Politik

Auch Merkel und Scholz als Anschlagsopfer: Reichsbürger aus Neonazi-Szene wegen Politiker-Todesliste in U-Haft

Der frühere Bundeskanzler Olaf Scholz und Altkanzlerin Angela Merkel gehörten zu den Politikern, die der in Dortmund festgenommene Reichsbürger auf seiner Todesliste vermerkt hatte. Bild: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

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  • Zugriff im Reichsbürger-Milieu: 49-Jähriger wegen Anschlagsplänen auf Politiker festgenommen
  • Angela Merkel und Olaf Scholz auf Todesliste erwähnt: Reichsbürger schmiedete konkrete Mordpläne
  • Sprengsatz-Anleitungen und persönliche Daten von potenziellen Mordopfern auf Plattform "Assassination Politics" entdeckt

Ein 49-jähriger Mann aus dem Reichsbürger-Milieu ist am Abend des 10. November 2025 in Dortmund festgenommen worden. Dem deutsch-polnischen Staatsbürger wird vorgeworfen, im Darknet eine Plattform mit einer Todesliste betrieben zu haben, auf der mehr als 20 Politiker standen - darunter der frühere Bundeskanzler Olaf Scholz und Altkanzlerin Angela Merkel. Der Festgenommene sammelte zudem Kryptowährungen als Kopfgeld für potenzielle Attentäter.

Festnahme im Reichsbürger-Milieu: 49-Jähriger schmiedete konkrete Mordpläne gegen Politiker

Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Terrorismusfinanzierung und Anleitung zu staatsgefährdenden Gewalttaten vor. Auf seiner Plattform "Assassination Politics" veröffentlichte er Informationen der "Bild" zufolge selbstverfasste Todesurteile, Anleitungen zum Bau von Sprengsätzen und sensible Daten der Zielpersonen. Die Ermittlungen liefen seit Juni 2025, nachdem der Verfassungsschutz einen Hinweis gegeben hatte. Am Dienstag wurde der Verdächtige dem Ermittlungsrichter in Karlsruhe vorgeführt, der Untersuchungshaft anordnete.

Er führte Darknet-Todeslisten: Verdächtiger aus Neonazi-Szene

Der wegen Politiker-Todeslisten im Darknet festgenommene Verdächtige stammt aus der Dortmunder Neonazi-Szene. Er sei den Behörden seit Jahren bekannt, berichtete NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dem Landtag. Seit 2021 habe er in der Szene verkehrt. Der 49-Jährige habe auch an einer Gedenkveranstaltung für den gestorbenen Dortmunder Neonazi Siegfried Borchardt ("SS-Siggi") teilgenommen.

Der 49-Jährige sei wegen verschiedener Straftaten - unter anderem wegen Volksverhetzung - polizeibekannt und bereits zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden, sagte Reul. Seit Mittwoch sei er als rechtsextremer Gefährder eingestuft. Bereits im Januar 2024 habe der Staatsschutz beantragt, ihn als sogenannte "relevante Person" im Bereich politisch rechts motivierter Kriminalität einzustufen. Dies habe das Landeskriminalamt damals nach eingehender Prüfung abgelehnt. Die Erkenntnisse hätten nicht ausgereicht. Er sei dennoch seither "engmaschig betreut" worden und als rechtsextreme Person immer wieder aufgefallen, sagte Reul.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem deutsch-polnischen Mann Terror-Finanzierung und die Anleitung zur Begehung eines Terroranschlags vor. Neben den Namenslisten soll er im Darknet auch selbst verfasste Todesurteile und Bau-Anleitungen für Sprengsätze veröffentlicht haben. Zudem habe er Spenden in Form von Kryptowährung eingefordert, die als Kopfgeld für die Tötungen ausgelobt werden sollten. Am 11.11.2025 hatte ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ihm den Haftbefehl eröffnet und diesen in Vollzug gesetzt.

