Ost-West-Dilemma zum Tag der Deutschen Einheit: Zunehmende Entfremdung - Politik muss etwas tun
35 Jahre Wiedervereinigung feiert Deutschland am 3. Oktober 2025. Doch Ost- und Westdeutsche entfremden sich aktuell immer mehr. Bild: picture alliance/dpa | Christophe Gateau
Von news.de-Redakteur Martin Gottschling
02.10.2025 12.42
- Zunehmende Entfremdung zwischen Ost und West zum 35. Tag der Deutschen Einheit
- Weitere Maßnahmen gegen große Einkommensunterschiede sollten ergriffen werden
- Politik muss Probleme der Menschen in Ostdeutschland ernst nehmen
- Ostdeutsche sollten sich auch an die positiven Entwicklungen seit der Wende erinnern
35 Jahre Deutsche Einheit - das feiert die Bundesrepublik am Freitag, den 3. Oktober 2025. Doch die Kluft zwischen Ost und West ist immer noch groß. Einer repräsentativen YouGov-Umfrage zufolge sind derzeit sogar 30 Prozent der Meinung, dass die Unterschiede überwiegen. In Ostdeutschland hat sich diese Sichtweise in den vergangenen Jahren sogar verstärkt. Weitere Erhebungen zeigen eine zunehmende Entfremdung zwischen den beiden Landesteilen. Doch was kann man dagegen tun?
Ost-West-Dilemma am 35. Tag der Deutschen Einheit: Politik muss etwas tun
Zunächst müsste die Politik dafür sorgen, dass bestehende Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland weiter abgebaut werden. Der MDR berichtet aktuell über eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die zeigt: Westdeutsche verdienen immer noch deutlich mehr als Ostdeutsche. Zwar haben sich die Einkommen seit 2014 langsam angeglichen, doch der Lohnunterschied von insgesamt 17 Prozent bleibt groß. Zwar wird von manchen immer wieder als Argument angebracht, dass die Lebenshaltungskosten im Westen ja schließlich auch höher seien. Doch das greift zu kurz. Auch in wachsenden ostdeutschen Großstädten wie zum Beispiel Leipzig explodieren die Mieten, ein Besuch im Restaurant oder im Kino kann hier genauso viel kosten wie in Köln.
Probleme der Menschen in Ostdeutschland müssen ernstgenommen werden
Gerade im Osten profitieren rechte Kräfte von der wachsenden Unzufriedenheit mit der Politik. Die AfD könnte bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt in rund einem Jahr zur stärksten Kraft werden. Doch es hilft nichts, wenn man deswegen alle Ostdeutsche pauschal als "Nazis" beschimpft. Denn der Ärger der Menschen richtet sich bei Weitem nicht nur gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung. Die Probleme liegen häufig viel tiefer. In vielen ländlichen Regionen im Osten gibt es nur wenige oder gar keine Migranten. Trotzdem setzen die Einwohner aus Protest ihr Kreuz bei der AfD. Denn sie fühlen sich abgehängt. Bis heute gibt es zum Beispiel keine klaren Konzepte, wie künftig ländliche Regionen besser an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden werden sollen. Trotz lebenslanger harter Arbeit müssen viele Menschen mit einer geringen Rente auskommen. Die Angst vor Altersarmut ist groß. Nach der Wiedervereinigung hatten sich besonders die Ostdeutschen eine positivere Entwicklung erhofft.
Früher war nicht alles besser
Dennoch muss man sich am Tag der Deutschen Einheit auch daran erinnern, dass früher nicht alles besser war. Im Gegenteil: Kein Ostdeutscher sollte sich ernsthaft Verhältnisse wie in der DDR zurückwünschen. Es war eine Zeit, in der es gravierende Reisebeschränkungen gab und man sich nicht sicher sein konnte, ob einen die Freunde oder die Nachbarn für die Stasi ausspionierten. Der Lebensstandard hat sich auch im Osten seit den 90er-Jahren ebenfalls deutlich verbessert. Als Nachwende-Kind bin ich jedenfalls froh, in einer Demokratie zu leben. Meine Freunde aus dem Westen weiß ich zu schätzen. Bis auf den Dialekt fallen mir sehr große Unterschiede inzwischen ohnehin nicht auf.
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