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Kriegsdienstverweigerungen nehmen zu: Sorgt dieser Bundeswehr-Trend für die Wiedereinführung der Wehrpflicht?

Die Bundeswehr ist längst nicht mehr für jeden ein berufliches Traumziel: Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer ist 2025 auf einen neuen Höchststand gestiegen. Bild: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

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  • Bundeswehr will Truppe aufstocken - doch die Zahl der Kriegsdienstverweigerer steigt stetig
  • Mit dem Ukraine-Krieg fing alles an: Anträge auf Kriegsdienstverweigerung erreichen 2025 neuen Höchststand
  • Bundeswehr soll auf 260.000 Soldaten aufgestockt werden - ist der Plan zum Scheitern verurteilt?

Ginge es nach CDU und CSU, dann würde die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht in Deutschland umgehend wieder eingesetzt. Vorerst einigte sich die Bundesregierung darauf, den Wehrdienst auf Freiwilligkeit basierend neu zu gestalten, denn die Truppe unter Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat ein sportliches Ziel vor Augen: Etwa 80.000 zusätzliche aktiven Soldaten braucht die Bundeswehr bis 2035, um das von der Nato gesteckte Ziel einer Truppenstärke von 260.000 Soldaten zu erreichen, das als erforderlich angesehen wird, um einem Angriff etwa Russlands standzuhalten. Allerdings steht die Bundeswehr dabei vor einem massiven Problem: Immer weniger Deutsche sind bereit, Kriegsdienst zu absolvieren.

Deutschland als Land der Kriegsdienstverweigerer? Bundeswehr erlebt Antragsflut

Wie aktuell bei "Focus online" zu lesen ist, nimmt die Zahl derer, die nicht bereit sind, für Deutschland zur Waffe zu greifen, seit Jahren beständig zu. Allein bis Ende August 2025 registrierte die Bundeswehr demnach 3.257 Anträge auf Verweigerung des Waffendienstes - mehr als dreimal so viele wie im gesamten Jahr 2022, als Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine begann.

Die drastische Zunahme zeigt sich im Jahresvergleich: Während 2021 lediglich etwa 200 Menschen den Dienst an der Waffe ablehnten, waren es 2022 bereits rund 1.100. Im Jahr 2024 erreichte die Zahl bereits 2.998 Anträge, die im laufenden Jahr 2025 nun schon vier Monate vor Jahresende übertroffen wurde. Diese Entwicklung trifft die Bundeswehr in einer kritischen Phase und droht, die Pläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius zu konterkarieren und die Debatte über eine mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht zu befeuern.

Zahl der Kriegsdienstverweigerer auf neuem Höchststand

Die aktuellen Zahlen markieren den höchsten Wert an Kriegsdienstverweigerungen seit 2011. Nach Informationen von "Focus Online" steuert Deutschland auf einen Rekordwert zu, der zuletzt vor 14 Jahren erreicht wurde. Der historische Vergleich verdeutlicht die Dimension: Zwischen 1991 und 2010 verzeichnete Deutschland jährlich über 100.000 Verweigerer für den Dienst an der Waffe. Den absoluten Höhepunkt bildete das Jahr 2002 mit fast 190.000 Anträgen. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 brachen die Zahlen dramatisch ein - auf nur noch wenige hundert Anträge pro Jahr. Seit Einführung der Wehrpflicht 1956 haben insgesamt etwa 4,2 Millionen Deutsche den Kriegsdienst verweigert. Die aktuelle Entwicklung zeigt eine deutliche Trendwende: Nach Jahren minimaler Antragszahlen steigen die Verweigerungen wieder drastisch an.

Welche Gesetze erlauben die Kriegsdienstverweigerung?

Das Recht, den Waffendienst zu verweigern, ist im Grundgesetz verankert. Artikel 4 garantiert, dass kein Bürger gegen sein Gewissen zum bewaffneten Kriegsdienst verpflichtet werden kann. Wer dieses Recht wahrnehmen will, muss einen schriftlichen Antrag beim zuständigen Karrierecenter der Bundeswehr einreichen. Erforderlich sind ein lückenloser Lebenslauf und eine detaillierte Darlegung der Gewissensgründe. Diese Unterlagen können binnen eines Monats nachgereicht werden.

Die Bundeswehr prüft die Anträge inhaltlich und leitet sie an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) in Köln weiter. Diese Behörde des Familienministeriums trifft die endgültige Entscheidung. Die Erfolgsquote ist hoch: 2025 wurden bisher 2071 Anträge positiv beschieden. Bei Ablehnung stehen Widerspruch und Klage vor dem Verwaltungsgericht offen - bislang gab es 104 Widersprüche und sechs Klagen.

Kriegsdienstverweigerer in Deutschland: Ungediente und Reservisten führen Verweigererliste an

Die Zusammensetzung der Antragsteller zeigt ein klares Muster: Von den 3.257 Verweigerungen stammen 2.266 von Ungedienten - Männern, die theoretisch zum Wehrdienst herangezogen werden könnten. Reservisten stellten 856 Anträge, während aktive Soldaten nur einen kleinen Teil ausmachen. Die Bundeswehr betont, dass die Beweggründe für eine Verweigerung vielfältig und häufig persönlicher Natur sind. Die gestiegenen Zahlen interpretiert die Truppe als Zeichen dafür, dass sich die Bevölkerung intensiver mit Fragen der Landesverteidigung auseinandersetzt. "Sie treffen eine klare Entscheidung und positionieren sich zu diesem Thema", heißt es aus den Karrierecentern.

Gemessen an der Gesamtstärke der Bundeswehr von 183.000 aktiven Soldaten erscheinen die Verweigererzahlen zunächst überschaubar. Doch der Trend zeigt steil nach oben. Die steigenden Verweigererzahlen liefern den Befürwortern einer Wehrpflicht neue Argumente: Wenn immer mehr Deutsche den Waffendienst ablehnen, könnte die angestrebte Personalstärke ohne Pflichtdienst unerreichbar bleiben.

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