Plattform "Assassination Politics" aufgeflogen: Reichsbürger pflegte Todesliste mit mehr als 20 Politiker-Namen im Darknet

Die Plattform "Assassination Politics" enthielt eine umfangreiche Liste mit mehr als 20 Zielpersonen aus Politik und Justiz. Neben den prominenten Namen Scholz und Merkel fanden sich dort auch ehemalige Bundesminister sowie Richter und Staatsanwälte. Der Verdächtige veröffentlichte selbstverfasste "Todesurteile" und "Strafakten" gegen diese Personen.

Besonders brisant: Die Seite enthielt detaillierte Bauanleitungen für Sprengsätze. Zusätzlich stellte der Mann sensible personenbezogene Daten der potenziellen Opfer online. Die Ermittler stießen auf der Plattform auch auf rechtsextreme, rassistische und verschwörungsideologische Inhalte.

Das Darknet bot dem Täter die nötige Anonymität für seine Aktivitäten. Die versteckten Seiten sind nur über spezielle Anonymisierungs-Netzwerke und mit der genauen URL erreichbar - normale Suchmaschinen finden sie nicht.

Festnahme in Dortmund: Reichsbürger seit Jahren im Visier der Behörden

Der Festgenommene gehört zur rechtsextremen Reichsbürger-Szene. Den Sicherheitsbehörden war der Mann bereits seit 2020 bekannt - damals fiel er durch Widerstandshandlungen bei Corona-Demonstrationen auf. Der entscheidende Hinweis auf seine gefährlichen Aktivitäten im Darknet kam vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Ermittlungen gegen den deutsch-polnischen Staatsangehörigen liefen bereits seit Juni dieses Jahres. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte in Berlin: "Wir gehen davon aus, dass der Verdacht auf Terrorismusfinanzierung, dass der sich hier erhärten wird." Der 49-Jährige lebte mit seiner Familie in Dortmund. Ob er Komplizen hatte, ist derzeit noch unklar - die Behörden haben dazu bislang keine Informationen veröffentlicht.

Spezialkräfte schlagen in Dortmund zu - Haftbefehl gegen festgenommenen Reichsbürger

Am Abend des 10. November rückten Beamte des Bundeskriminalamts gemeinsam mit Spezialkräften der Bundespolizei in Dortmund an. Der Zugriff auf den 49-Jährigen verlief erfolgreich - er wurde in seiner Wohnung festgenommen. Bereits tags darauf brachten die Ermittler den Verdächtigen nach Karlsruhe. Dort eröffnete ihm der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl und ordnete Untersuchungshaft an. Die Vorwürfe wiegen schwer: Terrorismusfinanzierung, Anleitung zu staatsgefährdenden Gewalttaten und gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten. Zu möglichen Mittätern schweigen die Behörden bislang. Ob der Mann bei seinem gefährlichen Treiben im Darknet Unterstützer hatte, bleibt vorerst offen. Die Ermittlungen dauern an.

"Hemmschwellen sind gefallen" - Ex-Minister Lauterbach warnt vor Gewaltgefahr

Der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht nach der Festnahme eine wachsende Bedrohung für Politiker. "Es sind Hemmschwellen gefallen, so dass im Internet offen und tabulos über die Bestrafung, die Entführung oder sogar die Ermordung von Politikern gesprochen werden kann", erklärte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Lauterbach mahnte eindringlich: "Ich glaube, dass das langfristig eine große Gefahr ist, der wir unbedingt begegnen müssen." Er forderte eine systematische Überwachung entsprechender Online-Räume und eine bessere Ausstattung der Kriminalämter zum Schutz gefährdeter Personen. Der SPD-Politiker war selbst bereits Ziel von Extremisten. Im März verurteilte das Oberlandesgericht Koblenz vier Angeklagte zu langen Haftstrafen, die Lauterbach entführen wollten.

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/news.de/dpa/stg

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