Heidi Reichinnek und Jens Spahn: Hitzige Debatte übers Bürgergeld - Streit bei "maybrit illner" eskaliert
Jens Spahn und Heidi Reichinnek stritten bei "maybrit illner" intensiv über mögliche Reformen beim Bürgergeld. Bild: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Von news.de-Redakteur Martin Gottschling
13.09.2025 06.10
- Jens Spahn und Heidi Reichinnek geraten bei "maybrit illner" heftig aneinander
- Fraktionsvorsitzende der CDU und Linken streiten über mögliche Kürzungen beim Bürgergeld
- Hitzige Debatte um Jobverweigerer
"Wer rettet den Sozialstaat?" Über diese Frage wurde am Donnerstag in der ZDF-Talkshow "maybrit illner" diskutiert. Besonders zwischen CDU-Fraktionschef Jens Spahn und der Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek entbrannte eine heftige Auseinandersetzung darüber, welche Reformen notwendig sind, um das Milliardenloch in den Sozialversicherungen zu stopfen und die Wirtschaft in Deutschland wieder anzukurbeln.
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Jens Spahn fordert bei "maybrit illner" vom 11.09.2025 Reformen für Wirtschaftswachstum
Zu Beginn der Sendung analysierte Spahn:
- "Wir brauchen wieder Wachstum. Wachstum ist die Voraussetzung für funktionierende Sozialsysteme. Die 10er-Jahre waren die längste Phase von Wachstum in Deutschland in der Geschichte der Bundesrepublik. Und in der Zeit ging es Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung auch gut."
- Es habe viele Jobs gegeben und die Löhne seien gestiegen - in den vergangenen drei Jahren hingegen "Rezession" und "Stagnation".
- "Das macht auf allen Ebenen was. Deutschland ist ärmer geworden, wir haben Milliardendefizite in den Sozialversicherungen", so Spahn weiter.
Bisherige Maßnahmen würden noch nicht ausreichen, gab der CDU-Politiker zu. Er plädierte dafür, Bürokratie abzubauen und die Kosten für Unternehmen weiter zu senken. Gleichzeitig forderte er, die sozialen Sicherungssysteme "demographiefest" zu machen. Moderatorin Maybrit Illner wies darauf hin, dass dies wohl nicht ohne Kürzungen gehen würde, und wandte sich mit dieser Frage an Heidi Reichinnek.
Heidi Reichinnek spricht sich gegen Kürzungen im Sozialsystem für die "Schwächsten" aus
Die Linken-Politikerin entgegnete:
- "Es heißt ja die ganze Zeit, wir können uns diesen Sozialstaat nicht leisten und der wird immer teurer. Das ist in absoluten Zahlen richtig, aber das BIP (Bruttoinlandsprodukt) steigt ständig an. Aber der prozentuale Anteil von Sozialausgaben, der steigt eben nicht an."
- Es stimme nicht, dass man sich den Sozialstaat nicht mehr leisten könne.
- "Wir können uns die soziale Ungerechtigkeit in den Systemen nicht leisten", analysierte Reichinnek.
- "Deswegen finde ich es etwas irritierend, dass sofort davon ausgegangen wird, wir müssen reformieren, und das heißt automatisch kürzen. Für mich heißt reformieren, wir müssen verbessern."
Die Regierung plane aber Kürzungen "auf dem Rücken derer, die sowieso schon am wenigsten haben" und damit "auf dem Rücken der Mehrheit".
Hitzige Bürgergeld-Debatte zwischen Jens Spahn und Heidi Reichinnek bei "maybrit illner"
Im späteren Verlauf der Sendung griff Spahn Reichinneks Äußerungen auf. Er widersprach, dass es Pläne zu Kürzungen für die Schwächsten der Gesellschaft gebe, und kam in diesem Zusammenhang auf das Thema Bürgergeld zu sprechen. Aktuell sind in der schwarz-roten Koalition härtere Sanktionen für Bürgergeldempfänger im Gespräch, die ein Jobangebot ablehnen. Dadurch sollen die Sozialkassen entlastet werden."Uns geht's um diejenigen, die arbeiten könnten und die ein Jobangebot bekommen", erklärte Spahn bei "maybrit illner":
- "Wir haben ja eine verrückte Situation: Wir haben in der Industrie viele Jobs verloren oder die wackelig sind, aber wir haben Hunderttausende offene Stellen in der Gastronomie, im Dienstleistungsbereich, in anderen Bereichen."
- Diejenigen, die meinen, sie bräuchten einen angebotenen Job nicht, sollten laut Spahn keine weitere Unterstützung bekommen.
- "Wer arbeiten kann und einen Job nicht annimmt, der gehört nicht zu den Schwächsten", so sein Fazit.
Heidi Reichinnek reagierte aufgebracht. Spahn wisse genau, dass es mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt. Zudem sei die Zahl der Jobverweigerer, über die er rede, klein. Die Linken-Politikerin machte auf andere Personen aufmerksam, die Bürgergeld beziehen. Darunter seien auch zahlreiche erwerbstätige, alleinerziehende Mütter, die aufstocken müssten. "Ich würde mir wünschen, sie würden mit so viel Leidenschaft mal für mehr Geld im Kita-System, für bessere Ausbildungsbedingungen", forderte sie von Spahn.
CDU-Fraktionschef will keine Unterstützung für Jobverweigerer
Der CDU-Mann konterte mit einer Frage an Reichinnek:
- "Jeder der kann und ein Angebot bekommt, sollte arbeiten - ist das auch ihre Überzeugung?"
- Die Linken-Politikerin antwortete: "Ich bin sogar der Überzeugung, dass die Menschen arbeiten wollen. Weil ich glaube, dass die Menschen einen Job haben wollen, bei dem sie wertgeschätzt werden und bei dem sie natürlich auch einen fairen Lohn bekommen."
- Sie sieht Probleme, wenn Jobs angeboten werden, "bei denen das nicht so ist".
Spahn hakte weiter nach: "Wer selber für sich sorgen könnte, sollte der das auch tun?" Reichinnek stellte klar: "Ja natürlich, aber sie müssen sich anschauen, was die Gründe sind, warum Menschen Jobs nicht annehmen."
Anschließend platzte ihr der Kragen. Sie warf Spahn vor, eine "Schein-Debatte" zu führen. Der 45-Jährige sagte, dass es mehr "Gerechtigkeit" gebe, wenn Jobverweigerern das Bürgergeld gestrichen werde. Diese Aussage rief bei Reichinnek große Empörung hervor:
- "Ja, na da kann ich mir ja viel von kaufen, wenn ich davon keinen Cent mehr habe."
- Von Spahn wollte sie schließlich wissen: "Warum sind Sie gegen den Mindestlohn, der armutsfest ist? Das hätte schon konkret geholfen, dann wäre die Stimmung auch besser. Was machen Sie denn für die ganzen Leute? Sie zeigen auf jemand anderen und sagen, aber der ist viel schlimmer - klasse."
Auf einen gemeinsamen Nenner kamen die beiden Bundestagsmitglieder am Abend nicht mehr.
Die komplette Ausgabe "maybrit illner" vom Donnerstag, dem 11. September 2025, ist unter zdf.de zu finden. Neben Spahn und Reichinnek legten auch der Ökonom Jens Südekum, die Wirtschaftsweise Veronika Grimm und "Spiegel"-Journalist Markus Feldenkirchen ihre Meinungen zum Thema dar.
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gom/bua/news.de