlsieg

Die Bildung einer neuen Regierung steht an, nachdem die alte nach der Präsidentenwahl Mitte März verfassungsgemäß zurückgetreten war. Bei der von Betrugs- und Manipulationsvorwürfen überschatteten Abstimmung hatte sich Putin zum haushohen Sieger ausrufen lassen; vor einigen Tagen ließ er sich dann offiziell für seine mittlerweile fünfte Amtszeit vereidigen. In der neuen Regierung gibt es einige Personalwechsel - keiner davon ist aber auch nur annähernd so wichtig wie die Auswechslung Schoigus. So hält Putin etwa weiter an Ministerpräsident Michail Mischustin fest. Weiter im Amt bleibt zudem auch nach 20 Jahren Außenminister Sergej Lawrow (74), über dessen Ablösung zuletzt ebenfalls spekuliert worden war.

Schoigu-Entlassung bleibt unbegründet - welche Machtkämpfe toben wirklich im Kreml?

Ein offizieller Grund für die Entlassung Schoigus wurde nicht genannt. Vereinzelt war allerdings über eine mögliche Entlassung des Verteidigungsminister spekuliert worden. Vor wenigen Wochen war einer von Schoigus Stellvertretern, Timur Iwanow, wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet worden. Beobachter hatten das als Anzeichen von Machtkämpfen innerhalb des russischen Militär- und Sicherheitsapparats gewertet. 

Litauens Präsident kommentiert Schoigu-Entlassung: Zeichen für russische Öffentlichkeit

Kremlsprecher Peskow machte ebenfalls deutlich, dass die Verteidigungsausgaben in Russland inzwischen so hoch seien, dass eine Person wie Andrej Beloussow der Mann sei, um den Bereich zu kontrollieren. Das Verteidigungsressort nehme bei den Sicherheitsausgaben Russlands inzwischen eine Schlüsselposition ein, sagte Peskow. "Das erfordert besonders wichtige Entscheidungen." 

Nach Einschätzung von Litauens Präsident Gitanas Nauseda ist Schoigus Entlassung als Zeichen für die russische Öffentlichkeit gedacht. "Dies geschieht für den heimischen Markt. Dies geschieht, um diesen Krieg fortsetzen zu können. Machen wir uns keine Illusionen darüber, dass Putin zu friedlichen Verhandlungen bereit ist", sagte der Staatschef des baltischen EU- und Nato-Landes litauischen Medienberichten in der Nacht zum 13. Mai in Vilnius.

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/news.de/dpa

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